Dornier Do X
Der erste Jumbo

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Ein gigantisches Flugschiff mit Platz für mehr als 60 Passagiere: Claude Dornier entwickelte vor fast 100 Jahren mit der Do X das erste Großraumflugzeug. Es sollte einen wirtschaftlichen Transatlantikverkehr ermöglichen. Doch es kam anders.

Der erste Jumbo
Foto: US-Navy

Der Erstflug des 40 Meter langen Kolosses war ein Versehen. Eigentlich wollten der Testpilot Richard Wagner und der leitende Ingenieur Heinrich Schulte-Frohlinde am 12. Juli 1929, als das größte Flugzeug seiner Zeit erstmals im schweizerischen Altenrhein zu Wasser gelassen wurde, lediglich die Steuerung der Do X bei etwas höherer Geschwindigkeit auf dem Bodensee erproben und einen zuvor ausgefallenen Motor durch den Fahrtwind wieder in Gang bringen. Doch das 35 Tonnen schwere Flugschiff hob ab, kaum merklich für die Besatzung.

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Für den Flugzeugkonstrukteur Claude Dornier, geistiger Vater der Do X, war der Erstflug einer der größten Momente seines Lebens. Er war überzeugt, dass das riesige Flugschiff eines Tages rentabel über den Ozean fliegen kann, weil mit einem Schlag die "zahlende Last von Flugzeugen ganz außerordentlich gesteigert wird". Doch wie der Erstflug liefen im Rahmen des Do-X-Programms einige Dinge anders als geplant. Die Entwicklung der Do X begann 1926 unter der Projektnummer P 51335. Lange wurden die Arbeiten geheim gehalten, denn das Flugschiff war als Torpedoträger zur Versorgung von U-Booten auf hoher See und als "Gunship" für die Reichsmarine vorgesehen. Militärische Überlegungen lagen auch der Wahl der luftgekühlten Siemens-Jupiter-Sternmotoren zugrunde, die sich im Lauf der Erprobung jedoch als problematisch erwiesen. Unter Dauerbelastung fiel ihre Leistung ab, was durch eine erhöhte Drehzahl kompensiert werden musste. Das führte zu massiven Kühlproblemen, die nicht zufriedenstellend gelöst werden konnten.

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Auf die Öffentlichkeit machte der abgestrebte Eindecker in Ganzmetallbauweise dennoch großen Eindruck. Umso mehr als die Do X am 21. Oktober 1929, beim 42. Versuchsflug, einen inoffiziellen Rekord aufstellte: 159 Passagiere, die meisten davon Werksangehörige der Dornier-Metallbauten GmbH und ihre Familien, sowie zehn Besatzungsmitglieder brachen an diesem Tag mit dem Flugschiff zu einem 40-minütigen Rundflug über den Bodensee auf.

Dornier-Museum
Lange wurde das Projekt um die Do X geheim gehalten, da sie ursprünglich für den militärischen Einsatz entwickelt wurde.

Zulassung

Nach 71 Flügen und einer Gesamtflugzeit von rund 37 Stunden erteilte die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL) der Do X im Februar 1930 die Musterzulassung. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Reichsmarine das Interesse an dem Flugschiff bereits verloren. Das machte im Frühjahr 1930 den Weg frei für die Umrüstung auf zwölf wassergekühlte amerikanische Curtiss Conqueror. Curtiss überließ Dornier die V-Zwölfzylinder-Motoren zunächst leihweise, wohl aus Publicitygründen. Damit standen dem nun intern als Do X 1a bezeichneten Flugschiff 1200 PS Dauerleistung mehr zur Verfügung. Der erste Flug mit neuer Motorisierung fand am 4. August 1930 statt. Neben den Curtiss Conqueror, die wie bisher in sechs Tandemgondeln über den Tragflächen angeordnet waren, erhielt die Do X 1a auch ein luxuriös ausgebautes Passagierdeck. Denn das Flugschiff sollte sein Potenzial auf einem weltumspannenden Reklameflug zeigen.

