Viele großartige Dinge beginnen mit dem ersten Schritt, und Mike Kellner aus Illinois wagte diesen ersten Schritt vor 40 Jahren. Im amerikanischen Bundesstaat Maine sollte irgendwo eine vergessene Boeing B-17 im Wald liegen. Mike machte den damaligen Besitzer ausfindig, fuhr 1900 Kilometer hin und man einigte sich auf 7250 US-Dollar für die Masse an Altmetall, die vor Jahrzehnten einmal ein viermotoriger Bomber gewesen war. Dieser Schrotthaufen war die Keimzelle für Mikes Lebenstraum: eines Tages einmal eine dieser legendären "Fliegenden Festungen" zu besitzen und zu fliegen.

Der Heckstand der Boeing B-17 "Desert Rat" ist bereits fertig restauriert.
Der vergessene Bomber
Eigentlich sollte der 1941 gebaute Bomber kurz nach dem Krieg verschrottet werden, aber irgendwie hatte man diese B-17 vergessen. Und so landete sie auf einer einsamen Farm in Maine, wo sie langsam von der Natur überwuchert wurde. In einigen früheren Veröffentlichungen war zu lesen, dass Ende der 1960er Jahre einige Fliegerfreunde aus Massachusetts auf das Wrack aufmerksam geworden waren, die eigentlich nach einer North American B-25 suchten. Angeblich hatte die Gruppe damals rasch Motoren, Propeller, Fahrwerke sowie einige Kleinteile der B-17 ausgebaut und waren damit so schnell verschwunden, wie sie gekommen waren. Mike erläutert jetzt, dass er seinerzeit auch die Überreste der B-25 geborgen und noch heute eingelagert hat. Als er die B-17 1985 erstmals inspizierte, waren Fahrwerk, Motoraufhängungen und -hauben noch vorhanden. Lediglich die schweren Curtiss-Wright-Sternmotoren sowie die Propeller fehlten. Er geht davon aus, dass der ursprüngliche Besitzer diese irgendwann nach dem Krieg selber veräußert hat.

Der Rumpf und die anderen Elemente der stark mitgenommenen Flying Fortress wurden im September 1985 per Pick-up mit Anhänger auf dem Galt Airport geborgen.
Hüter der B-17
Mike Kellner trat vier Jahrzehnte nach der geplanten Verschrottung auf den Plan und rettete von der Maschine, was er retten konnte. Ohne eine große Organisation oder großes Geld im Hintergrund machte er sich mit einigen Freunden daran, die Überreste in seine Heimat Illinois zu bringen. Erst wenn man die historischen Fotos aus der Zeit der Bergung gesehen hat, realisiert man, welche Leistung hier in Marengo erreicht wurde. Sowohl der Rumpf als auch die Flügel wurden mehrfach zerschnitten, bevor sie auf der Farm in Maine der Natur überlassen wurden. Es verging noch eine weitere Dekade, bevor das Projekt in einer Halle in Marengo seine endgültige Heimat fand und Mike mit seinen engagierten Helfern begonnen hat, das Wrack Stück für Stück wieder aufzubauen. Warum die Maschine "Desert Rat" heißt, hat der Enthusiast noch nicht herausgefunden. Vor einigen Jahren hat das Team diesen Namen als Nose-Art unter einigen abgebeizten Farbschichten entdeckt, ebenso wie "Tangerine" unter einem anderen Teil des Vorderrumpfes. Da das Kind einen Namen haben muss, wurde die 41-25965 also wieder offiziell zur Wüstenratte, obgleich sie als umgebauter Transporter nie in der Wüste Afrikas, sondern in Südamerika und Ostasien eingesetzt worden war. Man kann nur vermuten, dass sich jemand aus den Einsatzgebieten des zivilisierten Bombers einen Spaß gemacht und sie "Tangerine" (Mandarine) genannt hatte. Schließlich wird der Ursprung dieser beliebten Südfrucht in Indien oder China vermutet. Man fand schnell heraus, dass sich der umgebaute Bomber nicht allzu gut als Frachter eignete. Hinzu kam, dass zu der Zeit auch die Douglas C-54 mehr und mehr eingeführt wurde, die als modernes Transportflugzeug in jeder Beziehung besser geeignet war als die Boeing B-17. Im Oktober 1944 kehrte die 41-2595 in die USA zurück und wurde bis zu ihrem letzten Flug im Dezember 1945 von einem Stützpunkt in Bangor, Maine, in Flügen nach Neufundland und Grönland eingesetzt.

