Jäger und Jagdbomber
Westland Whirlwind

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Der mit vier 20-mm-Maschinenkanonen im Bug schwer bewaffnete Langstreckenjäger Westland Whirlwind entstand im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs in Großbritannien.

Westland Whirlwind

Der britische Air Marshal Hugh Dowding hatte vorhergesagt, dass die schon projektierten Hurricane und Spitfire zur Bekämpfung der gepanzerten und gut bewaffneten deutschen Bomberverbände nicht ausreichen würden. Deshalb sollte die zweimotorige Westland Whirlwind erstmals vier Hispano-Suiza-Type-202-Bordkanonen aus Frankreich nutzen, wie sie auch in der französischen Morane 406 verwendet wurden. Die sehr hohe Mündungsgeschwindigkeit von 860 m/s verlieh ihren Geschossen eine stärkere Durchschlagskraft als anderen Waffen des gleichen Kalibers. Die Trefferwirkung eines typischen, nur zwei Sekunden langen Feuerstoßes musste ausreichen, um einen Bomber abzuschießen, so die Vorgabe.

Weil sich die Briten aber grundsätzlich nicht von ausländischen Waffenlieferanten abhängig machen wollten, die eigenen britischen Waffenschmieden von Vickers und BSA aber schon voll ausgelastet waren, gründete Hispano-Suiza eigens eine britische Tochter unter dem Tarnnamen „The British Manufacturing and Research Company“, um die gewünschten Rohrwaffen direkt in England zu produzieren.

Die Whirlwind geht auf die Ausschreibung F.37/35 des britischen Luftfahrtministeriums zurück, die ursprünglich einen schnellen und hoch fliegenden, einsitzigen und einmotorigen Abfangjäger für Tages- und Nachteinsätze verlangt hatte. Gefordert waren schnelle 530 km/h Geschwindigkeit in 4600 Metern Höhe. Trotzdem wurden auch zweimotorige Entwürfe zugelassen.

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Auswahlverfahren

Schon der zweite Prototyp erhielt ein stark vergrößertes Seitenruder. Foto und Copyright: KL-Dokumentation

Westland nahm deshalb im Sommer 1936 auch mit dem zweimotorigen Entwurf P.9 teil, den ein Team um Arthur Davenport unter der Leitung von Edward Petter verantwortete. Maximale Feuerkraft, minimale Stirnfläche und optimale Sicht durch eine Vollsichthaube – dies waren die Merkmale des schlanken Entwurfs mit Einziehfahrwerk und Verstellpropeller. Als Antriebe wurden zwei Rolls-Royce Peregrine vorgesehen, flüssigkeitsgekühlte Zwölfzylinder-Reihenmotoren mit 885 PS. Ihre Ölkühler wurden strömungsgünstig in den inneren Flügelnasen eingebaut.

Obwohl die elegant durchkonstruierte und innovative P.9 mit 27500 Pfund Stückpreis und mindestens zwei Jahren Vorlaufzeit bis zum Bau am Ende des Bewerberfeldes lag, erhielt sie Anfang 1937 den Zuschlag des Air Ministry. Am 11. Februar 1937 wurden die beiden ersten Flugzeuge L6844 und L6845 bestellt. Als Exot unter den Jäger-Bewerberteams erhielt Westland allerdings zunächst noch keinen Vertrag zur Massenproduktion. Erst nach der Erprobung der Prototypen sollte bestellt werden. Dies verzögerte das ganze Programm empfindlich. Ende September 1938 wurde das erste Flugzeug in Yeovil fertig, und ab Oktober begannen Bodentests. Am 11. Oktober hob Testpilot Harald Penrose bei Bodentests in Boscombe Down erstmals ungeplant ab.

Die P.9 offenbarte zahlreiche Mängel und Schwächen. Ihre erste Leitwerksform mit Endscheiben musste geändert werden, weil Luftwirbel hinter dem Flügel und hinter den großen Fowlerklappen das Leitwerk zum Schütteln brachten. Das unerprobte Triebwerk neigte zum Überhitzen, die automatischen Vorflügel fuhren jeweils mit hartem Schlag aus und konnten dabei blockieren, und die Steuerung war teils schwammig und teils zu fest. Über 250 Änderungswünsche wurden noch vor dem Baubeginn des zweiten Prototyps ausgemacht. Dennoch erging nun endlich der erste Serienauftrag für 200 Flugzeuge. Immerhin wurde die exotische und feuergefährliche Abgasführung mit Rohrleitungen im Tank durch außen liegende Auspuffrohre ersetzt. Jeder Flügeltank versorgte nur „sein“ Triebwerk. Eine Verbindung beider Tanks zur Querversorgung war nicht vorgesehen.

