Ein Bomber wie kein anderer: Noch heute, lange nachdem das letzte Exemplar vom Himmel verschwand, strahlt die Silhouette der Avro Vulcan etwas Mystisches aus. Selbst die beiden anderen "V-Bomber", die Handley-Page Victor und die Vickers Valiant kommen an die Ausstrahlung der Vulcan nicht heran. Der Deltaflügler mit Kultstatus stellte seit den fünfziger Jahren die nukleare Abschreckung für das Vereinigte Königreich sicher. Seine Geschichte beginnt schon 1946, kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs, mit der Bomber-Ausschreibung B.35/46.
Jene Ausschreibung forderte ein Flugzeug, das groß genug war, die klobigen, frei fallenden "Blue Danube"-Atombomben aufzunehmen: Waffen mit 9,15 Metern Länge, 3,0 Metern Durchmesser und 4,5 Tonnen Masse mussten befördert werden. Entsprechend der Forderung verfügte die relativ zierliche Vulcan über einen gigantischen, ungeteilten Bombenschacht und eine Kanzel für den Bombenschützen. Des Weiteren wurde eine Reichweite von mindestens 5.500 Kilometern verlangt, also genug zum Erreichen der Sowjetunion und zurück. Eine Reisegeschwindigkeit von Mach 0.87 und eine Reiseflughöhe von über 50.000 Fuß (15,2 km) wurden gefordert, um den Abfangjägern entkommen zu können. Gleichzeitig verlangte die äußerst anspruchsvolle Ausschreibung, dass das Flugzeug insgesamt nicht schwerer als 45,3 Tonnen sein sollte.

Deltaflügler mit Startschwierigkeiten
Das Konstruktionsteam der A. V. Roe Ltd. (Avro) unter Roy Chadwick entwarf daraufhin den Deltaflügler "Type 698". Er besaß vier Triebwerke innerhalb des extrem dicken inneren Flügels. Der relativ kompakte Bomber verzichtete auf ein separates Höhenleitwerk. Am 23. Juli 1947 erhielt Avro den Auftrag, einen Prototyp zu bauen. Um die Konfiguration des Bombers zu optimieren, wurde zuvor das maßstäblich verkleinerte Versuchsflugzeug Avro 707 als Wegbereiter der Vulcan gefertigt. Am 30. August 1952 startete Wing Commander Roly Falk mit der ersten Vulcan VX770 in Woodord zum Erstflug. Weil die vorgesehenen Turbojet-Triebwerke Bristol Siddeley "Olympus" noch nicht fertig waren, nutzte der erste Prototyp vier deutlich schwächere Rolls-Royce RA3 Avon als Ersatz. 1955 kamen die ersten, leicht vergrößerten B.1-Serienflugzeuge in Woodford aus der Endmontage. Nach Strukturproblemen wegen Flatterschwingungen am Außenflügel erhielten die Flügelvorderkanten der verbesserten Vulcan B.2 charakteristische Knicke statt des strengen Deltagrundrisses.
Im Mai 1956 wurden die ersten Flugzeuge ausgeliefert, im Juli 1957 meldete die No. 82 Squadron die Vulcan einsatzbereit. Die Besatzung bestand aus fünf Mann: zwei Piloten auf Schleudersitzen sowie einem Navigator, einem Radaroffizier und einem Elektronikoffizier, die sich im Notfall allerdings nicht per Schleudersitz hätten retten können. Die Crew sollte durch eine Bodenluke abspringen.
Einsatz im Falklandkrieg
Die letzte Vulcan, eine Vulcan B.2A, wurde Anfang 1965 ausgeliefert. Die Gesamtproduktion lag bei 134 Flugzeugen. Statt der ursprünglich vorgesehenen, frei fallenden Atombomben wurde der nukleare Abstandsflugkörper Avro Blue Steel von 1963 bis 1969 zur Hauptbewaffnung der Vulcan. Die Mittelstreckenrakete hatte eine Reichweite von 240 Kilometern und konnte auf Mach 3 beschleunigen. Damit ersparte die Luft-Boden-Rakete dem Bomber den riskanten An- und Überflug stark verteidigter Ziele. Im Falle von Spannungsperioden wären die britischen Vulcans von ihren ständigen Stützpunkten in festen Vierergruppen bewaffnet auf weltweit verteilte Ausweichbasen mit Schnellabrollpositionen an den Startbahnköpfen verlegt worden. Von dort aus hätten sie nach Alarmierung in kürzester Zeit zu den Einsätzen starten können. Dank eines "Green Satin"-Dopplerradars, das mit dem Autopiloten gekoppelt werden konnte, war die Vulcan dabei in der Lage, weitgehend autonom zu navigieren. Für schwere Störungen oder Systemausfälle wurde auch die Astronavigation drillmäßig trainiert.

