Aus der im Jahre 1901 ursprünglich als reiner Fahrzeughandel gegründeten "Internationalen Automobil-Zentrale Jeannin & Co." wurde fünf Jahre später die "Argus Motoren-Gesellschaft m. b. H". Sie machte sich rasch einen Namen im Bau von Pkw-, Lkw- sowie Boots- und Stationärmotoren. 1909 debütierte das erste Flugtriebwerk der Berliner, Dieser wassergekühlte Reihenvierzylinder holte aus 6,3 Litern Hubraum 52 PS bei 1200 U/min, eine weiterentwickelte Version mit 8,7 Litern Hubraum knackte 1912 als erster deutscher Flugmotor die 100-PS-Marke. Damit zählt Argus neben Daimler-Benz und NAG zu den ältesten deutschen Flugmotorproduzenten. Im Ersten Weltkrieg geriet Argus jedoch ins Hintertreffen. Seitens der Luftstreitkräfte wurden Aggregate mit sechs Zylindern bevorzugt, unter anderem wegen ruhigerem Laufverhaltens. Anno 1916 bestand der Sechszylinder As III zwar die Bauartenprüfung, aber durch Überhitzungsprobleme waren die mit ihm bestückten Flugzeuge nur eingeschränkt fronttauglich.

Eines der bekanntesten Flugzeuge, das mit dem Argus As 410 bestückt ist: die Pilatus P-2.
Rückkehr zum Flugmotorenbau
Nach Kriegsende begann ein intensiveres Engagement im Automobilsektor. Argus übernahm die Horch-Werke und lieferte Motoren für die in Zwickau hergestellten berühmten Premium-Pkw – pardon, damals hieß es noch "Oberklasse". Ab 1926 widmete man sich wieder der Produktion von Flugmotoren, und zwar gleich mit einem Paukenschlag. Beim völlig neu konstruierten wassergekühlten Argus As 5 handelte es sich um ein sogenanntes doppeltes W-Triebwerk, also mit drei Zylinderreihen auf der Ober- und drei auf der Unterseite. Jede Zylinderreihe beziehungsweise -bank hatte vier Zylinder, insgesamt verfügte der Motor über 24 Zylinder. Gewaltig vor allem der Hubraum: Die seinerzeit übliche extrem langhubige Auslegung mit vergleichsweise geringem, weil materialschonendem Drehzahlniveau – hier nur 1800 U/min maximal – trieb diesen auf sage und schreibe 91,4 Liter! Das Trockengewicht betrug moderate 1100 Kilogramm, ein für diese Hubraumgröße exzellenter Wert. Von dem rund 1500 PS starken, zugegeben recht ausladenden Triebwerk sind offenbar drei Exemplare fertiggestellt worden und auch auf dem Prüfstand gelaufen. Potenzial für künftige Evolutionsstufen schien wohl vorhanden, aber auf ministerieller Seite erkannte man für solche Großmotoren noch keine Verwendung – es sollte "kleiner" gebaut werden. Nach der Absetzung des As 5 konzentrierte sich die Firmenleitung ab 1928 ganz auf luftgekühlte Antriebe für Schul-, Sport- und Reiseflugzeuge und war in diesem Metier auch international gefragt.

Die V-förmig hängenden Zylinder bieten leichten Zugang bei der Wartung.
