Wenn man an Kalifornien denkt, dann sieht man lange Strände, Surfer, die Golden Gate Bridge und den Hollywood-Schriftzug. In den Ohren klingt vielleicht „California Dreamin’“ von den Mamas & the Papas oder ein Surfer-Song von den Beach Boys. Ist man aber an der Luftfahrt interessiert, schlägt das Herz höher bei Begriffen wie Planes of Fame, Miramar oder San Francisco Fleet Week. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten bietet sich auch heute noch viel, was es in Europa wenig bis gar nicht zu sehen gibt. So auch südlich von Los Angeles in Santa Ana. Am John Wayne Airport liegt das Lyon Air Museum. Der Name geht auf den Gründer Major General William Lyon zurück. Vor über 50 Jahren begann dieser damit, Häuser und Wohnungen für heimkehrende Soldaten und deren Angehörige zu bauen. Daraus entstand später die William Lyon Homes Inc., welche heute eine der größten Baufirmen für Wohnhäuser in den USA ist. Über 75 000 Einheiten wurden in den vergangenen Jahrzehnten in Arizona, Kalifornien, Nevada und Colorado durch die Firma errichtet. Der Erfolg ermöglichte es Lyon, das nach ihm benannte Museum zu eröffnen. Gewidmet ist es der in Amerika als „Greatest Generation“ benannten Gruppe Soldaten – und deren Ausrüstung –, die während des Zweiten Weltkriegs an vielen Schauplätzen gedient haben.
Wenn man die Räumlichkeiten betritt, weht einem eine angenehm kühle Brise entgegen. Der gesamte Hangar ist voll klimatisiert, was bei den südkalifornischen Temperaturen eine willkommene Abwechslung ist und den Aufenthalt umso angenehmer gestaltet. Der erste Blick fällt nicht etwa gleich auf die Ausstellungsstücke, sondern auf den auf Hochglanz polierten hellen Boden des Gebäudes, in dem sich der Besucher spiegelt. Kein Fleck trübt den klinisch reinen Eindruck. Durch die großen verglasten Hangartore wird der Raum perfekt ausgeleuchtet und bietet auch für Fotografen hervorragende Lichtverhältnisse, auch das ist nicht üblich in den meisten Museen.
Der Zustand der Exponate sucht weltweit seinesgleichen
Der erste optische Eindruck und die Qualität setzen sich uneingeschränkt bei den vielen Ausstellungsstücken fort. Ganz automatisch fällt der Blick auf das größte Exemplar im Hangar, die Boeing B-17 Flying Fortress „Fuddy Duddy“ – in ihrer silbernen Lackierung mit dem gelben Leitwerk und vor allem wegen des nahezu fabrikneuen Zustands das Highlight in Santa Ana. Ebenfalls in Bestzustand präsentieren sich die beiden mittleren Bomber North American B-25 Mitchell und die glänzend schwarze Douglas A-26 Invader „Feeding Frenzy“. Diese konnte Ende des Zweiten Weltkriegs mit ihren zwei je 2000 PS leistenden Sternmotoren eine Spitzengeschwindigkeit von 570 Kilometern in der Stunde erreichen und war somit schneller als manch feindlicher Jäger. Die „Frenzy“ kam für den scharfen Einsatz jedoch zu spät und diente nach ihrer Zeit beim Militär der Hughes Tool Company. Es wird erzählt, dass Howard Hughes persönlich im Cockpit der Maschine gesessen und sie geflogen habe. Das Lackierungsvorbild für den heutigen Look war eine Invader der US-Streitkräfte während des Koreakriegs. Natürlich kommen auch die stillen Stars zum Zuge, und so steht nicht nur eine Douglas DC-3 / C-47 im Museum, sondern gleich zwei. Zum einen als C-47 Skytrain in militärischer Lackierung und mit den markanten D-Day-Stripes und zum anderen die DC-3 „Flagship Orange County“ in ziviler Airliner-Ausführung der 1930er Jahre. Beide sind ebenfalls in hervorragendem Zustand. Neben den mehrmotorigen Warbirds stehen natürlich auch kleinere Trainer und Aufklärungsflugzeuge im Museum. Eine silberglänzende North American AT-6 ist das neueste Exponat und repräsentiert den wohl erfolgreichsten Fortgeschrittenen-Trainer der USA während des Zweiten Weltkriegs. Etwas aus der zeitlichen Rolle fällt die Cessna O-1 Bird Dog, welche hauptsächlich in Korea und Vietnam Aufklärungsarbeit hinter den feindlichen Linien leistete.
