Wachstumsschub
Neue Antriebe für die Zukunft

Erhebliche Einsparungen bieten die aktuell in der Entwicklung und Erprobung befindlichen Triebwerke. Gleichzeitig müssen sich die Hersteller auf rasante Fertigungsraten vorbereiten.

Neue Antriebe für die Zukunft

Selten gab es so viele neue Triebwerksprogramme wie heute. Dabei müssen die Firmen gleich zwei Herausforderungen bewältigen: Die Anforderungen an Betriebskosten und Umweltverträglichkeit werden immer höher, und die benötigten Stückzahlen steigen äußerst rasant.

Triebwerksbedarf bis 2023: Beim addierten Schub aller benötigten Triebwerke sieht Rolls-Royce den größten Bedarf für neue Antriebe im Single-Aisle-Segment. Grafik und Copyright: FLUG REVUE

Angesichts der Verkaufserfolge der neuen Verkehrsflugzeuge wie Airbus A350 XWB und Boeing 787 sind die Triebwerkshersteller im Vergleich zu früheren Programmen gezwungen, mit um ein Vielfaches schnelleren Produktionsanläufen zu planen, während die aktuellen Muster teilweise ihre höchsten Fertigungsraten überhaupt erreichen. Mit Airbus A320neo und Boeing 737 MAX nimmt diese Problematik weiter zu, und auch die Zukunft scheint hohe Stückzahlen zu versprechen. 

Rolls-Royce etwa geht im Luftverkehr von einer jährlichen Wachstumsrate von 4,5 Prozent aus. Bis zum Jahr 2023 schätzen die Briten einen Bedarf von 27 000 neuen Verkehrsflugzeugen, für die 55 000 Triebwerke nötig sind. Forecast International rechnet bis 2028 sogar mit der Produktion von 231 000 Strahlantrieben aller Art im Gesamtwert von 1,07 Billionen Dollar.

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In den letzten 15 Jahren hat sich der Treibstoffverbrauch deutlich reduziert. Grafik und Copyright: FLUG REVUE

Aus technischer Sicht versprechen die neuen Triebwerke einen um bis zu 15 Prozent niedrigeren Kraftstoffverbrauch gegenüber ihren Vorgängern. Um dies zu bewerkstelligen, stoßen die Ingenieure bei Nebenstrom- und Gesamtdruckverhältnis in immer neue Regionen vor. Dies lässt sich nur mit Hilfe neuer Technologien erreichen, die sich auch für eine Massenproduktion eignen müssen. Fast alle Hersteller setzten beispielsweise auf Werkstoffe wie Titanaluminid oder keramische Verbundmaterialien. Auch das Untersetzungsgetriebe, das seinen endgültigen Durchbruch der PurePower-Familie von Pratt & Whitney verdankt, spielt eine zunehmend größere Rolle. Selbst Rolls-Royce verfolgt das Konzept nun besonders aktiv. GE Aviation arbeitet dagegen im Militärbereich an Antrieben mit variablem Kreisprozess. Die hier gewonnenen Erkenntnisse könnten auch in zukünftigen zivilen Produkten Anwendung finden.

Pratt & Whitney PW1100G-JM

Pratt & Whitney PW1100G-JM. Grafik und Copyright: Pratt & Whitney

Getriebefan-Bestseller für die A320neo

Aufbau: Fan, Untersetzungsgetriebe, Niederdruckverdichter (3), Hochdruckverdichter (8), Brennkammer, Hochdruckturbine (2), Niederdruckturbine (3)
Erstlauf: November 2012
Indienststellung: Ende 2015

