Legendäre Flugmotoren: Die große Familie des Schwezow M-11

Legendärer Flugmotor Schwezow M-11
Erfolgs-Sternmotor - Die große Familie des M-11

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Veröffentlicht am 15.09.2024

Ende 1923 veröffentlichte das Amt der sowjetischen Luftstreitkräfte eine Ausschreibung für einen luftgekühlten, 100 PS starken Motor, der für Schulflugzeuge genutzt werden sollte. Erforderlich waren ein geringes Verdichtungsverhältnis (Nutzung von günstigem Benzin) sowie die auf ein Minimum beschränkte Verwendung von importierten Materialien und Aggregaten. Die Bauweise war nicht vorgegeben, es durfte nur kein Umlaufmotor sein.

Auftragsvergabe

Der sowjetische Luftfahrtindustrieverband Aviatrest verließ sich bei dieser Ausschreibung auf das NAMI, das wissenschaftliche Automotoren-Institut. Die Designentscheidung für den neuen Antrieb, der die Bezeichnung NAMI-100 erhielt, fiel in dieser Forschungseinrichtung zugunsten eines Fünfzylinder-Sternmotors. Das Projekt wurde zum 1. Februar 1925 abgeschlossen. Das NAMI besaß damals jedoch keine eigenen Produktionsstätten. So suchte man nach einer Fabrik, die die entsprechenden Muster herstellen konnte. Aus eigener Initiative beteiligte sich auch die Entwicklungsabteilung des Moskauer Werkes GAZ-4 "Motor" an der Ausschreibung (GAZ = Gosudarstwennij AviaZawod, deutsch: Staatliches Flugzeugwerk). Eine Notiz am Rande ist, dass in dieser Abteilung nur acht Konstrukteure arbeiteten. In diesem staatlichen Flugzeugwerk wurden Mitte 1924 die ersten Ansätze für den M-100-Motor entworfen. Am 27. September erfolgte der offizielle Auftrag für den Entwurf des neuen Motors vom Amt der Luftstreitkräfte. Die Entwicklungsabteilung des Werkes hatte keinen eigenen Vorgesetzten und standunter der Leitung des Chefingenieurs Arkadi Schwezow. Inoffiziell galt Nikolai Okromeschko als Kopf der kleinen Abteilung; er war jedoch kein Konstrukteur, sondern Fachmann für Metall.

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Wahl fiel auf Fünfzylinder-Stern-Variante

Infrage kamen mehrere Varianten in unterschiedlicher Bauweise, unter anderem mit vier Zylindern. Eine der Möglichkeiten bestand darin, die vier Zylinder als zwei parallel zueinanderstehende Paare anzuordnen und die Antriebsbewegung über Zahnräder auf die Hauptwelle zu übertragen. Von dieser Variante rückte man jedoch aufgrund der hohen Komplexität der dadurch entstehenden Konstruktion ab. Eine Alternative, die kreuzweise Anordnung der vier Zylinder, wurde aufgrund von Gleichgewichtsproblemen und auftretenden Unwuchten verworfen. Schließlich entschied man sich für die Fünfzylinder-Stern-Variante mit in Deutschland hergestellten Kugellagern an der Kurbelwelle und am Hauptpleuel. Im Dezember 1924 verabschiedete man sich von der Nockenscheibe zugunsten der individuellen Nockenwellen für jedes Ventil. Diese Nockenwellen befanden sich im Kurbelgehäuse. Stößel, Stangen und Hebel wurden von den Nockenwellen angetrieben und leiteten ihre Bewegung weiter. Dieser für Sternmotoren recht ungewöhnliche Ansatz versprach eine flexiblere Regulierung der Gaswechselsteuerung. Die Zylinderlaufbuchsen sollten ursprünglich aus Aluminium gefertigt werden, dies wurde allerdings nicht umgesetzt. Man befürchtete, dass der Herstellungsprozess hierdurch unnötig verkompliziert würde. Das Projekt M-100 wurde nur einen Monat später als NAMI-100 abgeschlossen. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Amt der Luftstreitkräfte den Motoren neue Bezeichnungen zugewiesen: So wurde aus dem NAMI-100 des wissenschaftlichen Automotoren-Instituts der M-12, und der M-100- Motor des Moskauer GAZ-4-Werkes erhielt die Bezeichnung M-11.

