53 Prozent Faserverbundwerkstoffe, 19 Prozent Aluminium, 14 Prozent Titan, sechs Prozent Stahl und acht Prozent sonstige Werkstoffe: Das ist der Material-Mix nach Gewichtsanteil, aus dem das derzeit modernste Verkehrsflugzeug, der Airbus A350, besteht. Die Boeing 787 kommt auf ähnliche Zahlen. Damit hat der Anteil an kohlefaserverstärktem Kunststoff (CFK) im Flugzeugbau seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Wird die nächste Flugzeuggeneration noch stärker auf Kunststoffe setzen? "Alle künftigen Flugzeuge müssen leichter werden. Man wird sehr wahrscheinlich mit einer intelligenten Mischbauweise an das Thema herangehen", sagt Dr. Simon Kothe, Leiter des Geschäftsfeldes Luftfahrt am Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM). Das Verhältnis der eingesetzten Materialien hängt dabei von vielen Faktoren ab, beispielsweise Produktionsraten, Reichweite und Verkaufspreis des Flugzeugs.
Alu gegen Kohlefaser
"Der Flügel ist gesetzt, der bleibt bei Langstreckenflugzeugen aus CFK und wird möglicherweise auch bei künftigen Kurz- und Mittelstreckenflugzeugen aus Faserverbundwerkstoffen hergestellt", glaubt Prof. Peter Wierach, stellvertretender Leiter des Instituts für Systemleichtbau des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und Leiter der Abteilung Multifunktionswerkstoffe. Airbus und Boeing halten sich beim Thema Werkstoffe bedeckt, Anfragen unserer Redaktion blieben unbeantwortet. Airbus beispielsweise arbeitet aber seit 2015 unter dem Namen "Wing of Tomorrow" an den Flügeln für die nächste Flugzeuggeneration, die ziemlich sicher ein Narrowbody sein wird. Dabei spielen auch Verbundwerkstoffe eine Rolle.
Bei den Rümpfen ist die Situation anders. Im hart umkämpften Markt der Standardrumpfflugzeuge werden sie wohl noch längere Zeit aus Aluminiumlegierungen hergestellt, die günstig sind und hohe Produktionsraten unterstützen. Denn was die Herstellungskosten angeht, schneiden Kohlefaserverbundwerkstoffe trotz einer zunehmenden Automatisierung nach wie vor schlechter ab als Metalle. Schätzungen gehen davon aus, dass CFK vermutlich auch in Zukunft noch rund 50 Prozent teurer sein wird. Auch die Prozesszeiten sind lang. CFK besteht aus Kohlenstofffasern, die in eine Matrix aus Kunstharz eingebettet werden. Die heutzutage verwendeten Epoxidharze müssen unter Druck und Temperatur in einem Autoklav aushärten. "Das dauert teilweise bis zu zwölf Stunden", erklärt Wierach.