Luftgekühlte Zylinder mit Twist
Für die wartungsarme und bauteilesparende Luftkühlung sind normalerweise Sternmotoren prädestiniert. Ihr weitgehend ungehindert eintretender Luftstrom kommt ideal zu den Kühlrippen – selbst bei Doppel- und sogar Mehrfachsternen wird er dank versetzter Lage der hinteren Zylinder vergleichsweise wenig beeinträchtigt. Beim Reihenmotor ist die Sache schon komplizierter: Alle nachfolgenden Zylinder liegen im Windschatten des vordersten Kollegen und leiden unter suboptimaler Wärmeabfuhr. Ausgeklügelte Arrangements von Kühlluftleitblechen können Besserung verschaffen, aber naturgemäß kommt diese Bauart nur bei unteren bis mittleren Leistungskategorien infrage. Der Argus-Technikerstab unter Führung von Chefkonstrukteur Dr.-Ing. Manfred Christian war jedenfalls willens, die Herausforderungen eines Triebwerks mit (pro Bank) sechs hintereinander aufgereihten luftgekühlten Zylindern anzunehmen. Ganz augenscheinlich vertrauten die Berliner auf ihre mit den bisherigen erfolgreichen Mustern, wie etwa dem ebenfalls hängenden, achtzylindrigen Vorgänger As 10 C, erworbene Kompetenz. Dies unterstreicht eine selbstbewusste Passage aus dem Prospekt für das neue Aggregat mit dem Kürzel As 410: "Jahrelange Erfahrung im Großserienbau, die Ergebnisse eigener Forschungstätigkeit und umfassender Vorversuche, neuzeitlichste Laboratorien, Werkstätten und Prüfeinrichtungen standen den Ingenieuren und Facharbeitern Deutschlands ältester Flugmotorenfabrik zur Seite bei den Entwicklungsarbeiten". Mit dem As 410 ausgerüstete Maschinen waren unter anderem die Militärtrainer Arado Ar 96 B und nach dem Zweiten Weltkrieg die Schweizer Pilatus P-2, die Siebel Si 204 A (leichter Transporter und Passagierflugzeug) und der Nahaufklärer Focke Wulf Fw 189. Das Bemühen um bestmögliche Kühlung löste man mit einer genialen Idee. Die Zylinderköpfe sind um ihre Achse jeweils 45 Grad aus der Flugrichtung gedreht, dazu sind die Ein- und Auslasskanäle gegenüber gewohnter V12-Anmutung sozusagen vertauscht. Auslässe mitsamt Abgaskrümmern und -sammlern führen nach innen zwischen die Zylinderbänke, bis auf die beiden unten aus der Triebwerksverkleidung herausragenden Endrohre ist von der übrigen Abgasanlage quasi nichts zu sehen. Durch diese schräg platzierte Ventilebene erreichte man in Verbindung mit Luftleitblechen und großzügiger Verrippung eine höchst effektive Umströmung der thermisch besonders kritischen Auslasszone. Um das realisieren zu können, war auch eine ungewöhnliche, über Kreuz geführte Stoßstangenanordnung notwendig. Neben der großen zentralen Öffnung vorn für Ansaug- und Kühlluft verfügt die Cowling über zwei unten links und rechts angebrachte kleinere Ausschnitte. Die dort eintretende Stauluft erwärmt sich an den Sammlern und dient bei Bedarf zur Heizung, zur Flächenenteisung und kann – etwa bei Vereisungsgefahr im Ansaugsystem – per Warmluftklappen dem Vergaser zugeführt oder ins Freie abgeleitet werden. Zwischen diesen beiden Öffnungen ist auch der Schmierstoffkühler angebracht.

Querschnitt des Motors von rechts in Flugrichtung.
Einheitliche Kolben, klassische Ventilsteuerung
Das wannenförmige Kurbelgehäuse mit separat verschraubtem, abnehmbarem Deckel besteht aus vergütetem Elektronguss, also einer leichten, hochwertigen Magnesiumlegierung. Im Gehäuse dreht sich die sechsfach gekröpftefixierte Kurbelwelle in sieben mit Bleibronze beschichteten Gleitlagern. Sie ist aus zäh vergütetem Stahl im Gesenk geschmiedet und allseitig bearbeitet, ihre Lagerzapfen wurden durch Nitrieren gehärtet. Haupt- plus Nebenpleuel sind beide mit einem H-förmigen Querschnitt versehen, ebenso aus Stahl gesenkgeschmiedet und allseitig bearbeitet. Das untere Pleuellager besteht wiederum aus Bleibronze in Stahlschalen, das Kolbenbolzenauge ist mit einer Bronzebuchse armiert. Die aus einer Aluminiumlegierung gepressten Kolben sind mit drei Dichtringen sowie einem Ölabstreifring bestückt. Auffällig an den Kolben: die insgesamt vier Ventiltaschen-Ausfräsungen; eigentlich würden bei einem Zweiventiler zwei ausreichen. Durch diese produktionserleichternde Maßnahme braucht nur eine Kolbenausführung für alle Zylinder hergestellt werden, trotz der für die zwei Zylinderbänke spiegelbildlich schräg liegenden Ventilebenen. Rechts und links im Kurbelgehäuse befinden sich die "untenliegenden" Nockenwellen, für jede Bank eine. Wie erwähnt übertragen kreuzförmig arrangierte Stoßstangen die Hubbewegung der Nocken via wälzgelagerter Kipphebel auf mit je zwei Federn bestückte Ventile; die Ventilspielkorrektur erfolgt ganz nach alter Väter Sitte mit Einstellschraube und Kontermutter. Die unter einem Winkel von 60 Grad v-förmig hängend angeordneten einzelnen Zylinderlaufbuchsen nebst ihren herausgearbeiteten Kühlrippen sind aus vergütetem Stahl gesenkgeschmiedet und mit je acht kurzen Stehbolzen und Muttern auf dem Kurbelgehäuse befestigt. Für die gegossenen, auf die stählernen Laufbuchsen aufgeschraubten und aufgeschrumpften Zylinderköpfe wurde als Material eine warmfeste Aluminiumlegierung gewählt. Das Einlassventil bettet sich für gute Abdichtung in einen relativ weichen Sitzring aus Bronze, das Auslassventil wegen der hohen Wärmebeanspruchung in einen aus Sonderstahl. Die Ventilführungen bestehen aus Hartkupfer, wie immer ist der Auslassventilschaft deutlich dicker ausgelegt – wegen des für die Natriumfüllung notwendigen Hohlraums. Zwei Zündkerzen pro halbkugelförmigem Brennraum sitzen in auswechselbaren Bronzebuchsen: Ein cleveres Detail vieler deutscher Motoren, falls mal ein Mechaniker in der Hektik das Kerzengewinde vermurkste. Der kontaktgesteuerte Zwillingszündmagnet (also zwei getrennte Zündkreise in einem gemeinsamen Gehäuse) von Bosch, Typ ZM 12 CR 8, wurde auch in anderen V12 verwendetwie beispielsweise bei der Daimler-Benz 6er-Serie oder beim Jumo 213.