Als zweites Mitglied der Getriebefan-Serie von Pratt & Whitney hat das PW1100G-JM für den Airbus A320neo im Dezember 2014 seine FAA-Zulassung erhalten. Allerdings musste Airbus die Flugerprobung der A320neo  mit dem Triebwerk bis Ende Juli unterbrechen, nachdem ein Prototyp am 30. April einen Vogelschlag erlitten hatte. Bei der anschließenden Untersuchung der Triebwerke fanden die Ingenieure einen losen Befestigungsring am Brennkammermodul und stoppten die Flugversuche mit dem GTF. Ursache war ein nicht korrekt ausgeführter Herstellungsprozess. Der Ring mit einem Durchmesser von rund 25 Zentimetern hätte vor der Installation großer Hitze ausgesetzt werden müssen, damit sich das Material an die hohen Temperaturen im Brennkammerraum anpassen kann. Trotz der Verspätung soll die erste Auslieferung des Airbus A320neo mit GTF-Antrieb noch in diesem Jahr erfolgen. 

Auch die anderen Mitglieder der PurePower-Familie machen Fortschritte. So lieferte Pratt & Whitney Ende August das erste PW1400G für die MS-21 an Irkut nach Russland. Die Triebwerkszulassung soll in diesem Jahr erfolgen. Das PW1900G für die Embraer E190-E2 befindet sich seit Juni in der Erprobung; es baut auf dem PW1500G der Bombardier CSeries auf. Das PW1200G des Mitsubishi Regional Jet (MRJ) steht kurz vor dem Erstflug an der japanischen Eigenentwicklung, und die CSeries soll mit dem PW1500G 2016 bei Swiss in Dienst gehen. Die PurePower-Familie hat bis dato 20 000 Teststunden, davon 6000 in der Luft, sowie 36 000 Zyklen absolviert. Pratt & Whitney verfügt über Bestellungen und Optionen für 6400 PurePower-Triebwerke. 

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UEC PD-14

UEC PD-14. Grafik und Copyright: United Engine Corp.

MS-21-Eigenprodukt

Aufbau: Fan, Niederdruckverdichter (3), Hochdruckverdichter (8), Brennkammer, Hochdruckturbine (2), Niederdruckturbine (6)
Erstlauf: 10. Juni 2012 (Demonstrator)
Indienststellung: 2018

Mit dem PD-14 will die russische Triebwerksindustrie ihren Rückstand bei zivilen Antrieben aufholen. Als Konkurrenztriebwerk zum PW1400G soll es an der Irkut MS-21 zum Einsatz kommen. Das PD-14 wird unter der Führung von Awiadwigatel innerhalb der United Engine Corporation (UEC) entwickelt. Obwohl der Antrieb nicht über ein Untersetzungsgetriebe verfügt und der Bläserdurchmesser kleiner als der der Konkurrenz ist, soll der Verbrauch laut Hersteller auf dem Niveau von Getriebefan und LEAP sein. Derzeit befinden sich sieben Exemplare im Test; Flugversuche an einer modifizierten Iljuschin Il-76 sind für dieses Jahr geplant. Die Zulassung erwartet die UEC für das Jahr 2017.

GE Aviation GE9X

GE Aviation GE9X. Grafik und Copyright: GE Aviation

Für die Boeing 777X entwickelt

Aufbau: Fan, Niederdruckverdichter (3), Hochdruckverdichter (11), Brennkammer, Hochdruckturbine (2), Niederdruckturbine (6)
Erstlauf: 2016
Indienststellung: 2020

Neue Dimensionen erreicht das GE9X mit einem Gesamtdruckverhältnis von 60:1. Ein solcher Wert ist auch nötig, denn der Verbrauch soll zehn Prozent weniger betragen als der des Vorgängers, des GE90-115B. Herzstück des exklusiven Antriebs der Boeing 777X ist der Hochdruckverdichter mit einem Druckverhältnis von 27:1, das mit Hilfe verbesserter Aerodynamik und neuer Materialien erreicht wird. Die Deckbänder der ersten Stufe der Hochdruckturbine sowie die inneren und äußeren Verkleidungen der Brennkammer bestehen aus keramischen Faserverbundwerkstoffen (Ceramic Matrix Composites, CMC). Diese Komponenten absolvierten zu Testzwecken bereits 2800 Zyklen in einem GEnx-Triebwerk. Tests eines kompletten Kerntriebwerks sind für dieses Jahr geplant. Der Erstlauf soll im kommenden Jahr stattfinden. Die Zulassung ist für 2018 vorgesehen. Derzeit verfügt GE Aviation über Bestellungen für rund 700 Exemplare. Wie beim GEnx liefert MTU Aero Engines das Turbinenzwischengehäuse (Turbine Center Frame, TCF).

