Albtraum für jeden Manager: Mehrere hochkomplexe Programme müssen innerhalb kurzer Zeit parallel betreut werden, und das bei riesigen Stückzahlen. „Unsere größte Herausforderung ist die Größe des Programms – wir haben so viele Triebwerke in den Zulassungstests“, sagt Gareth Richards, LEAP-Programmdirektor bei CFM International, im Gespräch mit der FLUG REVUE. „Das ist der größte Testplan, den je ein Triebwerkshersteller sich vorgenommen hat. Der Antrieb selbst ist nicht die größte Herausforderung.“ Dabei muss der CFM56-Nachfolger ehrgeizige Vorgaben erreichen: Bei gleicher Zuverlässigkeit und vergleichbaren Wartungskosten soll das LEAP 15 Prozent weniger Treibstoff verbrauchen als heutige Antriebe. Dafür setzten die Ingenieure auf neue Technologien wie einen Bläser aus Verbundwerkstoffen und auf Werkstoffe wie Titanaluminid und keramische Faserverbundwerkstoffe (CMC). Bis dato haben sich die Innovationen, laut Richards, bewährt. „Die Triebwerke laufen extrem gut; man kann den Schub beliebig regeln, und das Aggregat protestiert nicht. Das ist sehr wichtig für die Bedienung durch die Piloten. Die Brennkammer und ihre Kühlung funktionieren gut. Wir haben sie boroskopiert, und die innere Beschichtung sah wunderbar aus.“ Die CMC-Deckbänder aus der Hochdruckturbine haben (in der Größe angepasst) rund 4100 Zyklen in einem GEnx absolviert. Was den Verbrauch an geht, gibt sich Richards allerdings etwas zurückhaltend. „Die Triebwerke sind voller Messinstrumente (und daher nicht repräsentativ), aber wir kommen bald zu Leistungsmessungen. Den besten Beweis wird die Flugerprobung erbringen. Die ersten Ergebnisse entsprechen aber unseren Erwartungen.“
Derzeit befinden sich sechs Antriebe im Test: fünf LEAP-1A/-1C für Airbus A320neo und Comac C919 (bis auf Regelung, Installation und Anbaugeräte identisch) und ein LEAP-1B für die Boeing 737 MAX. Sie haben zusammen rund 1700 Zyklen und 900 Stunden absolviert.
20 Triebwerke im Test
Bis Ende des Jahres soll die Zahl auf 20 Triebwerke aller Versionen steigen. „Wir kommen jetzt in die intensivste Testphase, die bis Mitte des nächsten Jahres dauert.“ Noch in diesem Jahr finden zwei Flugerprobungskampagnen für das LEAP-1A und LEAP-1C statt, und zwar fast zur selben Zeit. „So etwas haben wir noch nie gemacht.” Daher musste CFM-Partner GE Aviation eine zweite Boeing 747 als fliegenden Prüfstand kaufen und das Personal der Abteilung verdreifachen. Das erste LEAP in der kompletten C919-Konfiguration befindet sich bereits im kalifornischen Victorville zur Flugerprobung. Das vorgesehene LEAP-1A durchläuft derweil die Abnahmetests in Peebles, Ohio, und kommt demnächst in den Westen der USA.
Derweil hat das erste LEAP-1A seine Schuldigkeit getan: Nach dem Erstlauf ging es im Januar nach Winnipeg, um erste Vereisungsversuche durchzuführen. „Wir haben es zwei Stunden im Leerlauf gelassen und zur Eisbildung Wasser in den Einlauf geblasen. Dann sind wir auf vollen Startschub gegangen. Das Triebwerk verhielt sich sehr gut.“ Später folgten Vogelschlag- und Seitenwindtests sowie die Erprobung der Brennkammer. Nun haben mit den folgenden Triebwerken die offiziellen Zulassungsversuche begonnen. Während der Telemetrielauf des Hochdruckverdichters abgeschlossen ist, läuft in
Peebles die Seitenwinderprobung, bei der, gemäß Richards, schon extremere Bedingungen als gefordert erreicht wurden. Die Zulassung des LEAP-1A ist für das zweite Quartal 2015 geplant, ungefähr zeitglich mit der Flugerprobung der A320neo mit dem CFM-Produkt. Die Zertifizierung des LEAP-1C soll im vierten Quartal 2015 folgen.