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Erste Testläufe

An der Seite von Schwezow und Okromeschko vom GAZ-4-Werk stand das zu dem damaligen Zeitpunkt größte Motorenwerk der Sowjetunion. Dies verschaffte dem Team einen deutlichen Wettbewerbsvorteil: Die Entwürfe konnten in viel kürzerer Zeit als Musterstücke gebaut werden als die der Konkurrenz. Am 4. November 1925 begannen die Betriebstests des neuen Motors. Dieser lieferte 112 bis 115 PS ab. Die Zylinder des Prototyps erwärmten sich allerdings sehr stark, und der tatsächliche Benzin- und Ölverbrauch überstiegen die erwarteten Werte. Zuerst funktionierte die Magnetzündung nicht, die aus einem Magnetanlasser eines Sechszylinder-Motors umgebaut worden war. Anschließend ging die zwecks Leistungsermittlung anstelle des Propellers montierte Luftwirbelbremse/Propellerbremse kaputt und beschädigte die Kurbelwelle. Dennoch stellte man weitere vier Exemplare des Motors her. Diese unterschieden sich geringfügig, verfügten aber alle über ein kugelgelagertes Hauptpleuel. Ferner wurden neue Magnetanlasser aus Deutschland importiert. Die Prüfstandtests des NAMI-M-12-Motors erfolgten erst am 17. März 1926 und offenbarten gleich mehrere konstruktive Mängel. Die Konkurrenz aus dem Hause GAZ-4 sorgte für Zeitdruck, denn bereits im August desselben Jahres absolvierte einer der M-11 alle werksseitigen Versuchsprüfungen. Dieses Exemplar verfügte über abnehmbare, mit Gewinde befestigte Zylinderköpfe. Diese Neuerung fand später Einzug in alle M-11-Motoren.

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Erster in Serie produzierter Flugmotor der UdSSR

Das Amt der Luftstreitkräfte ordnete die Produktion einiger M-11 und M-12 in der Fabrik GAZ-9 (spätere Bezeichnung: Werk-Nr. 29) in Saporoschje an, um sie vergleichend zu prüfen. Der NAMI-Motorgenoss eine priorisierte Stellung, weshalb davon 30 Stück bestellt wurden. Vom M-11 wurden hingegen erst nur zwei geordert. Die späteren Probleme mit dem M-12 zwangen zur Nachbestellung von weiteren M-11, sodass man auf insgesamt zehn dieser Motoren kam.Der M-12 war etwas leichter und leistungsstärker, dennoch gewann die Konstruktion aus dem Hause GAZ-4 die Ausschreibung – der M-11 war einfach zuverlässiger. Nach 100-stündigen Dauertests kam der M-11- Motor in den Dienst der Luftstreitkräfte, obgleich das Leistungssoll von 125 PS nicht erreicht wurde. In diesem Falle gab man sich auch mit 110 PS zufrieden. Der M-11 wurde somit zum ersten Flugmotor, der in der UdSSR entworfen und in Serie produziert wurde. Das Saporoschje-Werk Nr. 29 lieferte im August und September 1929 die erste Charge von zehn Motoren aus. Im Oktober folgte die zweite mit weiteren zehn, im Januar 1930 die dritte vom gleichen Umfang. Die seriengefertigten Motoren nannten sich M-11a und unterschieden sich in Details wie beispielsweise dem Gussmetall-Schmierölsammeltank. Die Änderungen am Serienmotor gingen mit einer Gewichtserhöhung einher: Die Masse des Motors stieg auf 160 bis 165 Kilogramm, wobei die Vorserien-Testexemplare nur 150 bis 152 Kilogramm gewogen hatten. Alle der oben genannten Kleinserien waren experimenteller Art. Zum Beispiel gab es bei den Motoren aus der zweiten Serie drei Arten von Ansaugstutzen- Halterungen sowie zwei Arten von Hauptkurbelwellenlagern. Anfangs baute manZenith-Vergaserein, später einen aus dem Hause Claudel (beide aus Frankreich).