Zu sehen ist die Lage von Kurbelwelle, linker Nockenwelle und aller Zahnräder für den Antrieb der Hilfsgeräte.
Laderkonzept und Übersetzung
In dieser Leistungsklasse reicht ein einstufiger Lader mit einem Gang locker aus, das Bauteil des As 410 bietet eine Übersetzung mit 8,7-facher Kurbelwellendrehzahl. Laderübersetzungen sind elementare Kennziffern bei der konstruktiven Auslegung eines zwangsbe- atmeten Flugmotors. Die zum Antrieb eines Laderlaufrades benötigte Leistung – die sogenannte interne Verlustleistung – steigt zwangsläufig mit zunehmender Drehzahl. Über eine bestimmte Drehzahlgrenze hinaus würde sich das Ganze als unökonomisch erweisen. Andererseits kann auch der Durchmesser eines Laders schon aus Platzgründen nicht beliebig groß gewählt werden, zudem wäre dann wegen starker Fliehkräfte mit einer enormen mechanischen Belastung zu rechnen. Ein grundsätzliches Problem bei abrupten Drehzahlsprüngen der Kurbelwelle ist eine etwaige Überbeanspruchung der Laderlaufradwelle, am Argus soll daher ein zwischengeschalteter elastischer Drehstab mögliche Beschädigungen verhindern. Der Ausschlag des Drehstabes wird hierbei durch eine Keilwellenkupplung mit definiertem Spiel begrenzt, sodass selbst mit einem gebrochenen Drehstab der Lader trotzdem noch angetrieben würde. Eine Ölsperre verhindert, dass eventuell via Laderwellenlagerung angesaugter Schmierstoff in die Brennräume gelangt und dort schädliche Ablagerungen bildet. Seitlich vom zweiteiligen Ladergehäuse aus verläuft rechts und links außen je eine Ladeleitung pro Zylinderbank, davon abzweigend kurze Ansaugrohre zu den einzelnen Brennräumen. Am Ladergehäuse befindet sich auch der Anschluss für eine Azetylengasflasche (dient als Starthilfe bei extrem tiefen Temperaturen).

Bei dieser Darstellung des Schmierkreislauf sind die wichtigsten Schmierorgane und -stellen geschnitten dargestellt.
