Der Erstflug der Irkut MS-21 erfolgte Ende Mai mit US-amerikanischen Triebwerken vom Typ PW1400G. Und es wird wohl noch eine ganze Weile dauern, bis die Konkurrentin des Airbus A320neo und der Boeing 737 MAX erstmals mit den neu entwickelten PD-14 fliegt. 2019 soll der russische Antrieb an einem der MS-21-Prototypen installiert werden, 2020 könnten die Flugtests beginnen, sagte Irkut-Chef Oleg Demtschenko im August. Trotzdem ist es ein Meilenstein für Russland. Denn die letzte, komplett eigene zivile Turbofan-Entwicklung liegt Jahrzehnte zurück: Am 26. Dezember 1986 hob eine Iljuschin Il-76LL mit PS-90A zum ersten Erprobungsflug ab. Die Zulassung des Antriebs für die Il-76, die Tupolew Tu-204 und Tu-214 erfolgte schließlich 1992.
Die Entwicklung des PD-14 begann 2008 beim traditionsreichen Konstruktionsbüro Awiadwigatel in Perm, einem Unternehmen der Vereinigten Triebwerksbaugesellschaft (ODK), die wiederum der russischen Staatsholding Rostec gehört. Von Anfang an war das Ziel, westlichen Herstellern mit dem PD-14 Konkurrenz zu machen. „Wir präsentieren unser Produkt Unternehmen aus den GUS-Staaten, aus Asien, Lateinamerika und Afrika“, teilte ein ODK-Vertreter auf Anfrage der FLUG REVUE mit. Je nach Kundenanforderung könnten auf Basis des PD-14-Kerntriebwerks Antriebe mit einem Schub zwischen 88 und 186 Kilonewton entwickelt werden.
Den Vergleich mit dem Getriebefan PW1400G von Pratt & Whitney müsse das PD-14 nicht scheuen: In Sachen Schadstoffausstoß und Lärm sowie bei einigen weiteren Parametern sei es sogar besser, lässt ODK verlauten. Gleichzeitig sollen die Betriebskosten 14 bis 17 Prozent geringer sein als bei vergleichbaren Antrieben der Schubklasse um 130 Kilonewton. Ob dem so ist, wird sich wohl erst beim Einsatz im Liniendienst zeigen.
ODK peilt mit dem PD-14 einen gegenüber vergleichbaren Triebwerken wie dem CFM56 oder dem IAE V2500 um 10 bis 15 Prozent verringerten spezifischen Treibstoffverbrauch an. Das russische Unternehmen geht dafür technologisch andere Wege als Pratt & Whitney mit dem Getriebefan oder CFM International mit dem Einsatz von keramischen Verbundwerkstoffen beim LEAP. Beispielsweise setzt UEC auf Faserverbundwerkstoffe, unter anderem bei der Triebwerksgondel. Sie besteht zu 65 Prozent aus Composite-Materialien, um Gewicht zu sparen. Nicht aus Verbundwerkstoffen, sondern aus Titan sind hingegen die hohlen Bläserschaufeln großer Profiltiefe hergestellt, von denen jedes Triebwerk 18 Stück erhält. Obwohl der Bläser-durchmesser im Vergleich zum PS-90 gleich bleibt, soll er einen um fünf Prozent höheren Wirkungsgrad besitzen.
Weniger Gewicht durch Composite und 3D-Druck
Die Schaufeln der Hochdruckturbine bestehen aus einer Einkristalllegierung mit modernem Kühlsystem und sollen Temperaturen bis zu 1700 Grad Celsius widerstehen. ODK arbeitet zudem an 3D-gedruckten Drallgebern, die die Luft in die Brennkammer einblasen und verwirbeln. „Zukünftig können wir diese Technologie in der Serienproduktion verschiedener Teile unseres Triebwerks nutzen“, sagte der ODK-Vertreter.
Im November 2015 begann ODK mit der Flugerprobung des PD-14 an einer Il-76LL. Die insgesamt 22 Bodenläufe, zehn Roll- und 16 Flugtests am Gromow-Flugforschungsinstitut am Flughafen Shukowski bei Moskau erfolgten noch mit Betriebsbeschränkungen. Nach einigen Veränderungen folgte von Ende 2016 bis März 2017 die zweite Phase der Flugerprobung, diesmal in allen Betriebsgeschwindigkeiten, Höhen und Schubbereichen. Derzeit absolviert ODK mit dem PD-14 die für die Zulassung nötigen Tests. Man liege dabei absolut im Zeitplan, so der Hersteller. Für diese Tests kommen zwölf Triebwerke zum Einsatz, sie seien alle bereits produziert. Die Zertifizierung durch die russischen Behörden und die europäische Agentur für Flugsicherheit, EASA, wird für 2018 oder 2019 erwartet.
Derweil entwickelt ODK bereits ein neues Triebwerk: das PD-35 für künftige Großraumflugzeuge wie dem vom russisch-chinesischen Joint Venture China-Russia Commercial Aircraft International (CRAIC) geplanten Zweistrahler für 280 Passagiere. „Wie im Fall des PD-14-Triebwerks könnte auf Basis des künftigen PD-35 eine Familie von Großtriebwerken entwickelt werden“, so der UEC-Vertreter.
FLUG REVUE Ausgabe 10/2017