Kürzlich hat der GTF die Marke von 100 000 Flugstunden geknackt. Wie sind die Rückmeldungen der Fluggesellschaften?
Das Feedback zur Leistungsfähigkeit des GTF ist sehr positiv. Die Airlines melden uns im Wesentlichen zwei Dinge zurück: Zum einen ist der Antrieb sehr viel leiser. Das ist auch ein Produkt, das die Fluggesellschaften vermarkten können. Der zweite und wichtigste Punkt für die Airlines: Der spezifische Kraftstoffverbrauch erfüllt die Vorgaben. Rund 40 Prozent der Betriebskosten einer Fluggesellschaft macht der Kraftstoff aus. Da 16 Prozent Kosten einzusparen, ist ein entscheidender Faktor.
Sind die anfänglichen Kinderkrankheiten inzwischen auskuriert?
Es gab im vergangenen Jahr die bekannten Kinderkrankheiten. Die Startzeit des GTF war etwas höher als beim Vorprodukt [IAE V2500; d. Red.]. Durch verschiedene technische Modifikationen haben wir nun das gleiche Niveau erreicht. Das zweite große Thema waren die Software-Fehlermeldungen. Dieses Problem wurde durch neue Software-Patches behoben.
Arbeiten Sie zusammen mit Pratt & Whitney bereits an einer Weiterentwicklung des GTF für höhere Schubklassen?
Auf spezifische Produktentwicklungen gehen wir heute noch nicht ein. Wir arbeiten natürlich an Technologien, um noch die letzten Zehntel des Wirkungsgrads aus den verschiedenen Komponenten zu holen. Dabei geht es um neue Materialien und eine Verbesserung der bestehenden Architekturen. Das sind Technologieprogramme, die wir nicht unbedingt projektbezogen entwickeln. Wir investieren in diese Grundlagenforschung jährlich rund 60 Millionen Euro.
Früher flossen viele Innovationen aus militärischen in zivile Programme ein. Hat sich das umgekehrt?
Eine umgekehrte Entwicklung gibt es zum Teil. Beispielsweise die additive Fertigung, die heute bei den zivilen Programmen eingeführt ist, wird logischerweise auch in den nächsten militärischen Entwicklungen ihren Platz finden. Richtig ist aber auch, dass wir Erfahrungen aus militärischen in zivile Produkte bringen. Zum Beispiel die Verdichter-Technologie aus dem Eurofighter-Triebwerk: Die haben wir im A400M-Antrieb verbessert und bringen sie jetzt mit dem GTF in den großvolumigen zivilen Markt. Es ist wichtig, dieses Thema in Deutschland in der Politik anzusprechen: Wir brauchen die militärische Technologieförderung, um auch in der nächsten Dekade mit der deutschen Luftfahrt wettbewerbsfähig zu bleiben.
Gibt es in der militärischen Luftfahrtstrategie des Verteidigungsministeriums Ansätze für die von Ihnen geforderte Technologieförderung?
Erst einmal sind wir sehr glücklich, dass die militärische Luftfahrtstrategie ausgearbeitet wurde und auch einen klaren Bedarf zeigt, beispielsweise bis 2035 ein Next Generation Weapon System im Einsatz zu haben. Allerdings gilt es jetzt keine Zeit zu verlieren. Einsatz 2035 heißt, wir müssen das Flugzeug, die Bewaffnung, die Avionik entwickeln. Das dauert zehn bis 15 Jahre. Und wir wollen nicht in Neuentwicklungen einsteigen, ohne die Grundlagentechnologien zu haben. Deswegen müssen nun schnellstmöglich die Ausgaben für militärische Grundlagentechnologien deutlich erhöht werden. Wir haben heute ein militärisches Technologiebudget von rund vier Millionen Euro pro Jahr. Das muss auf eine Größenordnung von 20 bis 30 Millionen Euro steigen.
Wo sehen Sie die Zukunft der Luftfahrt-Antriebstechnologie?
Nachdem durch den Einbau des Getriebes der Vortriebswirkungsgrad besser geworden ist, werden wir den thermodynamischen Wirkungsgrad steigern. Da schließt sich der Kreis zur militärischen Technologieförderung: Dafür brauchen wir neue Werkstoffe, um den Kühlluftverbrauch in den Turbinen zu reduzieren. Ich denke, die nächste und auch übernächste Generation von zivilen Antrieben wird weder hybrid noch elektrisch, sondern konventionell sein.
Das Interview führte Ulrike Ebner