Die mechanische Armbanduhr ist eine der genauesten mechanischen Maschinen. Selbst eine Gangabweichung von zehn Sekunden pro Tag ergibt einen Präzisionsgrad von 99,98 Prozent. Geprüfte Chronometer kommen nahe an die 100 Prozent. Viel wichtiger als solch schnöde Zahlen ist aber die Faszination, die eine schöne Uhr auf uns ausübt. Uhrenfans kaufen am liebsten Uhren mit Glasboden, durch den man das emsige Treiben von Trieben und Zahnrädern beobachten kann. Das ausgeklügelte Zusammenspiel einer Vielzahl winzigster Teile fasziniert in den Zeiten der Digitalisierung mehr denn je. Aber was passiert denn da?
Der Energiespeicher
Das Uhrwerk ist definitiv das Herzstück einer mechanischen Armbanduhr. Zählt man jedes Schräubchen, so kommen schon bei einem einfachen Uhrwerk, das von Hand aufgezogen wird, rund 100 Einzelteile zusammen. Als Energiespeicher dient diesem Herzen das Federhaus. Das ist eine Trommel, in dem die Zugfeder untergebracht ist. Ein Ende dieser Feder ist an der Federwelle befestigt, das andere an der Federhaustrommel. Beim Aufziehen der Uhr dreht sich die Federwelle und spannt die Zugfeder. Weil die Feder sich entspannen will, um in ihre Ursprungsform zurückzukehren, gibt sie Kraft ans Räderwerk ab. Die Energiezufuhr erfolgt immer durch den Uhrenträger: entweder manuell durch Drehen der Krone oder automatisch. Hier reichen alltägliche Bewegungen des Armes, um dem Federhaus genügend Energie zuzuführen. Das verdanken wir einem uhrmacherischen Autodidakten namens Perrelet. Der konstruierte schon 1770 ein komplexes System mit einer halbkreisförmigen Schwungmasse, die sich aus der Dynamik des Trägers um die Mittelachse der Uhr dreht und so über ein Getriebe dem Federhaus Energie zuführt.

Der Uhrmacher der Firma Sinn prüft eine Unruh samt Spirale vor dem Einbau ins Uhrwerk.
Die Hemmung
Wer in seiner Jugend schon einmal mit Schuco-Autos gespielt hat, weiß: Die voll aufgezogene Feder ist in weniger als einer Minute komplett abgelaufen, die Energie verbraucht. Bei einer Uhr wäre das fatal. Die sollte schließlich 40 Stunden oder länger zuverlässig funktionieren. Dafür sorgt die Hemmung. Gemeint ist damit kein psychologisches Problem, sondern eine filigrane Mechanik. Sie unterbricht bei gängigen Uhrwerken pro Stunde 28800-mal den Ablauf der Feder, produziert so das charakteris-tische Ticktack und hält die Unruh in Gang. Dieser auf einer Welle montierte Reif kommt, wie der Name schon sagt, niemals zur Ruhe. Dafür sorgt die Unruhspirale, ein hauchdünnes Metallbändchen, 0,002 Gramm schwer und dünner als ein menschliches Haar. Dafür ist sie erstaunlich konditionsstark: Mehr als 200 Millionen-mal pro Jahr zieht sich die Spirale zusammen und dehnt sich wieder aus. Uhrmacher nennen das "atmen". Jegleichmäßiger die Unruh hin- und herschwingt, desto genauer geht die Uhr.

So einen Einblick in das Automatikwerk dieser Tutima-Dreizeigeruhr bekommt sonst nur der Uhrmacher.
Die Kraftübertragung
Die Verbindung zwischen dem Federhaus und dem Hemmungssystem übernimmt das Räderwerk, ein Getriebe aus drei einseitig gelagerten Zahnradpaaren. Jedes dieser Zahnradpaare besteht aus zwei Komponenten: einer Welle mit einer integrierten Verzahnung, dem sogenannten Trieb, und einem aufgepressten Zahnrad mit einem Vielfachen an Zähnen. Der Uhrmacher bezeichnet diese drei Zahnräder als Minutenrad, Klein-bodenrad und Sekundenrad – die verpressten Triebe werden entsprechend benannt. Und so läuft’s ab: Die außen verzahnte Federhaustrommel greift ins Minutenradtrieb, das Minutenrad leitet die Kraft weiter aufs Kleinbodenradtrieb. Das Kleinbodenrad greift ins Minutenradtrieb und leitet die Kraft übers Minutenrad in das Trieb, das auf dem Ankerrad befestigt ist. Womit wir wieder bei der Hemmung sind. Der stets von links nach rechts schwenkende Anker bremst das Ankerrad ab und gibt es anschließend wieder frei. Dieses Spiel vollzieht sich bei den meisten mechanischen Uhrwerken heute genau 28800-mal pro Stunde. Aber das hatten wir ja schon.