In den späten 1920er-Jahren begann man im Reichswehrministerium – aus Tarnungsgründen in Zusammenarbeit mit dem Reichsverkehrsministerium – ein Konzept für ein zweimotoriges Schwimmer-Mehrzweckflugzeug für die Reichsmarine zu ent- wickeln. Dieses sollte neben dem Einsatz als Seeaufklärer auch als konventioneller und Torpedobomber sowie als Minenleger dienen. Der Entwicklungsauftrag hierfür wurde an die Ernst Heinkel Flugzeugwerke in Rostock vergeben. Diese hatten sich seit Beginn des Jahrzehnts einen Ruf als erfahrene Seeflugzeugbauer aufgebaut und eine Reihe erfolgreicher Schwimmerflugzeugtypen für zivile Einsatzzwecke sowie für ausländische Luftstreitkräfte produziert.

Eine He 59 im tiefen Überflug.
Entwicklung und Bau
Heinkel legte einen konventionellen Entwurf vor, der dem damaligen Stand der Zeit entsprach. Der Rumpf bestand aus einem geschweißten Stahlrohrgerüst, das mit Holzformern seine bedingt aerodynamische Form erhielt und stoffbespannt war. Ausnahme war die Kanzel des Beobachters im Rumpfbug, die als moderne Leichtmetallkonstruktion ausgelegt war. Die Tragflügel waren stoffbespannte Holzkonstruktionen. Als Glücksfall erwies sich, dass die zuständigen Marinestellen damals ein großzügiges Raumangebot im Rumpf forderten, das später maßgeblich zur Eignung des Typs als Seenotrettungsflugzeug beitrug und so dessen Langlebigkeit ermöglichte. Angetrieben wurde die zunächst noch als HD 59 bezeichnete Maschine von zwei Reihenmotoren BMW VI, die in Gondeln zwischen den Tragflächen montiert wurden. Neben einem Spornradfahrwerk, das allerdings nur in der Frühphase der Erprobung genutzt wurde, hatte Heinkel ein sehr stabiles Schwimmwerk entwickelt, in dem sich Kraftstofftanks sowie Behälter zur Aufnahme der Seeausrüstung befanden. Nach dem Erstflug im September 1931 begann zunächst die Erprobung als Landflugzeug HD 59b, unter anderem an der geheimen Erprobungsstätte der Reichswehr in Lipezk in der Sowjetunion. Diese verlief ohne größere Schwierigkeiten, sodass man den Typ 1933 zur Serienfertigung freigab. Da Heinkel mit anderen Projekten ausgelastet war, fand diese überwiegend bei Arado in Warnemünde statt, verlief aber auch hier eher schleppend. Im September 1938 waren gerade einmal 37 Maschinen bei der Luftwaffe vorhanden. Immerhin konnte die Rate dann etwas gesteigert werden – 166 Maschinen wurden letztendlich an die Luftwaffe ausgeliefert.

Startvorbereitungen an einer He 59 des Seenotflugkommandos 2 in List.
Einsatz in Spanien
Ihre Feuertaufe erlebte die He 59 – wie so viele deutsche Einsatzmuster – bei der Legion Condor in Spanien, wo rund drei Dutzend Maschinen bei der Aufklärungsstaffel See 88 (AS/88) flogen. Bereits hier zeigte sich, dass der große Doppeldecker zu diesem Zeitpunkt veraltet und insbesondere tagsüber eine relativ leichte Beute selbst für die Polikarpow I-15 und Dewoitine D.510 der republikanischen Luftwaffe waren. In Deutschland flog die He 59 bei einer Reihe von Küstenfliegergruppen bis zum Jahr 1940, als sie sukzessive vom Nachfolgemuster He 115 abgelöst wurde. Ihre Aufgaben bestanden aus Minenlegen, Geleitschutz- und U-Bootsicherung sowie Aufklärung über Nord- und Ostsee. Maßgeblich beteiligt waren die Maschinen auch am Unternehmen Weserübung, dem Überfall auf Dänemark und Norwegen, wo sich die geräumigen Schwimmerflugzeuge sehr gut bei Transportaufgaben in den Fjorden Norwegens bewährten. Ein weiterer spektakulärer Erfolg gelang zwölf He 59, die im Mai 1940 in der 3. Staffel/Kampfgruppe z.b.V. 108, nach ihrem Kommandeur auch Sonderstaffel Schwilden genannt, zusammengefasst worden waren. In den ersten Stunden des Überfalls auf die Niederlande landeten die Maschinen direkt im Hafen von Rotterdam und setzten Sturmtruppen ab, denen es gelang, mehrere strategisch wichtige Brücken im Handstreich zu nehmen. Vier der zwölf eingesetzten Maschinen gingen dabei verloren. Auch Finnland setzte später kurzzeitig mehrere He 59 zum Absetzen von Fernspähern ein.

