Nur um knapp sechs Monate verpasste die de Havilland Vampire die Ehre, das erste britische strahlgetriebene Jagdflugzeug zu werden. Die Gloster Meteor genoss höhere Priorität und ging schon im Juli 1944 in den Kriegseinsatz. De Havilland setzte bei seiner Düsenjetpremiere auf das Triebwerk H 1A. Frank Bernard Halford hatte es in Konkurrenz zum Entwurf von Frank Whittle konstruiert. Dessen W 2 sollte die Meteor antreiben, das Triebwerk litt aber unter Zuverlässigkeitsproblemen. Daher flog das H 1A zuerst im zweiten Prototyp der Meteor. Erst am 20. September 1943 startete Geoffrey de Havilland Junior mit dem Prototyp der Vampire (Kennung LZ548/G) von der Piste in Hatfield zum Erstflug.
Da andere Flugzeuge Vorrang hatten, waren vom Beginn der detaillierten Entwick-lung bis zum Jungfernflug damals ungewöhnlich lange 16 Monate vergangen. Die Spezifikation E.6/41 hatte einen knapp 790 km/h schnellen Jet mit einer Bewaffnung von vier 20-mm-Kanonen gefordert. Pilot, Bewaffnung und Triebwerk sollten in einer kompakten Gondel untergebracht werden. Auf diese Weise wollten die Ingenieure so wenig Schub wie möglich verlieren. Lange Schubrohre hätten die ohnehin nicht besonders leistungsstarken Aggregate geschwächt. Um das Gewicht zu reduzieren, entschied sich de Havilland, in der Cockpitsektion Balsa- und Sperrholz anzuwenden. Der Rest der Zelle bestand aus Metall. Hinter dem Führerraum war die ebenfalls von de Havilland gebaute Strahlturbine Goblin 1 (Serienversion des H 1A) untergebracht. Das Höhenleitwerk fand zwischen zwei Heckauslegern Platz.
Premiere bei der Siegesparade über London

Der zweite Prototyp (LZ551/G) besaß bereits die aus vier 20-mm-Kanonen von Hispano bestehende Bewaffnung und wurde 1944 von der Forschungseinrichtung Aeroplane and Armament Experimental Establishment (A&AEE) in Boscombe Down bewertet. Gute Flugeigenschaften in niedrigen Höhen standen einer mäßigen Beschleunigung im Geradeausflug und einer mangelnden Seiteninstabilität gegenüber. Da de Havilland mit der Produktion der Hornet und der Mosquito ausgelastet war, übernahm English Electric die nötigen Modifikationen. Am 13. Mai 1944 bekam die Firma den Auftrag zum Bau von 120 Vampire F Mk I in Preston. Die Menge wurde wenig später auf 300 erhöht. Die erste Serienmaschine (TG274/G) startete am 20. April 1945 in Samlesbury zu ihrem Jungfernflug. Die ersten 40 Maschinen dienten vor allem der Einsatzerprobung. In Dienst ging die Vampire im März 1946 bei der No. 274 Squadron in Chilbolton. Die Staffel sorgte auch für die öffentliche Premiere des neuen Jets: Sie nahm an der Siegesfeier am 8. Juni 1946 mit einem Überflug über London teil. Ab 1946 kam das Muster auch bei der Second Tactical Air Force in Deutschland zum Einsatz: zunächst in Wunstorf, dann in Gütersloh.
Gleichzeitig lief in Großbritannien die Weiterentwicklung. John Cunningham erzielte mit der Vampire am 23. März 1948 mit einer Flughöhe von 18120 Metern einen neuen Weltrekord. Das Flugzeug (Kennung TG278) besaß eine vergrößerte Spannweite und den neuen Ghost-Antrieb. Aus der geplanten Bezeichnung Vampire Mk 8 wurde schließlich die DH 112 Venom. Weitere Jäger- und Jagdbomberversionen der Vampire gingen in Serie.
Erster Jet auf einem Flugzeugträger