Westlichen Modellen gegenüber ebenbürtig

Hinsichtlich der Eigenschaften war der M-11 sowohl dem heimischen M-12 als auch den ausländischen Topmotoren dieser Klasse ebenbürtig. Für 1 PS Leistung brachte der M-11 1,65 Kilogramm Leermasse auf die Waage, während die westlichen Alternativen bereits an der 1,0- bis 1,1-Kilogramm-Grenze kratzten. Andererseits setzte sich der M-11 fast vollständig aus heimisch hergestellten Bestandteilen zusammen und war darüber hinaus einfacher und günstiger herzustellen als die Umlaufmotoren der M-2-Serie. Der M-11 war anspruchslos gegenüber der Schmier- und Treibstoffqualität. Seine erste technische Beschreibung enthielt die Anmerkung, dass er mit jedem Treibstoff mit einer Oktanzahl höher als 45 betrieben werden könne. Die individuellen Steuerwalzen/Verteilungswalzen für jeden Zylinder erlaubten die Regulierung der Gaswechselsteuerung individuell für jeden Zylinder, um somit etwaige produktions- bedingte Abweichungen zu kompensieren. Allzu sparsam war der M-11 nicht, auch wenn er in dieser Hinsicht besser war als der M-2.

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Nutzung in der Po-2

GAZ-2 (zu diesem Zeitpunkt zum Teil des Werkes Nr. 24 geworden) hatte im Weiteren nichts mehr mit dem M-11 zu tun. GAZ-2 war zum GAZ-4-Werk mehr oder weniger benachbart, und sie wurden im August 1927 zusammengeführt; das M.-W.-Frunse-Werk Nr. 24 ist einfach ein neuer Name für GAZ-4 ab Oktober 1927. Die ganze Arbeit leisteten die Konstrukteure des Werkes Nr. 29 in Saporoschje (ehemals GAZ-9, die Fabrik, die die ersten M-11 und M-12 herstellte und miteinander verglich) unter der Leitung von Arkadi Nasarow. Schwezow erhielt vom Staat als Dank für seine Arbeit als Chef des Staatlichen Flugzeugwerks Nr. 4 (GAZ-4) – d.h. des Werkes, dessen Konstruktionsbüro den Motor entworfen hatte – eine goldene Uhr, obwohl er nie den Anspruch auf die Urheberschaft des Motors erhoben hatte. Der M-11-Motor war für den Einsatz im Schulflugzeug Polikarpow Po-2 vorgesehen. Im März 1930 erhielt eine Flugschule in Borissoglebsk einige Po-2 mit M-11a, um sie unter Einsatzbedingungen zu testen. Ab dann wurde das Einsatzspektrum der Polikarpows immer breiter: Man stattete die Flugschulen der Luftstreitkräfte, der Luftsportvereine sowie die Zivilluftfahrt mit ihr aus. Weiterhin beförderten die Po-2 Passagiere, Post und kleine Transportgüter; sie wurden auch für agrarwirtschaftliche Zwecke genutzt.

Überarbeitungen und neue Varianten

Der M-11a hatte eine kurze Lebensdauer, die Zeit bis zur vorgeschriebenen Überholung betrug nur 40 Stunden. Das lag hauptsächlich am kugelgelagerten Hauptpleuel. Abseits abgerissener Zylinderhaltestift-Schrauben stellte man im Betrieb auch immer wieder fest, dass die Motoren zur Ölüberhitzung neigten. Weiterhin lockerte sich nach längerem Betrieb die Fügung zwischen Zylinderkopf und Laufbuchsen. Bereits im Januar 1930 wurde ein neuer Zylinderkopf entwickelt, an seiner unteren Seite verfügte er über eine Verstärkungsrippe und hatte einen Zylinderflansch nach dem Vorbild des Bristol-Jupiter-Motors. Doch die wesentliche Innovation war das Hauptpleuel mit Gleitlager. Somit mussten die Hersteller keine Kugellager importieren. Allerdings bedurfte das gleitgelagerte Hauptpleuel einer Überarbeitung der Kurbelwelle. Die Welle wurde letztendlich stark verändert: Eine Klemmverbindung an der hinteren Wellenwange wurde eingeführt (wie beim Bristol Jupiter). Davor setzte sich die Kurbelwelle deutlich aufwendiger (mit Hilfe vonKeilverzahnungen an den Zapfen) zusammen. Die Überarbeitung des M-11a mündete in die B-Variante. M-11B umfasste Änderungen wie Gleitlager und neue Zylinderköpfe, Kolben und Ölpumpe; der Ventilkipphebel war nun kugelgelagert. Dieser Motormit der überarbeiteten Kurbelwelle zeigte im Test eine Sollbetriebsdauer bis zur Überholung von 300 Stunden. Es schien jedoch zu gewagt, dieses im Test ermittelte Intervall auf Serienmotoren zu übertragen. Daher wurden stattdessen nur 150 Stunden angegeben. Alle Neuerungen fanden bis Januar 1933 ihren Weg in die Serienproduktion. Diese Motorvariante, zusammen mit dem sowjetischen K-11-Vergaser (der seinerseits auf dem Zenith-Vergaser basierte), trug die Bezeichnung M-11W.