2000 neue Ingenieure

Die gleiche Prozedur hat CFM dann mit dem LEAP-1B vor sich, das im Zeitplan rund neun Monate hinter der Zulassung des Airbus-Modells angesiedelt ist (erstes Quartal 2016). Das macht die Planung für Richards und sein Team nicht einfacher. „Der Erstlauf des LEAP-1B in Villaroche verlief sehr erfolgreich. Die erste Testreihe ist abgeschlossen; nun befindet sich das Triebwerk auf dem Weg nach Peebles. Dort erfolgen weitere Testläufe zur Kalibrierung und Abgleichung der Ergebnisse.“ Außerhalb der Zulassungstests dienen vier LEAP-Aggregate reinen Dauerläufen, um die Einsatzreife sicherzustellen. Bis zur Indienststellung im Jahr 2016 will CFM 40 000 Zyklen abspulen. Aufgrund der hohen Zahl von Versuchen musste CFM Testeinrichtungen in Florida, Texas und Belgien mieten. Aber nicht nur die Erprobung erreicht neue Dimensionen: „Das CFM56 wird mit derzeit 1500 Exemplaren pro Jahr weitergebaut. Gleichzeitig müssen wir die LEAP-Produktion vorbereiten. Das bedeutet neue Werke und neue Ressourcen.“ Schließlich konnte CFM schon mehr als 7000 Einheiten verkaufen.
In den letzten drei Jahren stellte allein GE 2000 neue Ingenieure ein und gründete seit 2008 sieben neue Einrichtungen, einschließlich einer Endmontagelinie in Indiana. Das Investitionsvolumen bis 2017 beträgt 5,1 Milliarden Dollar. CFM geht also nicht unvorbereitet in die nächste Phase. „Vor drei Jahren, bevor wir das Programm starteten, setzten wir uns zusammen und überarbeiten unsere Prozeduren für die Einführung neuer Produkte. Wir nahmen Teams aus allen Bereichen – Engineering, Lieferkette, Service, Finanzen, Marketing – und gingen alle Erfahrungen durch. Daraus erstellten wir einen Anforderungskatalog. Bisher konzentrierten sich die Prozeduren eher auf die technische Seite. Jetzt haben wir sie erweitert und das ganze Unternehmen mit einbezogen.“
Fortschritte beim Getriebefan

Über zu wenig Arbeit kann sich auch Bob Saia bei Pratt & Whitney nicht beklagen. Als Vice President Commercial Development Programs ist er für die Einführung der Getriebefan-Familie verantwortlich, die mittlerweile aus sechs Mitgliedern besteht. Das größte Augenmerk liegt auf dem Bestseller PW1100G-JM für die A320neo von Airbus. Derzeit befinden sich fünf Triebwerke im Test, und das erste Paar hat Ende August in Toulouse die ersten Bodenläufe am A320neo-Prototyp absolviert. Die Zulassungsversuche seien zu 80 Prozent abgeschlossen und das Programm auf Kurs: „Pratt & Whitney erreicht nicht nur die Verbrauchsvorgaben für das PW1100G-JM, sondern übertrifft sie. Unsere Technologie ist so ausgereift, dass wir nun eine Reduzierung des Treibstoffverbrauchs um zwei Prozent zusätzlich zu den 15 geforderten Prozent bieten.“
Darüber hinaus bietet Pratt & Whitney mit dem PW1135G-JM eine um neun Kilonewton stärkere Version für die A321neo an. „Damit ist sie das stärkste Triebwerk an der A321neo und bietet den Betreibern flexiblere Einsatzmöglichkeiten, entweder 1570 Kilometer mehr Reichweite oder 45 zusätzliche Passagiere beim Einsatz unter hohen und heißen Bedingungen.“ Die Schubsteigerung sei dank der Auslegung des Getriebefans möglich: „Unser Antrieb ist leistungsfähig, läuft aber bei niedrigeren Temperaturen als bei einer konventionellen Ausführung.“
Auswirkungen des Unfalls eines PW1524G an der Bombardier CSeries im Mai gebe es keine: „Der Zwischenfall ereignete sich als Folge eine Problems im Ölsystem. Die grundlegende Auslegung des Getriebefans bleibt unbeeinflusst. Wir erwarten keine Folgen für die anderen Programme.“ Dennoch blieb die Flugerprobung des Jets bis mindestens Ende August unterbrochen.
FLUG REVUE Ausgabe 10/2014