Die Flying Fortress war eines der wichtigsten Einsatzmuster der US-Luftwaffe während des Zweiten Weltkriegs.
Leben als Frachter
Zu den damaligen Änderungen als XC-108-Frachter gehörte die Versiegelung des Bombenschachtes sowie der Einbau einer großen, nach oben öffnenden Frachttür auf der linken Rumpfseite hinter der Tragfläche. Ebenso wurden sowohl die umfangreiche Abwehrbewaffnung als auch die schwere Panzerung entfernt. Insgesamt wurden jeweils zwei B-17E und B-17F zum C-108-Transporter / -Frachter umgebaut. Zwei wurden als VIP-Transporter eingesetzt, darunter die XC-108 mit der Seriennummer 41-2593, die erste einer Reihe der als "Bataan" getauften Transporter für General Douglas MacArthur. Mike Kellners XC-108A wurde ohne VIP-Ausstattung als normaler Fracht- und Truppentransporter geplant und die ehemalige B-17F, Seriennummer 42-30190, wurde als XC-108B in Tankerkonfiguration projektiert. Während der Umbau für MacArthurs Transporter noch von Boeing in Seattle erledigt wurde, erhielten die übrigen drei Bomber vom Fairfield Air Service Command am Patterson Field, Ohio, ihre umfangreichen Änderungen. Auf der Wright-Patterson AFB ist heute unter anderem das National Museum of the United States Air Force beheimatet. Die Rumpfstruktur in B-17E-Konfiguration konnte in den letzten Jahren nahezu fertiggestellt werden. Jetzt geht es ans Innenleben mit seinen hydraulischen und elektrischen Elementen, das zum Glück seinerzeit nicht komplett zerstört worden war. Somit gibt es zumindest noch Vorlagen für die Neuproduktion. Auch sind viele Ausrüstungsgegenstände noch reparabel oder das Team konnte in den letzten Jahren passende Teile erwerben. So liegt neben dem Rumpf mittlerweile das komplette Instrumentenbrett zum Einbau in den Cockpitbereich bereit. Auch das historische Bombenzielgerät liegt vor und wird aus Gründen der Originalität sicher wieder eingebaut werden. Parallel hat sich das Team vor einiger Zeit an die Restaurierung der Tragflächen begeben. Im hinteren Teil der Halle angekommen, staunt der Luftfahrtfan aus Deutschland nicht schlecht, als er dann Wellblech entdeckt. Die spontan rausgerutscht Frage, was denn der Ju-52-Flügel da hinten macht, wird von Bill Stanczak, einem der tatkräftigen Restauratoren in Marengo, mit einem wissenden Lächeln beantwortet. Man vergisst schnell, dass dieser berühmte und besonders im damaligen Deutschland berüchtigte Bomber aus dem Zweiten Weltkrieg seinen Erstflug bereits vor 90 Jahren hatte und somit näher an den Wellblech-Legenden Junkers Ju 52 und Ford Trimotor war als an echten Weltkriegsmustern wie der Boeing B-29. Daher verbirgt sich unter dem Glattblech eine Wellblechstruktur, welche die Flügel des Bombers entscheidend verstärkt hatte.