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Die Betriebsdauer steigt

Ein Jahr später erschien der M-11G, dessen Unterscheidungsmerkmale im Hauptpleuel, den Kolbenringen sowie im Antrieb des synchronisierten Vergasers lagen. Alle Motorbestandteile waren nunmehr sowjetischer Herkunft: Kugellager-Wälzkörper, Vergaser, Zündkerzen sowie der Magnetanlasser BS-5P. Letzterer war allerdings eine Kopie des deutschen Anlassers (BS ist ein Akronym für "Bol‘schaja Szintilla", übersetzt: "der große Scintilla"). Mehr als 15 000 M-11G-Motoren wurden hergestellt. Die Betriebsdauer bis zur Überholung stieg zuerst auf 250, dann auf 400 Stunden an. Diese Motoren waren generell ein gefragtes Produkt, weil inzwischen mehr Flugzeuge auf den M-11 setzten, darunter Sch-2, AIR-6 (Ja-6), UT-1, UT-2, LK-1 sowie SAM-5bis. Ferner montierte man den M-11 auf Schneemobile, Gleitboote und auf die Vertreter der damals erst frisch entstandenen Gattung der Luftkissenfahrzeuge. Letztere erhielten ihre eigene, in Kleinserie gefertigte Modifikation M-11H. Dieser Motor war für einen längeren Betrieb in der umgedrehten, liegenden Position ausgelegt.

Versionen E, D, F

Die M-11G-Motoren wurden in Saporoschje bis Anfang 1937 hergestellt. 1934 fiel, aufgrund der Produktionsaufnahme von Gnome-&-Rhône-Motoren im Werk Nr. 29, die Entscheidung, die Produktion des M-11 nach Woronesch zu verlagern, genauer genommen in das Woronescher Werk Nr. 16. Arkadi Nasarow wechselte zur Motorfabrik Nr. 16 als Chefkonstrukteur. Die Fertigung von M-11G begann dort 1935. Bereits zum Ende des darauffolgenden Jahres übertraf der Produktionsumfang des Woronescher Werkes die alten Produktionszahlen der Fabrik in Saporoschje. 1937 bis 1939 modifizierte man am M-11G den in Flugrichtung vorderen Teil der Kurbelwelle sowie den vorderen Teil des Kurbelgehäuses, die Ventile wurden mit Boxen abgedeckt, und die Kolbenstangen erhielten spezielle Mäntel. Die Verbindung zwischen Laufbuchsen und Zylinderkopf wurde durch eine Gegenmutter verstärkt. Nasarow kreierte den M-11E, die leistungsstärkere Version des Motors, frisiert auf 160 PS. Seine Betriebszuverlässigkeit war jedoch ungenügend. Ferner führte der erhöhte Verdichtungsgrad zu höheren Anforderungen an die Benzinqualität, was als Nachteil aufgefasst wurde. Vom Typ E wurde nur eine kleine Serie produziert. In Woronesch stellte man 1939 ein paar Probeexemplare des M-11D her, bei dem die Nenndrehzahl erhöht und ein K-11A-Vergaser montiert wurde. Die Maximalleistung stieg auf 125 PS. Die Lebensdauer des Motors wurde auf 600 Stunden geschätzt. Hinsichtlich seiner Lebensdauer war der M-11D der zu diesem Zeitpunkt beste sowjetische Motor. Im Dezember 1940 entstand am Werk Nr. 16 ein Konstruktionsbüro unter Michail Kossow, welches den 145 PS starken M-11F entwickelte. Der Verdichtungsgrad wurde beim M-11 Typ F etwas erhöht (allerdings nicht so stark wie bei der E-Version), der Ventilmechanismus wurde verstärkt.