US-Navy
Die Motorgondeln waren über einen Kriechgang auch im Flug erreichbar.

Die Tour verlief anders als geplant

Die Reise begann am 5. November 1930 auf dem Bodensee und endete 20 Monate später auf dem Müggelsee bei Berlin. Vieles lief anders als geplant: Mehrere Pannen und schlechtes Wetter verzögerten den Sprung über den Atlantik. Erst am 5. Juni 1931 erreichte die 13-köpfige Crew Natal in Brasilien. Doch überall, wo das Flugschiff ankam, faszinierte es die Massen.

Nach 20 Etappen in Südamerika, in der Karibik und an der US-Ostküste landete die Do X am 27. August 1931 im Hafen von New York. Dort wurde der begeisterte Empfang des Riesen jedoch von schlechten Nachrichten aus der Heimat getrübt: Die Weltwirtschaftskrise hatte auch die Dornier-Metallbauten GmbH getroffen, das Unternehmen war so gut wie bankrott. Sämtliche Charter- und Verkaufsverhandlungen für die Do X in den USA scheiterten. Weil das Geld fehlte, ist eine Rückkehr des Flugschiffs nach Deutschland zunächst unmöglich. Es überwintert auf dem Glenn Curtiss Airport (heute LaGuardia-Flughafen).

Mehr als acht Monate nach der umjubelten Ankunft in New York wurde die Do X wieder ins Wasser gelassen und absolvierte mehrere Versuchsflüge. Am 19. Mai 1932 endlich hob sie ab zur Rückkehr über den Atlantik. Fünf Tage später landete sie auf dem Müggelsee bei Berlin und wird auch dort von einem enthusiastischen Publikum empfangen.

Nun ging die Do X auf einen fünfmonatigen Deutschlandflug, in dessen Verlauf hunderttausende Menschen das Flugschiff besichtigten und einige zahlungskräftige Passagiere das Erlebnis eines Rundflugs genossen. Die PR-Tour begann am 23. Juni 1932 in Stettin und endete am 2. November auf dem Zürichsee. Knapp zwei Wochen danach kehrte sie zur Flugzeugwerft nach Altenrhein zurück, wo sie über den Winter generalüberholt wurde.

Dornier-Museum
Auf einer Welttournee, die 1931 bis nach New York führt, zeigte die Dornier Do X ihre luxuriöse Passagierkabine.

Ihr Ende

Im März 1933 wurde die Do X auf Weisung des Reichskommissars der Luftfahrt der Deutschen Luft Hansa zum Betrieb überstellt. Die kündigte einen Europaflug des zwölfmotorigen Riesen im Frühjahr und Sommer an; der jedoch nahm ein jähes Ende auf der Donau bei Passau. Flugkapitän Horst Merz, der bereits bei den Transatlantikflügen als Erster Flugzeugführer zur Besatzung gehörte, legte am 9. Mai eine "Schwanzlandung" hin, bei der das Leitwerk abbrach. Die Schäden konnten zwar repariert werden, doch das Ende der Do X war besiegelt. Für innereuropäische Flüge zu groß, für den Transatlantikverkehr zu klein: Mit einer Kapazität von 66 Sitzen und wenig zusätzlicher Nutzlast, einer 14-köpfigen Besatzung und zwölf durstigen Kolbenmotoren war ein wirtschaftlicher Betrieb unmöglich.

1934 wurde die Do X 1a in Travemünde demontiert und nach Berlin verschifft, wo sie einen Platz im entstehenden Museum der Deutschen Luftfahrtsammlung fand. Während des Zweiten Weltkriegs wurde sie im Frühjahr 1944 schwer beschädigt, übrig blieb nur ein Haufen Duraluminium-Schrott. Auch die beiden anderen für Italien gebauten und Anfang der 1930er Jahre ausgelieferten Exemplare Do X2 und X3 (mit Fiat-A22-RT-Motoren) haben nicht über- lebt. Sie wurden 1937 in La Spezia- Cadimare verschrottet.

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Erscheinungsdatum 26.08.2023