Bell P-39 Airacobra: So fliegt sich der US-Warbird mit Mittelmotor

Rarität Bell P-39 Airacobra
Seltener US-Warbird mit Mittelmotor - so fliegt er sich!

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Veröffentlicht am 22.03.2025

Die Airacobra war aufgrund ihres ungewöhnlichen Designs mit einem Bugradfahrwerk, dem Mittelrumpfmotorkonzept sowie einer 37 Millimeter Kanone in der Nase ihrer Zeit voraus. Allerdings machten sie diese fortschrittlichen Elemente keineswegs zu einem überlegenen Jagdflugzeug. Aber trotz einiger Schwächen, wie dem Fehlen eines Turboladers, um auch in großen Höhen erfolgreich kämpfen zu können, wurde der kleine Jäger erfolgreich im Pazifik gegen die Japaner eingesetzt und auch in großen Stückzahlen im Rahmen des Leih- und Pachtvertrags an die Sowjetunion geliefert.

Bell P-39 Airacobra (220341) im Flug
Uwe Glaser

Warbird-Rarität

Heute zählt die Bell P-39 Airacobra zu den seltensten Warbirds überhaupt. Nur drei fliegende Exemplare sind erhalten geblieben. Eine davon steht im Military Aviation Museum in Virginia Beach. Autor Uwe Glaser fotografierte sie und gibt einen Einblick in die Geschichte der in Virginia Beach fliegenden Maschine. Diese hängt zusammen mit dem ab Februar 1942 geführten Kampf um die Stadt Port Moresby (heute Hauptstadt von Papua-Neuguinea). Täglich bombardierten die Japaner die Stadt, um den vorgeschobenen australischen Posten einzunehmen. Ziel war ein Brückenkopf, um eine Seeblockade gegen den wichtigen Nachschubhafen Darwin zu etablieren sowie die Landung in Australien selbst vorzubereiten. Es war der Auftakt zur Schlacht im Korallenmeer (7.-8. Mai 1942). Außer Flakabwehrgeschützen und ein paar P-40 Warhawk der Royal Australian Air Force (RAAF) hatten die Australier dem japanischen Bombardement nichts entgegenzusetzen. Eilig wurde von den USA die 36th Pursuit Squadron, 8th Fighter Group, 5th Air Force nach Australien entsandt. Im April traffen die US-Boys in Down Under ein, und nun wurden täglich Airacobras der 36th sowie P-40 der RAAF vom Flugplatz Antill Plains bei Townsville via Cooktown und Horn Island zum rund 1300 Kilometer entfernten Port Moresby überführt, um in die Abwehrkämpfe einzugreifen, die als das "Australische Pearl Harbour" in die Geschichte eingegangen sind.

Bell P-39 Airacobra im Flug
Uwe Glaser

Irrflug über dem Korallenmeer

Am Morgen des 1. Mai 1942 ist es für sechs Piloten der 36th Pursuit Squadron um Leutnant Falletta so weit. Insgesamt sind für den D-Flight genannten Routine-Überführungsflug zwei Tankstopps eingeplant. Falletta ist der Erfahrenste in der Gruppe junger Offiziere und hat schon zweimal Airacobras nach Port Moresby überführt und auch schon Feindberührung mit japanischen Betty-Bombern und Zero-Jägern gehabt. Nach dem ersten Tankstopp in Cooktown fliegen die Piloten in loser Formation immer Richtung Norden zur Insel Horn, wo der letzte Tankstopp erfolgen soll, bevor die Gruppe die letzte Wegstrecke über Wasser nach Port Moresby antritt. Doch als die sechs Jagdflugzeuge die Insel Horn erreichen, finden sie sich unvermittelt inmitten eines tropischen Sturmtiefs wieder. Zu allem Überfluss fällt jetzt auch noch der Funk aus und Lt. Falletta muss die Gruppe mit Handsignalen zusammenhalten. Bis auf den Leader hat keiner der Gruppe Blindflugerfahrung und so bleibt nur die Umkehr, in der Hoffnung, wieder das Festland zu erreichen. Allen im D-Flight ist klar, dass sie mit dem wenigen verbliebenen Kraftstoff keinen Flugplatz mehr werden erreichen können, bestenfalls einen mehr oder minder guten Notlandeplatz. Und dann? Man kann nur erahnen, was sich jetzt in den Köpfen der jungen Piloten abgespielt hat. Am späten Nachmittag setzt Leutnant Walter Harvey schließlich mit fast leeren Tanks in seiner Bell P-39F, Militär-Nummer 41-7215, auf unbefestigtem Terrain in Cape York, Queensland, zur Bauchlandung an. Sein Wing Leader, Lt. Falletta, ist vor ihm mit ausgefahrenem Fahrwerk gelandet und mit dem rechten Hauptrad in einem Graben hängen geblieben. Das will Harvey auf keinen Fall riskieren und setzt die Bell glatt auf. Als sich der Staub gelegt hat, kann er unverletzt aus dem Jäger klettern. Vier weitere Piloten schaffen die Notlandung etwa 15 Kilometer entfernt an einem Strandabschnitt. Eie P-39 bekommt jedoch mit einer Flügelspitze Bodenberührung. Der Jäger überschlägt sich beim Landeversuch, was der junge Pilot, Leutnant Robert Love, mit dem Leben bezahlt. Leutnant Falletta und Lt. Harvey schaffen es, sich in zwei quälenden Tagen die gut 15 Kilometer durch mit Schlangen und Krokodilen verseuchtes Gebiet zur Küste durchzuschlagen, wo sie schließlich auf Zivilisation treffen und gerettet werden. Für alle außer Lt. Love endet diese erste Feuerprobe somit glimpflich, wenngleich der eigentlich harmlose Überführungsflug eine kleine Kostprobe auf das war, was im Einsatz auf alle zukommen kann und er sicherlich einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben dürfte. Leutnant Harvey fliegt weitere 131 Einsätze, bekommt das DFC (Distinguished Flying Cross) sowie zwei Air Medals und überlebt den Krieg.