Rolls-Royce Trent XWB

Rolls-Royce Trent XWB. Grafik und Copyright: Rolls-Royce

Schub für den Airbus A350 XWB 

Aufbau: Fan, Mitteldruckverdichter (8), Hochdruckverdichter (6), Brennkammer, Hochdruckturbine (1), Mitteldruckturbine (2), Niederdruckturbine (6)
Erstlauf: 17. Juni 2010
Indienststellung: 15. Januar 2015

Derzeit fliegt das Trent XWB an vier Airbus A350 im Liniendienst. Als Erstes hatte Qatar Airways am 15. Januar 2015 den Betrieb aufgenommen. Besonders stolz ist Rolls-Royce auf die Zuverlässigkeit: In den Monaten Februar bis Mai betrug die Einsatzzuverlässigkeit 100 Prozent. Bis dato verbuchen die Briten Bestellungen für die Antriebe von rund 780 A350 XWB. Die stärkste Variante ist das Trent XWB-97 für die A350-1000. Der Antrieb leistet einen Schub von 432 Kilonewton und ist damit um rund 59 Kilonewton stärker als das Trent XWB-84. Der Beginn der Flugerprobung ist für 2016, die Indienststellung für 2017 vorgesehen. Die Leistungssteigerung erreichen die Ingenieure mit einem höheren Luftdurchsatz des Bläsers und verbesserten Turbinen. Zum ersten Mal kommt eine Hochdruckturbine ohne Deckband zum Einsatz. Dadurch kann zugunsten der Effizienz Kühlluft eingespart werden. 

Das erste Exemplar des Trent XWB-97 lief am 11. Juli 2015 und absolvierte rund 150 Stunden auf dem Prüfstand in Derby. Anschließend änderten die Konstrukteure Details in der Brennkammer. Derzeit befinden sich fünf Triebwerke in der Erprobung. Flugversuche an der ersten A380 von Airbus stehen bis Jahresende an. Die Zulassung erwartet Rolls-Royce für die zweite Hälfte 2016. Das Trent XWB-97 wird auch in Dahlewitz bei Berlin erprobt werden. Dazu errichtete Rolls-Royce eigens einen neuen Prüfstand.

Rolls-Royce Trent 7000

Rolls-Royce Trent 7000. Grafik und Copyright: Rolls-Royce

Exklusivantrieb der A330neo

Aufbau: Fan, Mitteldruckverdichter (8), Hochdruckverdichter (6), Brennkammer, Hochdruckturbine (1), Mitteldruckturbine (1), Niederdruckturbine (6)
Erstlauf: 2015
Indienststellung: 2017

Das Trent 7000 ist der alleinige Antrieb der A330neo von Airbus. Das Triebwerk baut auf dem Trent 1000-TEN sowie auf Technologie aus dem Trent XWB auf. Das Trent 7000 ist in der Schubklasse von 303 bis 320 Kilonewton angesiedelt und weist laut Rolls-Royce einen um zehn Prozent geringeren spezifischen Treibstoffverbrauch auf als das an der A330 bewährte Trent 700. Das Nebenstromverhältnis soll verdoppelt, der wahrgenommene Lärm halbiert werden. Der Erstlauf ist für 2015 geplant, die Zulassung für 2017. In Dienst soll das neue Trent im vierten Quartal 2017 gehen. Die Montage des ersten Trent 7000 läuft bereits in Derby.

FLUG REVUE Ausgabe 10/2015

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Erscheinungsdatum 05.05.2023