Vom Vergaser bis zur Luftschraube
Zur Fütterung des Motors ist ein Schwimmervergaser Typ Argus-Hobson 9-2084 B-1 angeflanscht. Er besitzt ausgeklügelte Features wie eine Beschleunigerpumpe, integrierte Gemischvorwärmung durch Schmierstoffumlauf im Vergasergehäuse sowie eine selbsttätige Ladedruck- und Höhengemischregelung. Die Beschleunigerpumpe eines Vergasers dient zur Anreicherung des Gemischs beim schnellen Gasgeben. Dabei kann der Kraftstoffausfluss aus dem Düsensystem den veränderten Druckverhältnissen nicht so rasch folgen wie die angesaugte Luft, Gemischabmagerung und Leistungsverlust wären die Folge. Bekanntermaßen gibt es zwar speziell für Rückenflug ausgelegte Schwimmervergaser, aber davon wird bei diesem Argus-Hobson abgeraten. Zum Primen besitzt der As 410 zwei Anlasseinspritzdüsen, je eine in der Ladeleitung zur rechten und zur linken Zylinderbank. Um das gefürchtete "Backfire”zu verhindern, also ein Rückschlagen von Verbrennungsflammen in den Ansaugtrakt – verursacht zum Beispiel durch ein hängengebliebenes Einlassventil –, ist in jeder Ladeleitung ein spezieller Löscheinsatz angebracht, der durch seine große Oberfläche die Flamme abkühlt und unschädlich macht. An der Trockensumpfschmierung des Triebwerks sind zwei Ölkreisläufe mit je einer Druckpumpe zu unterscheiden. Der Hochdruckkreislauf versorgt Kurbeltrieb, Nockenwellen, Untersetzungsgetriebe, Ladedruckregler, Gemischregler und Warmluftregler; der Niederdruckkreislauf ist für die Lagerstellen imHilfsgerätegehäuse (hinten am Motor befestigt), die Kraftstoffförderpumpe und den Zündzeitpunktregler zuständig. Zwei Rückförderpumpen saugen den Schmierstoff ab und drücken ihn über eine Leitung zum Heizmantel des Vergasers und via Ölkühler wieder in den Öltank. Alle Pumpen sind in Zahnradbauweise ausgeführt, die Schmierstoffdrücke betragen minimum 2,45 und maximal 9,8 bar. Der zweiflügelige Argus-Verstellpropeller läuft mit einer Untersetzung von 0,67 zur Kurbelwelle. Er hält selbsttätig die vom Piloten gewählte Motordrehzahl; unabhängig davon, ob Geschwindigkeit, Flughöhe oder Gashebelstellung verändert werden. Es gibt zwei manuell zu schaltende Drehzahlbereiche: die höchste Motordrehzahl von 3100 U/min ist nur beim Start möglich, alle anderen Leistungsstufen (Steig-, Dauer- und Reiseleistung) werden mit der unteren Drehzahlstufe von 2820 U/min abgedeckt. Nur bei sehr starkem Drosseln, sprich Landeanflug, wird sie selbsttätig zur festen Luftschraube – dadurch soll ein zu geringer Schraubenzug beim Landen vermieden werden. Die zur Blattverstellung erforderliche Kraft ist rein mechanisch generiert, und zwar mittels angreifender Luftströmung an der charakteristischen, in den Spinner integrierten Rippenhaube; sie dreht sich gegenläufig zur Luftschraube. Speziell für den Einsatz in mehrmotorigen Flugzeugen wurde eine Segelstellung vorgesehen, wichtig bei etwaigem Ausfall eines Triebwerks.
Der As 410 wurde bis Kriegsende gebaut; zusammen mit dem auf 600 PS leistungsgesteigerten Nachfolger As 411 (Ladedruck und Drehzahl erhöht) sollen rund 14 000 Einheiten gefertigt worden sein. Auchdanach war dieser Motor noch beliebt: Renault beziehungsweise später Flugmotorenspezialist SNECMA produzierten den As 411 bis Anfang der Sechzigerjahre für diverse französische Muster.

Der kleine Zwölfzylinder von Argus war der Star der Motoren bis 500 PS.
Technische Daten
As 410 A-2 (Stand Oktober 1943)
Bauart: 60-Grad-V12, hängend
Kühlung: luftgekühlt
Hubraum: 12 Liter (Bohrung x Hub 105 x 115 mm)
Verdichtung: 6,4 : 1
Ventiltrieb: ohv-Stoßstangen, 2 Ventile pro Zylinder
Start-/Notleistung: 465 PS (342 kW) bei 3100 U/min und 1,40 ata Ladedruck
Lader: Einstufen-Schleudergebläse, ein Gang (8,7-fache Kurbelwellendrehzahl)
Zündung: Bosch-Zwillingszündmagnet ZM 12 CR 8, kontaktgesteuert
Vergaser: Argus-Hobson 9-2084 B-1 Schwimmervergaser
Kraftstoff: B4 (87 Oktan)
Verbrauch: 85 l/h bei höchstzulässiger Dauerleistung
Schmierstoff: Intava 120 (entspricht Einbereichsöl SAE 60)
Verbrauch: ca. 3 l/h bei höchstzul. Dauerleistung
Durchdrehanlasser: Bosch AL/DEF 24 L3
Trockengewicht (kpl. mit Einbauzubehör ): 353 kg
Quelle: Luftfahrt-Archiv Hafner/Beschreibung As 410 A-2 MA und VLS





