Der Motorflugplatz Johannisthal-Adlershof im Morgengrauen des 19. August 1911. Siegfried Hoffmann steigt in die von der "Berliner Morgenpost" gemietete Harlan und hebt mit Leutnant Hans Steffen, der als Navigator fungiert, sowie einer Kiste Morgenzeitungen ab in Richtung Frankfurt an der Oder. Dort landet er, wie die Presse wenig später meldet, nach 38 Minuten und 52 Sekunden Flugzeit.

Schneller als die Eisenbahn
Damit war Hoffmann eine Stunde schneller als die Eisenbahn, die nicht nur als Orientierungspunkt in Sachen Navigation galt, und hatte gleichzeitig das erste Kapitel der deutschen Luftfrachtgeschichte aufgeschlagen. Dank ihrem Etikett "Mittels Flugmaschine befördert" war die "Berliner Morgenpost" an diesem Tag besonders begehrt. Hoffmanns Flug war eher eine Werbemaßnahme als der ernsthafte Versuch, einem neuen Wirtschaftszweig zur Blüte zu verhelfen. Den Gedanken an einen täglichen Lufttransport verwarf die "Morgenpost" unter Verweis auf die unregelmäßigen Windverhältnisse.

Luftpost als Schwerpunkt
Nennenswerte Luftfrachtunternehmen wie die "Deutsche Luft-Reederei" entstanden erst mit der Zeit, in der Spätphase des Ersten Weltkrieges bis Anfang der 1920er Jahre. Weiterhin stand der Transport von Zeitungen und von Luftpost im Mittelpunkt. So liebäugelte der Ullstein-Verlag 1925 mit dem Gedanken, einen Konstruktionswettbewerb für ein Zeitungstransportflugzeug auszuschreiben. Ein Frachtflugzeug mit 400 Kilogramm Nutzlast, hoher Geschwindigkeit, kurzen Start- und Landestrecken sowie mit einer speziellen Zeitungsabwurfvorrichtung sollte die Zweckentfremdung von Passagiermaschinen beenden.
Die Luft Hansa steigt ein
Anfang April 1926 nahmen schließlich drei Zeitungsflugzeuge, die BZ I, BZ II und BZ III, ihren Dienst für Ullstein auf. Es handelte sich um Konstruktionen von Albatros und Heinkel. Diese Maschinen wurden auch an ein neu gegründetes Unternehmen vermietet, das den Zeitungstransporteuren bald den Rang ablaufen sollte: die Deutsche Luft Hansa AG. Sie ging aus einem von der Reichsregierung gesteuerten Zusammenschluss der "Deutschen Aero Lloyd AG" und der "Junkers-Luftverkehrs AG" hervor.

Expansion dank "Tante Ju"
1926, im Jahr ihrer Gründung, transportierte die Luft Hansa bereits 258 Tonnen Fracht. 1928 richtete sie den ersten Luftfracht-Spezialdienst ein und erschloss Frachtstrecken wie Berlin-Hannover-Essen/Mülheim-Köln-London. Ihrem Bedarf an leistungsfähigen Maschinen mit geeignetem Laderaum verdankte nicht zuletzt eine Flugzeuglegende ihre Entstehung: die Junkers Ju 52. Sie startete am 11. September 1930 zu ihrem Jungfernflug. Zwei Jahre später ging die mit drei Sternmotoren ausgerüstete Ju 52/3m in die Serienproduktion. Der Großteil der ausgelieferten Flugzeuge fand im militärischen Lufttransport weltweit Verwendung. Auch im zivilen Bereich bewährte sich die "Tante Ju". Sie bildete das Rückgrat für den 1934 eröffneten Luftpostdienst nach Südamerika und den Ausbau des Streckennetzes in Asien und Afrika.
Vom PR-Coup zum Wachstumsmarkt
Nach der Aufhebung des alliierten Flugverbots begann die neugegründete Deutsche Lufthansa AG 1956 wieder mit der Durchführung von Frachtflügen. Das Tochterunternehmen Lufthansa Cargo ist heute mit weltweit rund 4500 Mitarbeitern Deutschlands größte Frachtairline. Der PR-Coup einer Berliner Zeitung hat sich zu einer boomenden Branche mit zentraler Bedeutung für den Welthandel entwickelt.