Eine Premiere feierte der Jäger auch über See. Die Royal Navy hatte schon früh Interesse an dem Jäger gezeigt und ließ den zweiten Prototyp mit um 40 Prozent vergrößerten Landeklappen und einem Fanghaken ausstatten. Testpilot Eric Brown startete am 3. Dezember 1945 von der HMS „Ocean“ mit der nun Sea Vampire genannten Maschine zum ersten Flug eines Strahlflugzeugs überhaupt von einem Trägerdeck aus.
Für eine Version als Nachtjäger integrierte de Havilland das Cockpit der Mosquito mit den zwei nebeneinander angeordneten Sitzen in die Vampire, da der Rumpfdurchmesser beider Muster in diesem Bereich ähnlich war. Auf der Basis dieser NF Mk 10 entwickelte das Unternehmen mit eigenen Mitteln eine Variante als Trainer. Die DH 115 absolvierte ihren Erstflug am 15. November 1950 in Christchurch. Die Initiative sollte sich lohnen: Insgesamt wurden 804 Trainer gebaut und in mehr als 20 Ländern geflogen.
Zuvor hatte die Royal Air Force reichlich Werbung für ihren „Blutsauger“ gemacht: Im Juli 1948 überquerten sechs Vampires der No. 54 Squadron als erste Jäger mit Strahlantrieb den Atlantik, um in den USA und Kanada an verschiedenen Shows und Übungen teilzunehmen. Ihre Amerikatournee begann auf dem heutigen JFK-Flughafen von New York. Die Einfachheit und Erschwinglichkeit der Vampire ermöglichte vielen Nationen den Einstieg ins Jetzeitalter. Die Schweiz kaufte zunächst vier Vampire F Mk I und 75 FB Mk 6. Schweden beschaffte 70 Vampire Mk I, sie wurden ab März 1946 geliefert. Zahlreiche weitere Kunden folgten. Australien, Frankreich (Sud-Est SE 535 Mistral), Italien (Fiat und Macchi) und die Schweiz produzierten den Typ in Lizenz. Die Fertigung der Vampire in Großbritannien endete im Dezember 1953 nach mehr als 2100 Exemplaren, von denen fast 1000 exportiert worden waren. Hinzu kamen 1100 in Lizenz produzierte Vampires. Die Schweizer Exemplare flogen sogar noch bis 1990 im aktiven Dienst.
Zahlreiche Versionen gebaut





DH 100: drei Prototypen (Kennungen LZ548/G, LZ551/G und MP838/G)
Vampire F Mk I: Serienversion (244 Exemplare)
Vampire II: Drei frühe Serienmaschinen (TG276, TG280 und TX807) wurden mit Nene-1-Triebwerken von Rolls-Royce ausgerüstet und besaßen zusätzliche Lufteinlässe auf dem Rumpfrücken.
Vampire III: Ausstattung mit Zusatztanks (dazu mussten Steuerflächen modifiziert wer-den), Höhenleitwerk tiefer positioniert. Erstflug am 4. November 1946.
Vampire F Mk 3: Serienversion der Vampire III (nach einer Bezeichnungsreform wurden nun arabische Ziffern verwendet). 202 Flugzeuge wurden gebaut.
Vampire FB Mk 25: Für Neuseeland gebaute Flugzeuge.
Vampire F Mk 30: 80 in Australien gebaute Flugzeuge. Später wurden einige zu Jagd-bombern FB Mk 31 umgerüstet.
Vampire FB Mk 5: Jagdbombervariante mit verstärkter Tragfläche, verkürzter Spannweite und überarbeitetem Fahrwerk. Erstflug am 23. Juni 1948. Mit 930 Jets die meistgebaute Version.
Vampire FB Mk 6: Version für die Schweiz (175 Exemplare).
Vampire FB Mk 9: Umrüstung der FB Mk 5 mit Klimaanlage im Cockpit für den Einsatz in tropischen Regionen. Letzte einsitzige Variante der RAF.
Vampire FB Mk 50: 145 Maschinen für Schweden.
Vampire FB Mk 52: Exportversion für Ägypten, Finnland, Irak, Libanon, Norwegen und Venezuela.
Vampire NF Mk 10: Nachtjäger mit nebeneinander angeordneten Sitzen. Erstflug am 28. August 1949. 95 Stück gebaut, davon gingen später einige als NF Mk 54 an Indien und Italien.
Vampire T Mk 11: Trainer bei der RAF.
Vampire T Mk 33, 34 und 35: Trainer für Australien.
Vampire T Mk 55: Trainer für den Export.
Sea Vampire F Mk 20: zwei Prototypen und 18 Serienmaschinen für die Royal Navy. Für Trägereinsätze überarbeitete FB Mk 5.
Sea Vampire T Mk 11: Trainer für die Royal Navy (73 Flugzeuge).
SE 535 Mistral: französische Version mit Nene-Triebwerk und vergrößerten Lufteinläufen.
FLUG REVUE Ausgabe 09/2013