Leiser landen
DLR möchte Anfluglärm verringern

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat ein Pilotenassistenzsystem entwickelt, das den Anfluglärm verringern soll. Erste Testflüge waren vielversprechend.

DLR möchte Anfluglärm verringern

Weniger Lärm beim Landeanflug: Das klingt vor allem für Flughafenanwohner verheißungsvoll. Aufwendige Triebwerksmodifikationen oder aerodynamische Verbesserungen am Flugzeug braucht es dafür nicht unbedingt. Ein Display im Cockpit und eine ausgeklügelte Software reichen – fertig ist das Pilotenassistenzsystem, das vom Institut für Flugsystemtechnik des DLR entwickelt wurde. Das „Low Noise Augmentation System“ (LNAS) soll Piloten dabei unterstützen, während der arbeitsintensiven Landung die jeweils nötigen Handlungen zum optimalen Zeitpunkt durchzuführen. Dadurch soll ein möglichst großer Teil des Anflugs im leisen und treibstoffsparenden Triebwerksleerlauf stattfinden und der Einsatz der Störklappen auf ein Minimum reduziert werden.

Was einfach klingt, ist in Wirklichkeit eine sehr aufwendige Optimierung, denn ein Landeanflug ist komplex. Bei einem Präzisionsanflug werden bei der jeweils entsprechenden Geschwindigkeit auf einer Höhe von etwa 3000 Fuß (ca. 915  m) über dem Boden die Klappen auf Stufe 1 gesetzt. Auf spätestens 2000 Fuß wird das Fahrwerk ausgefahren. Auf 1000 Fuß muss das Flugzeug für die Landung konfiguriert sein, das heißt, die Anfluggeschwindigkeit muss erreicht sein, die Klappen sind auf „full“ und die Triebwerke nicht mehr im Leerlauf, um im Zweifel durchstarten zu können.

Für das Energiemanagement im Anflug müssen unter anderem das Gewicht des Flugzeugs und der sich ständig ändernde Wind berücksichtigt werden. Der Bordcomputer, das Flight Management System (FMS) eines Verkehrsflugzeugs, berechnet zwar bereits das wirtschaftlichste Anflugprofil, aber: „In der Praxis ist es für den menschlichen Bediener fast nicht möglich, ein ideales Profil zu fliegen“, sagt Prof. Stefan Levedag, Leiter des DLR-Instituts für Flugsystemtechnik. Grund dafür sind Vorgaben der Flugsicherung, beispielsweise bestimmte Geschwindigkeiten an bestimmten Punkten, kurzfristige Bahnänderungen oder eine kürzere oder längere Streckenführung als vom Piloten erwartet. Heute ist es die handwerkliche Leistung des Piloten, die jeweiligen Handlungen zum richtigen Zeitpunkt durchzuführen. Hier soll das LNAS ansetzen und helfen, auch mit den Lotsenvorgaben einen lärmarmen Landeanflug durchzuführen. „Tendenziell sagt einem das System, man soll die Klappen später setzen als im normalen Betrieb“, erklärt der DLR-Testpilot Hans-Jürgen Berns.

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Das System wurde, nach einigen Tests im Simulator sowie ersten Forschungsflügen in Hannover und Braunschweig, Ende September im DLR-Forschungsflugzeug A320 ATRA im täglichen Hochbetrieb am Frankfurter Flughafen erprobt. Am Steuer saßen Linienpiloten von Condor, Lufthansa, Germanwings und Niki. Unter Aufsicht von DLR-Testpiloten führten sie fünf Versuchsreihen mit insgesamt 74 Anflügen durch, zum Teil mit, zum Teil ohne das LNAS. Gleichzeitig wurde der Anfluglärm mit Hilfe zahlreicher Messstellen im Umfeld des Flughafens aufgezeichnet und anschließend den einzelnen Flugzuständen zugeordnet. Das DLR führt derzeit zudem Nachsimulationen durch, um die Lärmsituation unterhalb der Anflugbahnen vollständig zu erfassen.

Die ersten Ergebnisse der Flugtests, die das DLR auf der internationalen Konferenz für aktiven Schallschutz, ICANA, Ende November in Frankfurt präsentierte, sind vielversprechend. „Bereits jetzt zeigt sich, dass das Prinzip Lärmminderung durch präzisere Handlungsabläufe beim Einsatz von Klappen und Fahrwerk während der Anflüge funktioniert“, sagt Prof. Klaus-Uwe Hahn, Leiter der Abteilung Flugdynamik und Simulation des DLR-Instituts für Flugsystemtechnik. Selbst unter den schwierigen Bedingungen im Volllastbetrieb am Frankfurter Flughafen seien die LNAS-unterstützten Anflüge um bis zu mehr als ein Dezibel im Maximalpegel leiser. Zudem sinke der Kerosinverbrauch auf den letzten 25 Meilen um zehn Prozent.

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