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"Whirlibomber"

Diese Whirlwind-Formation verdeutlicht die sehr schlanke Silhouette des Jägers. Foto und Copyright: KL-Dokumentation

Logistisches Hauptproblem der Whirlwind war die schlechte Verfügbarkeit der Peregrine-Triebwerke. Insbesondere deren spezielle Hobson-Vergaser waren Mangelware. Der Hersteller Rolls-Royce war schon mit der Produktion der kriegswichtigen Merlin-Varianten und mit dem Vulture und der Griffon-Entwicklung voll ausgelastet. Kurz vor dem Kriegsausbruch 1939 kündigte Rolls-Royce sogar an, das Peregrine-Triebwerksprogramm komplett einstellen zu wollen, woraufhin das Air Ministry seinen ehemals festen Whirlwind-Auftrag für 200 Exemplare widerrief, bevor man schließlich doch noch wenigstens 114 Flugzeuge in Auftrag gab.

Am 22. Mai 1940 startete das erste Serienflugzeug zum Erstflug, volle fünf Jahre nach der Ausschreibung. Die No. 5 Squadron in Drem, das zwischenzeitlich mit der Hurricane ausgestattet worden war, wurde das erste Einsatzgeschwader der Whirlwind. Der erste „vermutete“ Abschuss einer Ju 88 über den Scilly-Inseln gelang Pilot Officer Stein am 12. Januar 1941. Am 8. Februar wurde eine Ar 196 „bestätigt“ abgeschossen.

Die im Tiefflug sehr schnelle Whirlwind bewährte sich als Tiefflugjäger bei Flugplatzangriffen in Frankreich, die später bis Belgien und Köln erweitert wurden. Auch die No. 137 Squadron in Charmy Down setzte ab Oktober 1941 Whirlwinds ein. Neben Küstenpatrouillen standen hier eigene Bombereskorten und Angriffe auf die Jägerbegleitung der deutschen Kriegsschiffe „Scharnhorst“, „Gneisenau“ und „Prinz Eugen“ auf dem Programm. Dabei wurden vier Whirlwinds abgeschossen.

Ab September 1942 erhielt die Whirlwind Mk-III-Bombenträger und wurde inoffiziell zum „Whirlibomber“ umgetauft. Mit der starken Bewaffnung wurde die Whirlwind als Tiefflugbomber auf Gelegenheitsziele am Ärmelkanal und in dessen Hinterland angesetzt.

Im Juni 1943 rüstete die No. 137 Squadron auf Hurricanes um. Die No. 263 Squadron flog die Whirlwind noch bis Jahresende. Dann machten sich, zwei Jahre nach dem Ende der Produktion, die nur von 1937 bis 1941 gedauert hatte und ohne Nachfolgeauftrag geblieben war, Verschleiß und Verluste so stark bemerkbar, dass die Whirlwind ausgemustert wurde. Nur 116 Flugzeuge waren produziert worden. Das fortschrittliche Flugzeug von Jäger-Neuling Westland war Opfer seines zähflüssigen Beschaffungsprozesses geworden, an dem die britischen Jäger-Konkurrenten im Flugzeugbau ihren Anteil gehabt haben dürften. Nach dem Krieg benannte Westland eines seiner Hubschrauberprogramme noch einmal nach seinem seinerzeit vielversprechenden Jäger.

Technische Daten

Wegen ihrer Wendigkeit in niedrigen Höhen wurde die Whirlwind schließlich in eine neue Rolle als tief fliegender Jagdbomber, Spitzname „Whirlibomber“, versetzt. Foto und Copyright: KL-Dokumentation

Westland Whirlwind
Zweimotoriger Jäger und Jagdbomber

Besatzung: ein Pilot
Antrieb: zwei flüssigkeitsgekühlte Zwölfzylinder-V-Motoren Rolls-Royce Peregrine I mit Supercharger und de-Havilland-Dreiblatt-Verstellpropeller
Länge: 9,83 m
Spannweite: 13,72 m
Flügelfläche: 23,22 m²
Kraftstoffvorrat: intern 608 l, keine
Zusatztanks möglich
Höchstgeschwindigkeit: 488 km/h auf Meereshöhe, 570 km/h in 4800 m Höhe
Steigzeit auf 6100 m Höhe: 8 min, 12 s
Dienstgipfelhöhe: 9240 m
Reichweite: 1280 km (praktischer Einsatzradius im Tiefflug mit Jägerprofil: 240 km)
Bewaffnung: vier Bordkanonen Hispano Mk 1 oder Mk 2, Kal. 20 mm, später auch noch zwei Bomben à 113 kg oder 226 kg unter den Flügeln

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