Seitliche Ansicht einer Bell P-39 Airacobra
Uwe Glaser

Aufwendige Wiederauferstehung

Was die Bell P-39F, 41-7215, betrifft geriet sie mehr als 30 Jahre lang in Vergessenheit. Erst dann wurde sie geborgen und eingelagert. Mehrere Besitzer versuchten sich mit mäßigem Erfolg an der Restaurierung, bis Jerry Yagen im Jahr 2017 das Projekt erwarb und die Bell bei den Spezialisten von Pioneer Aero in Neuseeland in den Neuzustand versetzen ließ. Zwei Jahre intensiver Arbeit vergingen, bis die P-39F in neuem Glanz erstrahlte. Ein Großteil der Struktur konnte erhalten werden, und so hat die Bell eine "Ongoing History". Yagen, der deutsche Wurzeln hat, suchte immer den Bezug seiner Flugzeuge zu Deutschland. Und so entschied er sich für eine Bemalung, die eine Maschine repräsentiert, die per Leih- und Pachtvertrag an die Sowjetunion geliefert wurde. Diese setzte den waffenstarrenden Jäger erfolgreich gegen die deutsche Luftwaffe ein. An der Ostfront wurden die Luftkämpfe typischerweise in Höhen unter 4000 Metern ausgefochten. Ideal für die Airacobra, konnte sie doch hier ihr ganzes Potenzial ausspielen. Sowjetische Jäger-Asse haben zum Teil mehr als 30 Abschüsse auf der Airacobra erzielt. Insgesamt wurden 9585 Stück der P-39 aller Baureihen gefertigt (5000 davon gingen an die Rote Armee). Gebaut wurde "unsere" Airacobra 1941, bei Bell im Werk in Wheatfield, Buffalo, im Bundesstaat New York als Bell P-39F-1-BE mit der Werknummer 15-554 und der militärischen Serialnumber 41-7215. Ursprünglich geordert von der britischen Regierung, als eines von rund 600 bestellten Flugzeugen und eigens mit einer 20-Millimeter Kanoneim Bug ausgestattet, konnte die Bell nicht annähernd an die Leistungen der Spitfire anknüpfen, woraufhin die Engländer ihre Bestellung stornierten. Diesem Umstand ist es geschuldet, dass die P-39 umgehend nach Australien verschifft wurde, wo sie mit weniger als 10 Flugstundenab Werk ihr jähes Ende auf einem Feld in Queensland fand.