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Steigende Nachfrage nach Kriegsbeginn

Ab Herbst 1941 setzten die Luftstreitkräfte die Po-2 nicht nur als Verbindungs-, Krankentransport- oder Leichtfrachtflugzeug ein, sondern auch als leichten Nachtbomber. Um die wachsende Nachfrage zu stillen, wurde das Moskauer Werk Nr. 41, welches ursprünglich Ausrüstungsgegenstände herstellte, zu einer Flugzeugmotorfabrik umfunktioniert. Ab Ende des Sommers 1942 produzierte diese Fabrik M-11D-Motoren und gründete ein eigenes Konstruktionsbüro, das von Iwan Muschilow geleitet wurde. Für beide Motorwerke stand die Steigerung der Produktionszahlen im Vordergrund. Zu diesem Zweck wurde der M-11D im Jahr 1943 Vereinfachungsmaßnahmen unterzogen: Die Bauweise der Zylinderköpfe und der Kurbelwelle wurde überarbeitet und die Ausstattung des Motors mit Nebenaggregaten verändert. Auf den Druckluftanlasser wurde verzichtet – stattdessen war der Motor per Hand am Propeller anzureißen. Dennoch setzte Kossow die Arbeit am M-11F fort. Die Versuchsexemplare durchliefen 1942 die 400-stündigen Werksprüfungen. So wurde der M-11F anschließend für staatliche Versuchsprüfungen bereitgestellt. Die anvisierten 500 Stunden konnten bei Tests durch die staatliche Abnahmekommission nicht erreicht werden, da ein Zylinderkopf einen Riss bekam. Nichtsdestotrotz ging der Typ F ab Oktober 1942 in Serie. Seine Produktion lief parallel zu der der Version D, allerdings in kleineren Zahlen – sie belief sich auf ins- gesamt 400 bis 500 Stück.

Die Fertigung der D-Version dauerte bis 1947 an. In der Nachkriegszeit änderte man die Benzinpumpe, verstärkte die Kurbelwelle und überarbeitete das Kurbelgehäuse. Beim Gießen des Zylinderkopfes wechselte man vom Sandguss- zum Kokillengießverfahren. Dies machte den Herstellungsprozess schneller und günstiger. Außerdem konnten die Abstände zwischen den Zylinder-(Kühl-)Rippen verkleinert werden, wodurch die Kühlrippenfläche vergrößert wurde. In der Kriegszeit lag der Schwerpunkt auf einer höheren Produktionsrate des M-11D. Gleichwohl arbeiteten die Konstrukteure an der Steigerung der Motorleistung. 1943 kombinierte Kossow einige konstruktive Elemente seines Motorprototyps M-12 mit der Zylinder-Kolben-Baugruppe des M-11D und fügte ein für Verstellpropeller geeignetes Kurbelwellen-Vorderteil hinzu. Das 160 PS starke Ergebnis nannte sich M-11FR (der erste Motor mit dieser Bezeichnung). Jewgeni Urmin löste Kossow auf dem Posten des Konstruktionsbüro-Leiters im Werk Nr. 154 ab. Urmin erarbeitete die Modifikation M-11Ja, die aus technischer Sicht im Vergleich zur Variante von Kossow mehr Bauteile des M-11D verwendete. Der Motor des Typs Ja litt unter mangelhafter Arbeit der Kolbengruppe, Brüchen der Pleuellager und Ölverlust. Der M-11Ja wurde später in M-12 umbenannt.

Modernisierung des M-11F

Muschilow, der Chef des Konstruktionsbüros OKB-41 im Werk Nr. 41, begann die Modernisierung des M-11F mit dem Anbringen eines neuen Gehäuses für den Aggregatantrieb. Im Mai 1943 durchlief seine als M-11M getaufte Variante erfolgreich die 300-stündigen Betriebstests. Ein Jahr später folgten die Versuchsprüfungen an zwei Flugzeugprototypen von Jakowlew. Allerdings war der Typ M für eine Starrluftschraube ausgelegt, während in den Luftstreitkräften die Meinung verbreitet war, derartige Luftschrauben würden nicht mehr den damals modernen Standards entsprechen. Als Antwort auf diese Stellungnahme der Luftstreitkräfte schlug Muschilow den M-11FM vor, eine mit einem Drehzahlregler für WISch-Luftschrauben (Verstellpropeller) ausgestattete Variante des Motors. Bei ihr wurde die hintere Kurbelgehäuseabdeckung verändert; montiert wurden der Vergaser K-11FM, ein Stromerzeuger sowie ein Verdichter. Die Zündvorrichtung erhielt eine elektromagnetische Abschirmung. Im Mai 1944 lief das erste Exemplar des M-11FM 300 Stunden auf einem Prüfstand und trieb noch im selben Jahr den Jak-8-Prototyp an. Im Sommer 1946 konnte die Leistung auf 200 PS erhöht werden, wiederum ging diese Maßnahme mit einer Erhöhung des Verdichtungsgrades und dem Einsatz höherwertigen Kraftstoffs einher. Das Gewicht des Motors betrug nunmehr 190 Kilogramm. Der M-11-Motor vom Typ FM ging letztlich nicht in Serie.

