Aller guten Dinge sind drei: Im vergangenen Oktober hat das jüngste der drei Triebwerksforschungsvorhaben innerhalb des siebten EU-Rahmenprogramms begonnen. In Ergänzung zu LEMCOTEC und E-BREAK soll ENOVAL – die Abkürzung steht für „Engine Modules Validators“ – den CO2-Ausstoß künftiger Triebwerke um bis zu fünf Prozent und den Lärm um 1,3 Dezibel reduzieren. Dies wollen die Forscher mit einer Steigerung des Nebenstromverhältnisses auf bis zu 20:1 erreichen. In dem Projekt konzentrieren sich die 35 Partner aus zehn Ländern ganz auf den Niederdruckbereich. „Der Haupt-schwerpunkt liegt auf dem Bläser. Wir untersuchen aber auch den Niederdruckverdichter und die Niederdruckturbine in Auslegungen mit und ohne Getriebe“, sagt der Programmkoordinator Dr. Edgar Merkl von MTU Aero Engines. Das deutsche Unternehmen leitet das auf vier Jahre angelegte Projekt. Mit einer wollen die Ingenieure zu den übergeordneten Zielen der europäischen strategischen Forschungsagenda beitragen.
„Die Hauptinnovation liegt in der Erweiterung des Entwurfsspektrums für Triebwerke mit einem Nebenstromverhältnis von 20:1. Momentan sind der Getriebefan und das LEAP, die jetzt auf den Markt kommen, mit Werten von 12:1 beziehungsweise 11:1 das Maß der Dinge. Der nächste Schritt ist jetzt, ein noch höheres Nebenstromverhältnis zu anzugehen. Dies verspricht eine noch größere Verbesserung des Vortriebwirkungsgrads, führt aber aufgrund der gestiegenen Abmessungen zu mehr Gewicht und größerem Luftwiderstand. Daher müssen auch die übrigen Module dazu beitragen, diese Negativeinflüsse zu kompensieren, um in der Gesamtbilanz eine Verbesserung darzustellen“, erläutert Dr. Merkl. Neue Werkstoffe und integrierte Bauweisen tragen zu dieser Gewichtsredu-zierung bei.
Gleichzeitig soll der Fan langsamer drehen. Dazu ist unter anderem eine neue 3D-Konfiguration der Schaufeln nötig, um die Luft möglichst verlustfrei ins Triebwerk zu leiten. Dabei müssen die Konstrukteure ein Problem besonders beachten: „Je geringer das Druckverhältnis im Fan ist, desto instabiler kann das Betriebsverhalten werden“, sagt der ENOVAL-Koordinator. Hier soll die Einführung einer Triebwerksgondel mit verstellbarer Hinterkante (Variable Area Fan Nozzle, VAFN) für eine entsprechende Stabilität sorgen. Pratt & Whitney hatte ein solches System für die Getriebefans PW1524G und PW1100G-JM vorgesehen, konnte aber nach entsprechenden Ergebnissen der Flugtests letztendlich darauf verzichten. Für die künftigen größeren Antriebe dürfte das nicht möglich sein.
Im Subprojekt SP2 untersucht ein Team unter der Leitung von Snecma Bläser- und Gondelentwürfe für kleinere bis mittlere Triebwerke, während sich das von Rolls-Royce koordinierte SP3 auf größere Antriebe konzentriert. Für beide Vorhaben gilt: Alles was dazu beiträgt, Gewicht einzusparen, ist willkommen. Daher arbeiten die Partner beispielsweise an einem leichteren Zwischengehäuse sowie an einer kürzeren und dünneren Gondel, um den Luftwiderstand so gering wie möglich zu gestalten. Trotz der enormen Bläserdurchmesser –im Vergleich zum V2500 geht man von einer Steigerung von bis zu 35 Prozent aus - ist eine Anordnung der Triebwerke konventionell unter der Tragfläche vorgesehen.
Getriebe für Großtriebwerke

Im SP4 stehen die weiteren Komponenten des Niederdruckbereichs im Mittelpunkt. Ein Thema ist die Verwendung eines Getriebes bei Triebwerken im Schubbereich von 356 bis 444 Kilonewton. Hier muss laut Dr. Merkl die Effizienz weiter verbessert werden: „Hier wird viel Energie übertragen. Bei einem Verlust von etwa einem Prozent entsteht so viel Wärme, dass sich die Vorteile aufgrund des nötigen Temperaturmanagements nicht mehr rechnen. Daher ist es unwahrscheinlich wichtig, die Verluste und damit die Wärme so gering wie möglich zu halten, um das Getriebe leichter zu machen.“ Ebenfalls untersucht werden ein schnell laufender Niederdruckverdichter und eine mit einem„integrierten Ansatz“ entworfene Niederdruckturbine. „Hier wollen wir über die Module hinweg eine Designoptimierung erzielen, die aerodynamisch, aber auch von der Funktionalität und letztendlich vom Gewicht her eine Verbesserung darstellt“, erklärt der ENOVAL-Koordinator. Neben der Turbine wird auch das Zwischen- und Endgehäuse mit einbezogen. „Mit der früher verfügbaren Computerleistung hätte man dies nicht berechnen können. Die Möglichkeit, so umfangreiche Modelle darzustellen, ist ein Riesenschritt vorwärts.“ Im Rahmen dieser Forschung erfolgen zwei Komponentenversuche in Graz und in Stuttgart.
Im gesamten ENOVAL-Programm sind 17 solcher Rig-Tests vorgesehen, die ab Ende 2015 beginnen könnten. Damit alle Partner gezielt in eine Richtung entwickeln, gibt es eine gemeinsame Basis der drei Forschungsvorhaben ENOVAL, E-BREAK und LEMCOTEC: „Wir tauschen die sogenannten Triebwerksplattformen aus, wo wir die Technologien auf virtuellen Antriebsdefinitionen darstellen und bewerten“, erläutert Dr. Merkl.
Als mögliches Datum für die Indienststellung von Antrieben mit den neuen Technologien planen die Forscher frühestens das Jahr 2025. Bis dahin könnte es noch im Rahmen von Clean Sky 2 einen kompletten Triebwerksdemonstrator mit ultrahohem Nebenstromverhältnis geben. Schon jetzt gehen die Techniker einen Schritt weiter: Für die Antriebsgeneration ab 2050 arbeitet eine Untergruppe im ENOVAL-Programm bereits an ersten Studien für weitere Innovationen, beispielsweise Bläsern mit verstellbaren Schaufeln oder einem variablen Kreisprozess, der sich an den jeweiligen Flugzustand anpasst.
ENOVAL im Überblick
Laufzeit: Oktober 2013 bis September 2017
Budget: 45,1 Mio. Euro (EU-Förderanteil: 26,5 Mio.)
Partner: 35 Unternehmen und Institutionen aus zehn Ländern
Aufbau: SP1 (Subprojekt): Integration und Bewertung (Koordination: Rolls-Royce Deutschland); SP2: Bläser und Gondel für kleinere und mittlere Triebwerke (Snecma); SP3: Bläser, Gondel und Zwischengehäuse für Großtriebwerke (Rolls-Royce); SP4: Niederdruckwellen-Technologien: Getriebe, Niederdruckverdichter und konventionelle/schnell laufende Niederdruckturbine (MTU Aero Engines); SP5: Management und Innovation (MTU Aero Engines)
FLUG REVUE Ausgabe 05/2014