Was wäre ein solches Museum ohne interessante Fahrzeuge und Ausrüstungsgegenstände?! Jeeps und Motorräder dürfen nicht fehlen, und so findet man neben zwei Willys Jeeps, einem Dodge Command Truck und einer Indian Chief auch verschiedene zivile historische Zweiräder aus der Sammlung des Hollywood-Stars Steve McQueen. Besonders ist hier, dass auch die einstigen Gegner gezeigt werden – leider nicht in Gestalt historischen Fluggeräts sondern nur von Fahrzeugen.
Ein Highlight für die Amerikaner ist ein 1939 gebauter Mercedes-Benz G4 „offener Tourenwagen“. Dieses mehrsitzige Cabrio soll laut Aussage der Museumsmitarbeiter einst an Adolf Hitler persönlich ausgeliefert worden sein, als Dienstwagen am Obersalzberg. In Berchtesgaden wurde die Luxuskarosse dann am Ende des Kriegs von den Franzosen erbeutet. Solche Relikte üben auf die Einheimischen eine ungeheure Anziehung aus, und man kann Besucher während des Aufenthalts dabei beobachten, wie sie sich nacheinander vor dem „Führermobil“ ablichten lassen. Das gibt der Technikbegeisterung einen unangenehmen Beigeschmack.
Neben dem Mercedes haben noch ein NSU-Kettenkrad und ein Tempo-Geländewagen den Weg in den Golden State gefunden. Monatliche Veranstaltungen und Vorträge wie auch Zeitzeugenberichte bilden ein spannendes Programm, das man, wenn es zeitlich passt, unbedingt nutzen sollte. Auch während des Besuchs kann man von den freiwilligen Mitarbeitern profitieren und die ein oder andere Erste-Hand-Geschichte ergattern. Denn die meisten der Mitarbeiter sind Veteranen, die teilweise sogar noch während des Zweiten Weltkriegs auf einem der ausgestellten Muster geflogen sind. Nach Abschluss des Besuchs und dem Stopp im kleinen Museumsshop begibt man sich wieder zurück in die Realität und den fast kollabierenden Straßenverkehr rund um LA. Möchte man seinen eindrücklichen Besuch noch einmal in Ruhe Revue passieren lassen, bietet sich ein Abstecher zum Strand des Crystal Cove State Park oder ein Eis auf einem Spaziergang auf der bekannten Touristenattraktion Balboa Island an.
Museumsinfo
Adresse: Lyon Air Museum, 19300 Ike Jones Road, Santa Ana, CA 92707, USA
Telefon: +1 714 210 4585
Website: www.lyonairmuseum.org
Öffnungszeiten: ganzjährig, täglich 10 bis 16 Uhr
Eintritt: Erwachsene 12 $, Kleinkinder u. Schulklassen kostenfrei, Kinder und Jugendliche zwischen 5 u. 17 Jahren 6 $, Senioren u. Veteranen 9 $. Gruppen bekommen einen Dollar Rabatt.
Ausstellungs-Highlights:
Boeing B-17 Flying Fortress „Fuddy Duddy“
North American B-25 Mitchell
Douglas A-26 Invader „Feeding Frenzy“
Douglas C-47 „Willa Dean“
Douglas DC-3 „Flagship Orange County“
North American AT-6
Cessna O-1E Bird Dog
verschiedene historische Militärfahrzeuge und Automobile sowie Zweiräder der US-Geschichte.
Klassiker der Luftfahrt Ausgabe 06/2016