Mit verwegenem Gesichtsausdruck steigt Major Lincoln Bond in seinen XF-120-Jäger des Flugzeugherstellers Gilbert. Trotz einer vorherigen Notlandung startet er mit der dreistrahligen Maschine zu einem weiteren gefährlichen Testflug. Schließlich ist er der Überzeugung, dass die Struktur des skurrilen Jets fehl konstruiert ist. Die Szene gilt als einer der Höhepunkte des Filmklassikers "Einst kommt die Stunde" ("Toward the Unknown") aus dem Jahr 1956. Die fiktive XF-120 wird in dem Streifen von der Martin XB-51 dargestellt, die aufgrund ihrer damals wie heute exotisch anmutenden Auslegung geradezu ideal für einen Film über Testpiloten war. Leider sollten die Befürchtungen Major Bonds in Bezug auf "sein" Flugzeug im Film ironischerweise auch in der Realität zutreffen: Beide Prototypen der XB-51 gingen durch Absturz verloren.
Änderungen mit deutschen Innovationen
Dabei hatten sich die ersten Ergebnisse der Flugerprobung als recht vielversprechend erwiesen, obwohl das Martin-Muster einige technische Innovationen beinhaltete. Auf der Suche nach einem neuen Angriffsflugzeug hatte sich die US Army Air Force für das Martin-Produkt entschieden und am 23. Mai 1946 den Auftrag zum Bau von zwei Prototypen erteilt. Das zunächst als XA-45 bezeichnete Projekt besaß ungepfeilte Tragflächen und sollte von zwei TG-110-Turboprops sowie zwei J33-Strahltriebwerken angetrieben werden. Noch im selben Jahr änderte die USAAF die Bezeichnung in XB-51 entsprechend der neuen Rolle als leichter Bomber für den Einsatz in mittleren und niedrigen Höhen. Daraufhin überarbeitete Martin den Entwurf und brachte nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland erbeutete Forschungsergebnisse ein. So pfeilten die Konstrukteure die Tragfläche um 35 Grad nach hinten und neigten sie um sechs Grad nach unten. Für den Antrieb sorgten nun drei J47-GE-13-Turbojets von General Electric. Zwei davon waren in Gondeln unter dem vorderen Rumpf angebracht, während das dritte im Heck saß und über einen Einlauf auf dem hinteren Rumpf mit Luft versorgt wurde. Vier Starthilfsraketen mit einem Schub von jeweils 4,45 Kilonewton konnten, wenn gewünscht, die Startleistung verbessern.

Die XB-51 erhielt ein spezielles Tandem-Fahrwerk mit seitlichen Stützrädern.
Skurriles Fahrwerk
Für den Einsatz in niedrigen Flughöhen legten die Ingenieure die Tragfläche möglichst klein aus, um die Anfälligkeit gegen Windböen zu reduzieren. Daraus resultierte eine relativ hohe Flächenbelastung. Treibstoff und Hauptfahrwerk waren im Rumpf untergebracht. Das Tandemfahrwerk mit jeweils zwei großen Rädern ähnelte dabei dem der Boeing B-47 Stratojet. Einziehbare Stützräder an den Tragflächenenden verhinderten ein Umkippen beim Rollen. Diese ungewöhnliche Konstruktion wurde zuvor an einer entsprechend umgebauten Martin B-26 Marauder, der XB-26H, erprobt.
Weitere Besonderheiten lagen im T-Leitwerk und in der Anbringung der Tragfläche. Der Anstellwinkel des gesamten Flügels konnte nämlich während des Fluges in einem Bereich von zwei bis sieben Grad und 30 Minuten verstellt werden. Dabei schwenkte die Tragfläche um ein Lager am hinteren Holm. Vorne war der Flügel an einer hydraulischen Spindel befestigt, die für das Heben oder Senken verantwortlich war. Daher konnte die XB-51 mit einem recht flachen Anstellwinkel landen.
Bewaffnung im Rumpfschacht
Die Besatzung bestand aus einem Piloten und einem Navigator, der das SHORAN-Radio-Navigationssystem bediente. Während ersterer gute Sichtverhältnisse aus einer tropfenförmigen Haube genießen konnte, bestand die einzige Blickmöglichkeit nach draußen für den zweiten Mann aus einem kleinen Fenster auf der rechten Rumpfseite. Trotzdem verfügten beide Besatzungsmitglieder über einen Schleudersitz. Der Zugang erfolgte über eine Luke zwischen den beiden vorderen Triebwerken. Seine Bewaffnung trug der dreistrahlige Bomber in einem Waffenschacht, wobei die Zuladung an der Innenseite der drehbaren Luke angebracht war, ähnlich wie bei der späteren Buccaneer aus Großbritannien. Zusätzlich konnte er noch Außenlasten unter dem Rumpf befördern.
Das Roll-out erfolgte am 4. September 1949 in Middle River, Maryland. Der Erstflug der XB-51 mit der Kennung 46-685 am 28. Oktober 1949 führte von Middle River zur Naval Air Station Patuxent River. Am Steuer saß Martins Cheftestpilot "Pat" Tibbs. Die zweite Maschine (46-686) stieß am 17. April 1950 zur Erprobungskampagne.