Cockpit der Bell P-39 Airacobra
Uwe Glaser

Einschätzung des Chefpiloten

Mike Spalding, Chefpilot des Military Aviation Museum, erläutert seine Sichtweise auf den Jäger. "Als ich Anfang der 2000er-Jahre anfing, die Warbirds des Flugzeugenthusiasten Jerry Yagen zu fliegen, ging das Gerücht um, dass wir bald Zuwachs in der Sammlung in Form einer Bell P-39 bekommen würden. Es sollte ganze 20 Jahre dauern. Als die Bell eintraf, war ich sofort begeistert, denn sie war so anders, mit dem Allison-Motor hinter dem Cockpit und einem Bugrad. Ich dachte, sie wäre ein leichtes Einstiegsflugzeug für die neuen Piloten, doch ich lag falsch. Das lernte ich bei den ersten Flügen. Sie ist nicht schwer zu fliegen und ihre Flugeigenschaften sind nicht ungewöhnlich herausfordernd, aber es erfordert ein höheres Maß an Cockpit-Management und Vorbereitung, als man zunächst denken würde. Mit Türen wie bei einem Auto zum Einsteigen scheint es einfach, aber das tatsächliche Ein- und Aussteigen gestaltet sich schwieriger als gedacht, denn das Cockpit ist sehr klein und kompakt. Wenn man aber erst einmal drin ist, so ist die Sitzposition überraschend bequem. Fahrwerk, Klappen und Propeller werden elektrisch betätigt. Öl-, Kühlmittelklappen sowie die Trimmelemente werden per Handkurbel beziehungsweise Handrad verstellt.

Allison-V-11-Motor in einer Bell P-39 Airacobra
Uwe Glaser

Eigenheiten und Flugverhalten

Nach dem Anlassen vibriert das gesamte Instrumentenbrett derartig stark, dass ein Ablesen der Instrumente nicht mehr möglich ist. Erst bei rund 1000 Umdrehungen beruhigt es sich wieder. Dann hört man auch, wie anders es ist, wenn das Motorengeräusch von hinten kommt. Das Motorengeräusch hinter einem ist zwar nicht mehr so laut, aber dafür hört man jetzt das Propellergetriebe heulen, das vor einem arbeitet, und das Geräusch der Welle, die zwischen den Beinen des Piloten vom Motor kommt und zum Propeller führt. Die Temperatur der Kühlflüssigkeit steigt rasend schnell an, sodass man vom Anlassen bis zum Abheben nicht viel Zeit hat, um eine Überhitzung des Motors zu vermeiden. Man muss sofort nach dem Anlassen bis zum Ende der Startbahn rollen und unverzüglich starten. Aus diesem Grund ist es kein gutes Einstiegsmuster für einen Check-out mit neuen Piloten. Man hat keine Zeit sich umzusehen, alles zu überprüfen und Einstellungen vorzunehmen. Die Checkliste und alle Punkte, die den Start betreffen, müssen idealerweise vor dem Start des Motors abgearbeitet werden, sonst läuft man schnell Gefahr, dass sich die Nadel der Kühlmitteltemperatur in den roten Bereich bewegt. Beim Rollen ist zu beachten, dass das Bugfahrwerk nicht mitlenkt und immer entlastet werden muss. Richtungsänderungen sind hier mit einseitigem Bremsen zu bewerkstelligen. Beim Start ist die Bell trotz der enormen Kraftentfaltung und des damit verbundenen Drehmoments sehr stabil und neigt kaum zum Ausbrechen. Einmal in der Luft, fährt das Fahrwerk sanft ein und man kann deutlich die Elektromotoren arbeiten hören. Das Propellergetriebe hat einen eigenen Druckmesser. Der Zeiger ist bei jeder Umdrehung unscharf. Man sagte mir, das sei normal, aber es macht einen schon etwas nervös, vor allem beim ersten Flug. Mit steigender Beschleunigung arbeitet der Kühler und die Temperatur pendelt sich in der Mitte des grünen Bogens ein, um sich bis zur Landung nicht mehr zu bewegen. In der Luft lässt sich die Bell absolut unproblematisch steuern, im Reiseflug ist sie sehr stabil und bleibt nach dem Austrimmen dort, wo man sie haben will. Die Rundumsicht aus dem Cockpit ist aufgrund der breiten Verstrebungen der Türen bescheiden. Man hat das Gefühl, dass man ständig um sie herumschauen muss. Vor allem im Formationsflug bewegt man ständig den Kopf hin und her. Die Landung ist ziemlich einfach, wie üblich bei Flugzeugen mit einem Bugrad. Nach der Landung muss man die Temperatur wieder im Auge behalten und schnell zum Abstellplatz gelangen. Die Airacobra hat ihre Eigenheiten, aber sie bietet ihrem Piloten eine Menge Spaß in der Luft, und ich kann gut verstehen, warum sie bei ihren Piloten, die sie im Einsatz geflogen haben, so beliebt war".