Der Anteil an kohlefaserverstärktem Kunststoff (CFK) im Flugzeugbau hat momentan seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht.
Metalle sind unverzichtbar
"Es wird vermutlich immer Bereiche geben, in denen Metalle sinnvoller sind", sagt Kothe. Beispiele sind Fahrwerke und Flügelvorderkanten, die wegen hoher Spitzenlasten bzw. Anfälligkeit für Vogelschlag besonders exponiert sind. Reparaturen an metallischen Strukturen sind meist einfacher als an Composite-Bauteilen. Das ist besonders im Kurzstreckeneinsatz wichtig, wo die Umlaufzeiten kurz sind und auch mal Rempler mit Versorgungsfahrzeugen auf dem Vorfeld passieren. Selbst CFK-Rumpfbauteile kommen bisher nicht ohne Metall aus: Bei der A350 beispielsweise sorgen Aluminiumspanten für Stabilität, und für das Zusammenfügen der Rumpfsektionen sind unzählige Titanniete nötig. Nach wie vor wird an neuen, leichteren und kosteneffizienten Legierungen gearbeitet, beispielsweise Aluminium-Lithium oder Aluminium-Scandium. Auch der metallische 3-D-Druck eröffnet durch Strukturen, deren Aufbau durch die Lastpfade definiert ist, noch Möglichkeiten für Gewichtseinsparungen.
"Für Langstreckenflugzeuge sehe ich aber erhebliche Vorteile durch den Einsatz von CFK, auch beim Rumpf", sagt Wierach. Das Gewicht sei aufgrund der langen Flugzeiten dort relevanter als bei Narrowbodies. "Auch was ihre Ermüdungsfestigkeit angeht, sind Kohlefaserverbundwerkstoffe Metallen deutlich überlegen", so Wierach. Das vereinfacht die Wartung. Niedrige Betriebskosten können bei einem Langstreckenjet mit hohem CFK-Anteil einen höheren Anschaffungspreis rechtfertigen. Nicht unerheblich ist der Faktor Komfort für Passagiere und Crew: Die Eigenschaften von Faserverbundwerkstoffen ermöglichen einen höheren Kabinendruck sowie eine höhere Luftfeuchtigkeit an Bord als in einem Metallrumpf.
Baustoffe der Zukunft
Ein Kunststoff, der in Zukunft eine größere Rolle spielen könnte, ist kohlefaserverstärkter Thermoplast. Er ist nicht wie duroplastischer CFK mit Epoxidharz getränkt, sondern mit thermoplastischem Kunststoff. Anders als Duroplaste können Thermoplaste bei erneuter Hitzezufuhr in einem bestimmten Temperaturbereich umgeformt werden. "Das hätte hinsichtlich der Fügetechnologie, der Recyclingfähigkeit, der Reparierbarkeit und der Bauweise enorme Vorteile", sagt Kothe. Eine Besonderheit bei Thermoplasten: Sie sind schweißbar. "Damit hat man eine Fügetechnologie, die sauber ist", erklärt Kothe. Daraus ergeben sich bei Thermoplasten weitere Vorteile wie eine bessere Zugänglichkeit in der Produktion und ein geringeres Gewicht. Niete und Löcher sind weniger erforderlich, Strukturen könnten dünner ausgelegt und Funktionen integriert werden. Hinzu kommt die hohe Schadenstoleranz von Thermoplasten, sie sind weniger spröde als duroplastische Faserverbundwerkstoffe. Auch sind Thermoplaste besser recyclebar und höherwertig wieder einsetzbar. Allerdings sind Thermoplaste noch teuer, die Herstellungs- und Fertigungsprozesse noch jung und ineffizient. Ob und wann wir Rümpfe oder andere große Bauteile aus thermoplastischem CFK sehen werden, ist unklar. "Wenn ein Kunde ein solches Produkt haben will und Abnahmegarantien dahinterstehen, sind Werkstoffhersteller, Flugzeugbauer und die gesamte Prozesskette in der Lage, so etwas relativ schnell durchzuziehen und auch die ganzen Zulassungskriterien zu erfüllen", ist Kothe sicher.
Auch an Hybridwerkstoffen, die aus mehreren Schichten verschiedener Materialien bestehen, wird geforscht. Interessant könnte für bestimmte Bereiche die Verbindung von CFK und Titan sein. "Wo es zum Beispiel um Krafteinleitung geht, bei Bolzen oder Ähnlichem, kann ich sehr materialeffizient und gewichtssparend über solche Hybridisierung etwas erreichen", sagt Wierach. Feuer- oder Impact-Schutz könnte ein Hybridwerkstoff aus CFK und Edelstahlfolien liefern. "Bei Hybridwerkstoffen müssen zwar Kompromisse bestimmter Eigenschaften der Materialien eingegangen werden", sagt Kothe. "Aber man kombiniert die besten Fähigkeiten verschiedener Materialien, um sehr positive Gesamteigenschaften des Verbunds zu erzielen."

Die Flügel der A350 bestehen aus CFK.
CFK-spezifische Auslegung
Potenzial für den Leichtbau haben aus Kothes Sicht auch Sandwichmaterialien, das sind Deckmaterialien mit einem Waben- oder Schaumkern. Sie sind bisher vor allem in der Kabine zu finden. Forscher arbeiten daran, Sandwichmaterialien aus CFK und Polymerschäumen auch in Primärstrukturen zu überführen. Für die nähere Zukunft sieht der Fraunhofer-Spezialist Potenzial zur Gewichtseinsparung darin, CFK werkstoffgerechter einzusetzen. Die A350 sei noch mit Methoden entwickelt worden, die aus dem Metallbereich kommen, sagt auch Wierach. "Wenn es uns gelingt, werkstoffspezifisch auszulegen und zu designen, dann sind noch zehn bis 20 Prozent Gewichtseinsparungen möglich", so der DLR-Experte.

Faserverbundwerkstoffe dominieren bei den neueren Flugzeugmustern.
Besondere Bauweisen
Strukturintegriertes Design könnte Flugzeuge ebenfalls leichter machen – unabhängig vom Werkstoff. "Wenn man das Flugzeug in einer integraleren, topologieoptimierten Bauweise denkt, könnte man es deutlich leichter bauen. Insbesondere, wenn man hierbei auch gewisse Interior-Strukturen mitdenkt", sagt Kothe. Beispiele sind auch Kabel oder Sensoren, die in die Struktur integriert werden. "Die Strukturüberwachung könnte schon in der nächsten Flugzeuggeneration Einzug halten", glaubt Wierach. Dafür gebe es verschiedene Methoden, die sowohl für die Integration in CFK als auch in Metalle geeignet seien, beispielsweise das von Airbus entwickelte "Comparative Vacuum Measurement" zur Rissüberwachung. Eines Tages könnten Strukturwerkstoffe sogar als Energiespeicher ausgeführt werden. Ein Forschungsprojekt des Exzellenzclusters "Sustainable and Energy Efficient Aviation" (SE2A) an der Technischen Universität Braunschweig beschäftigt sich damit, Faserverbundwerkstoffe so zu gestalten, dass sie wie eine Batterie funktionieren. "Das wird sicher nicht in der nächsten Generation von Luftfahrzeugen eine Rolle spielen", sagt Wierach. "Aber wir wollen ja auch in die Zukunft blicken."