Zur Verbesserung der Startleistungen kamen Hilfsraketen zum Einsatz.
Taktische Bomber nicht mehr gefragt
Inzwischen hatte sich die Führung der US Air Force (wie die USAAF ab 1947 hieß) eher auf strategische Bomber konzentriert, da wegen der Nuklearwaffen die Rolle der taktischen Angriffsflugzeuge an Bedeutung zu verlieren schien. Auch die stärker werdenden Sparzwänge im Verteidigungshaushalt vergrößerten nicht gerade die Chancen für einen Serienauftrag der XB-51. Der Koreakrieg zeigte jedoch, dass der USAF ein Flugzeugmuster fehlte, welches nachts Ziele im Tiefflug bekämpfen konnte. Daher suchten die Offiziellen mit hoher Dringlichkeit einen Ersatz für die bis dato zu diesem Zweck eingesetzte Douglas B-26 Invader (die Bezeichnung A-26 wurde nach der Außerdienststellung von Martins B-26 Marauder geändert). Zur Wahl standen die XB-51 und die English Electric Canberra. Obwohl die Geschwindigkeit des US-Produkts fast 180 Kilometer pro Stunde über der des britischen Kandidaten lag, favorisierte das Beschaffungskomitee die Canberra aufgrund ihrer um fast 800 Kilometer größeren Reichweite und längeren Verweildauer über dem Zielgebiet (zweieinhalb gegenüber einer Stunde). Daher fiel im März 1951 die Entscheidung zugunsten der Canberra, die je-doch von Martin in Lizenz gebaut werden sollte.
Absturz bei Kunstflug
Um den Bedarf für einen Nachfolger der B-26 Invader für die Einsätze bei Tag zu decken, griff die USAF-Führung wiederum auf eine Variante eines bereits in Dienst befindlichen Musters zurück. Sie wählte die Douglas B-66 Destroyer als Ableitung der A-3 Skywarrior. Damit hatte die XB-51 keine Berechtigung mehr. Das Programm wurde im November 1951 eingestellt, noch bevor die Air Force die beiden Prototypen offiziell übernommen hatte. Die Abnahme erfolgte erst im Dezember 1951. Anstatt die Jets direkt einzumotten, verwendete die USAF die XB-51 in Edwards für Bombenabwurfversuche bei hohen Geschwindigkeiten. Die 46-685 wurde jedoch schon am 28. Februar 1952 bei einem Landeunfall auf der Wright-Patterson Air Force Base beschädigt. Zu allem Überfluss stürzte die zweite Maschine ab, und zwar am 9. Mai 1952 über Edwards. Sie war wohl während Kunstflugmanövern in der Luft auseinandergebrochen. Der Testpilot kam dabei ums Leben. Die Air Force schätzte jedoch den Nutzen der XB-51 für die Waffenversuche so hoch ein, dass sie die 46-685 auf eigene Kosten reparieren ließ. Während der anschließenden Tests kam der Bomber auch zu seiner Filmrolle als "Gilbert XF-120". Der kuriose Martin-Jet hätte sicher einen Platz in einem Museum verdient gehabt, doch am 25. März verunglückte die letzte XB-51 kurz nach dem Start in Biggs Field bei El Paso, Texas.

Beide gebauten XB-51 stürzten im Lauf ihrer Karriere ab.
Technische Daten
Hersteller: Glenn L. Martin Company, Middle River, USA
Typ: leichter Bomber
Besatzung: Pilot und Navigator
Triebwerke: 3 General Electric J47-GE-3
Leistung: je 25,89 kN
Länge: 25,94 m
Höhe: 5,26 m
Spannweite: 16,19 m
Flügelfläche: 50,91 m²
Leermasse: 13419 kg
max. Startmasse: 28328 kg
Höchstgeschwindigkeit: 1038 km/h in Meereshöhe
Startstrecke: 1818 m bei maximaler Startmasse
Landestrecke: 718 m
Reisegeschwindigkeit: 866 km/h
Aktionsradius: 958 km
Dienstgipfelhöhe: 12620 m
Bewaffnung: 4711 kg Bombenlast, davon 2899 kg im internen Waffenschacht und 1812 kg extern, sowie acht 20-mm-Kanonen im Bug