Vulcan im Tiefflug
Als die britische Atomstrategie vermehrt auf nuklearbestückte U-Boote setzte, verlor die Vulcan Ende der sechziger Jahre ihre strategische Rolle. Eine Umrüstung auf die modernere Douglas-Skybolt-Lenkwaffe unterblieb. Auch die Bedrohungslage hatte sich geändert: Statt in großer Höhe versuchte die Vulcan nun im Tiefflug ihre Ziele unterhalb des gegnerischen Radars anzusteuern. Der Rumpf – in reflektierendem Weiß als Schutz gegen die Hitzewelle nach Atomexplosionen – erhielt nun ein geflecktes Tarnmuster oder ein einheitliches Dunkelgrün und eine graue Unterseite.
Unterdessen machte sich die Vulcan auch in anderen Rollen nützlich, zum Beispiel als Tanker (Vulcan K), als Seeraumüberwachungsflugzeug beziehungsweise elektronischer Aufklärer (Vulcan SR) und als Luftprobensammler nach Atomtests.
Einsatz im Falklandkrieg
Ihren einzigen Kriegseinsatz erlebte die Vulcan im Falkland-Konflikt 1982 als konventioneller Bomber. Die bereits in der Ausmusterung befindliche Veteranin wurde eilig zu einer Reihe von Langstrecken-Bombermissionen auf die von Argentinien besetzten Inseln befohlen. Die Briten starteten insgesamt sieben "Black Buck"-Einsätze von der weit entfernten Insel Ascension im südlichen Atlantik. Bei diesen bis zu 16 Stunden langen, generalstabsmäßig geplanten Missionen wurde die einzeln angreifende Vulcan von einem Dutzend Tankern begleitet und bis zu 18-mal in der Luft betankt. Einige Vulcans trugen auch AGM-45A- Anti-Radar-Raketen an Flügelstationen und Zusatztanks im Bombenschacht.
Nach dem Bruch der Tanksonde musste eine zurückkehrende "Black Buck"-Vulcan mit den letzten Tropfen Kerosin nach Brasilien ausweichen, wo sie monatelang festgesetzt wurde. Die Langstreckenangriffe auf den Flughafen von Port Stanley und auf argentinische Radarstellungen hatten vor allem eine enorme psychologische Wirkung, denn sie waren die ersten Kampfhandlungen der Briten zur Rückeroberung der Falklands. Nach dem Krieg setzten die Briten die Ausmusterung der immer stärker wartungsbedürftigen Vulcan fort. Eine letzte Vulcan (XH558) blieb als Museumsflugzeug erhalten und wurde mit hohem finanziellen Aufwand, technischen Hilfeleistungen seitens der Industrie und dank privater Spenden bis 2015 flugfähig gehalten. Ihren letzten Auftritt hatte die Vulcan beim Flying Legends in Duxford 2015.
Technische Daten
Avro 698 Vulcan
Einsatz: nuklearwaffenfähiger, strategischer Bomber
Besatzung: zwei Piloten, ein Navigator, ein Radaroffizier, ein Elektronikoffizier
Antrieb: vier Rolls-Royce (Bristol) Olympus 301 mit 89 kN Schub (zeitweise gedrosselt auf 80 kN)
Länge: 30,45 m
Höhe: 8,28 m
Spannweite: 33,83 m
Flügelfläche: 368,26 m²
Leermasse: 37,9 t
max. Startmasse: 113,4 t
Dienstgipfelhöhe: 19 800 m
Höchstgeschwindigkeit: 1037 km/h
Reichweite: 7400 km
Bewaffnung: nukleare Flugkörper oder frei fallende Atombomben im Waffenschacht oder 21 konventionelle 450-kg-Bomben, AGM-45-Anti-Radar-Raketen oder Sidewinder an Flügelstationen (alle Angaben gelten für die abgebildete Vulcan B.2A)