Die D-ASUO wurde am 9. Juli 1940 von einem Piloten der No. 54 Squadron über der Straße von Dover zur Landung gezwungen.
Bestimmung gefunden
Ihre eigentliche Bestimmung fand die veraltete Heinkel He 59 aber in einer Aufgabe, die ihr ursprünglich gar nicht zugedacht gewesen war: der Seenotrettung. In der Aufbauphase der Luftwaffe war dieses Thema eher stiefmütterlich behandelt worden. Da vor allem Seeflugzeuge mit Motorschaden aus Seenot zu retten waren, hatte man es bei diversen Flugbetriebs- und -Sicherungsschiffen belassen. Flugzeuge kamen meist lediglich bei der Suche nach vermissten Maschinen zum Einsatz. Spätestens aber zu Beginn des Zweiten Weltkriegs war offensichtlich, dass auch Landflug- zeuge in großer Zahl über See operieren würden und im Falle einer Notwasserung schnelle Hilfe geboten war. Ein speziell für die Seenotrettung ausgerüstetes Wasserflugzeug wurde also dringend benötigt. So vergab man 1939 einen Auftrag an die Firma Bachmann in Ribnitz, Mecklenburg, die bereits in die Fertigung der He 59 eingebunden war sowie als Ersatzteillieferant und Reparaturwerk diente, 14 He 59 für die neue Aufgabe umzurüsten. Hierfür schuf man Platz, indem man einige Kraftstofftanks entfernte, eine Winde sowie eine Leiter im ehemaligen C-Stand unter dem Rumpf installierte und die Maschinen mit Seenotmaterial und Rettungsausrüstung ausstattete, darunter elektrisch beheizbare Schlafsäcke zur Erwärmung von unterkühlten Patienten, Equipment zur Wiederbelebung und Proviant. Die He 59 N, wie die Seenotversion bezeichnet wurde, wurden der im Juni 1939 aufgestellten 1. Seenotstaffel zugewiesen, wo sie sich schnell bewährten. Bald folgten weitere Umrüstaufträge, denn mit den Erfolgen der Wehrmacht weitete sich das von der Luftwaffe zu sichernde Seegebiet schnell aus, und He 59 waren bald in allen Meeren rund um Europa im Einsatz – vom Nordkap über die Kanalküste und das Mittelmeer bis hin zum Schwarzen Meer. Zudem mussten Verluste ersetzt werden, denn anders als von der Luftwaffe angenommen, waren Seenotrettungsflugzeuge (im Unterschied zu den hinter der Front operierenden Sanitätsflugzeugen) nicht durch das humanitäre Völkerrecht geschützt. Die zunächst weiß mit rotem Kreuz markierten, unbewaffneten Maschinen wurden von der RAF angegriffen und bald wieder eingetarnt und mit einer Abwehrbewaffnung versehen.

Zwei He 59 der Seenotstaffel in Stavanger, hinten eine Maschine mit rundem Bug der Version C/N.
Kriegsende
Doch auch ohne Feindeinwirkung war der Verschleiß im Seenoteinsatz, bei dem Außenlandungen auf offenem Meer an der Tagesordnung waren, hoch. Dementsprechend nahm die Anzahl der noch im Einsatz stehenden He 59 nach und nach ab. Ende 1942 waren die Ersatzteilversorgung und der Reparaturbetrieb eingestellt worden, bis Mitte 1943 waren alle Maschinen aus dem Dienst verschwunden – als eines der letzten Muster, das noch zu Reichswehrzeiten konzipiert worden war und sich im Einsatz als flexibel und robust erwiesen hatte.