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M-11FR-1

Im Mai 1944 wurden die Konstrukteure aus Andischon nach Moskau beordert, wo sie das Team des OKB-41 verstärkten, mit Urmin als neuem Chefkonstrukteur. Anfang 1946 erschien der 160 PS starke M-11FR-1. In die Bauweise dieses Motors flossen unter anderem Elemente und Ansätze aus dem M-12 von Kossow sowie aus dem serienmäßigen M-11D ein. Die Kurbelwelle des M-11FR-1 erlaubte die Anbringung von Verstellpropellern. Er verfügte über einen Verdichter, ein abgeschirmtes Zündungssystem, eine Vakuumpumpe/Unterdruckpumpe, einen Generator sowie einen Druckluftanlasser. Der Verdichtungsgrad fiel im Vergleich zu dem des M-11FM geringer aus. Sein Gewicht betrug 180 Kilogramm. Im September 1946 absolvierte der M-11FR-1 die staatlichen Prüfungen und wurde ab Mitte des folgenden Jahres in Serie produziert.

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Letzte Serien

Mehrere Fabriken bereiteten sich gleichzeitig auf den Produktionsbeginn des M-11FR-1 vor: das Moskauer Werk Nr. 41, das Werk Nr. 154 (welches inzwischen aus Andischon zurück nach Woronesch gekommen war) sowie das Werk Nr. 478 (gegründet in den Werkshallen des evakuierten Werkes Nr. 29 in Saporoschje). In Moskau lief die Produktion nicht lange – schon bald wurde die dortige Fabrik auf Strahlflugzeugtechnik spezialisiert. Die Motoren des Typs FR-1 kamen zum Einsatz in den Schulflugzeugen Jak-18 sowie den Leichtfliegern Jak-10 und Jak-12. Später wurde die Jak-18 auf M-11FR umgerüstet. Dieser Motor entstand 1946 in Saporoschje, entwickelt von den Ingenieuren unter der Leitung von Alexander Iwtschenko. Die dort ansässigen Konstrukteure tauschten den K-11BF-Vergaser gegen den K-13BP und änderten außerdem einige weitere Elemente und Baugruppen. Die Höchstleistung blieb mit 160 PS gleich. Das erste Exemplar stand im Oktober 1946 zur Verfügung und wurde einen Monat später staatlichen Versuchen unterzogen. Bei staatlichen Abnahmeprüfungen kamen einige Mängel ans Licht: Kolben bekamen Risse, Ausströmventile rissen ab, Kurbelwellenlager sowie einige Elemente des Benzinpumpenantriebs gingen kaputt. Die Ausbesserungsarbeiten dauerten bis April 1947. Ab dem vierten Quartal 1948 ging der M-11FR in Saporoschje in Serie, allerdings mit dem K-11BP-Vergaser. Im darauffolgenden Jahr startete die Herstellung der FR-Motoren auch in Woronesch. Es folgten in den weiteren Jahren noch die extra für die Po-2 gebaute, abgeschwächte K-Variante und der M-11L. Letzterer hatte keine lange Lebensdauer.

Ende der Herstellung

1951 ordnete Moskau den Produktionsstopp des M-11L an, sodass nur noch die FR-Version gebaut wurde. Die Nachfrage für Kolbenmotoren nahm ab. Das Werk Nr. 478 beendete die Herstellung des M-11FR bereits Ende 1949. In Woronesch fertigte man bis 1955 noch etwa 1300 Exemplare pro Jahr. Die Dienstzeit des anspruchslosen und wartungsarmen M-11 war lang: Die Produktion lief über 30 Jahre und brachte rund 125 000 Exemplare hervor. Die Motoren der M-11-Familie wurden auch in anderen Ländern gefertigt. Im September 1947 erhielt Polen die Anleitungen zum Bau des M-11D-Motors. Die polnischen M-11D wurden bis 1948 gebaut. Anfang der 50er Jahre begann die Produktion des M-11FR in China, sie erstreckte sich über einen Zeitraum von etwa zehn Jahren.