Das Vorhaben ist arbeitsintensiv: Restaurierung und historische Recherche zur 41-2595 laufen parallel.
Flying-Fortess-Schatzkammer
Kürzlich wurden der Heckstand sowie die ersten beiden Motorgondeln der B-17 fertiggestellt. Es ist einfach bemerkenswert, welche Qualität von den Restauratoren hier in einer Halle mitten im Nirgendwo erreicht wird. Wie bei jedem flugfähigem Wiederaufbau historischer Warbirds läuft es auch in Marengo faktisch auf einen Neubau der kompletten Struktur unter Verwendung einiger nicht tragender historischen Bauteile hinaus. Der größte Teil der originalen Zelle dient auch hier nur noch als Muster für neu produzierte Teile. Ein großes Stück des originalen Rumpfes hängt in Marengo unter dem Dach. Überall im Hangar stapeln sich originale Bauteile der 41-2595 sowie unzählige, in aller Welt gesammelter Teile anderer B-17, die man für die Restaurierung nutzen oder mit anderen Projekten tauschen kann. Mittlerweile hat Mike auch wieder vier passende Curtiss-Wright-R-1820-Neunzylinder-Sternmotoren gefunden, welche die "Desert Rat" später antreiben werden. Diese müssen natürlich noch überholt werden, sobald es zeitlich und finanziell machbar ist. Inmitten der Halle fallen dann doch zwei Doppelsternmotoren auf, die so gar nicht zur B-17 passen wollen. Mike hat in den letzten Jahrzehnten unzählige Teile gesammelt, die er irgendwie für sein Projekt nutzen kann. Und da stolperte er eines Tages auch über die Douglas A-26 Invader 44-35696, die in den 1990er Jahren beim Start verunglückte und danach abgeschrieben worden war. Ob dieser zweimotorige Bomber später wieder aufgebaut oder für wichtige Teile der B-17 getauscht werden wird, will Mike zu passender Zeit entscheiden. Derzeit sind die größten Baugruppen der Invader hinter dem Hangar in Marengo zerlegt gelagert.

Die vier Motoren des Bombers warten noch auf ihre Überholung.
Begeisterte Enthusiasten
Apropos Pläne: Wenn man schon große Träume träumt und diese Schritt für Schritt verwirklicht, dann kann man auch richtig groß denken. Und so arbeitet das Team nicht nur an der Fertigstellung der B-17E, die eines Tages wieder als "Desert Rat" in die Luft gehen soll. Parallel hat Mike in den letzten Jahren alle technischen Zeichnungen für die frühen Boeing B-17C gesammelt, von der 1940 lediglich 38 Exemplare gebaut wurden. Ebenso konnte er bereits einige originale Teile dieser frühen Version aus unterschiedlichen Quellen retten. Wenn man die Begeisterung der Enthusiasten hier in Marengo kennengelernt hat, dann glaubt man ihnen auch, dass sie zu gegebener Zeit nicht nur eine der legendären "Fliegenden Festungen" wieder in die Luft bekommen, sondern zusätzlich eine der frühen B-17 mit dem steilen Heck wiederauferstehen lassen werden.

Die Restauratoren vor dem Rumpf der B-17: Patrick Westerburg, Bill Stanczak, Mike Kellner und ganz rechts Chris Gibson.
Sie wird wieder fliegen
Mike und sein Team führen auf Facebook als "Desert Rat Restoration Project" einen spannenden Blog, über den sie sämtliche Fortschritte teilen. Hier können Sie auch erfahren, wie man das ambitionierte Team unterstützen kann – schließlich sind es wahre Enthusiasten, die mit viel Herzblut ihren Traum erfüllen und weder einen reichen Sammler noch große Luftfahrtunternehmen im Hintergrund haben. Einen zeitlichen Rahmen hat er sich für die Fertigstellung seines Projekts nicht gesetzt, auch hat er die bisherigen Arbeitsstunden nicht annähernd gezählt. Das Team arbeitet so gut es finanziell und zeitlich geht. Der Erstflug aber soll an einem Dienstag stattfinden, schmunzelte Mike beim Abschied. Wenn Mike Kellner die Boeing B-17 "Desert Rat" eines Tages wieder in die Luft bringt, wird sie nicht nur die älteste aller flugfähig erhaltenen Flying Fortress sein, sondern auch ein Zeichen, was man mit Mut und Tatkraft alles erreichen kann.