Restaurierung Cessna O-1 Bird Dog

Restaurierung
Cessna O-1 Bird Dog

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Zuletzt aktualisiert am 22.10.2018

Für den Anfang dieser Geschichte muss man zurückgehen bis ins Jahr 2000, als ich eine Einweisung auf eine Cessna O-1 bekam. Und ehrlich, es war Liebe auf den ersten Blick. Mein Erfahrungsschatz auf Spornradflugzeugen beschränkte sich auf einige Dutzend Stunden auf einer PA-18, 90 PS und ohne Klappen. Entsprechend großen Respekt hatte ich vor der Bird Dog. Eigentlich war es sogar eine bittersüße Angst. Der riesige Propeller, das hohe Fahrgestell und der zweifelhafte Ruf, bei der Landung wie ein wildgewordenes Pferd gezähmt werden zu müssen – die Bird Dog hatte mich in ihren Bann gezogen. Aber ich hatte einen fantastischen Lehrer, der mir beibrachte, die Marotten des Flugzeugs zu beherrschen. Im Zuge vieler Flüge, bei denen ich Segelflugzeuge in die Luft schleppte, konnte ich später reichlich Erfahrung auf dem Muster sammeln und es entwickelte sich eine große Anziehung zu dem Flieger.

Die Geschichte meiner eigenen Bird Dog beginnt 2009. Ich hatte gerade die Restauration einer Aermacchi MB 308 abgeschlossen und Lust auf ein neues Projekt. Das Interesse an der Bird Dog flammte wieder auf, und ich arbeitete mich durch alle Informationen, die ich zu diesem Typ finden konnte. Videos, Fotos und Nachrichten aller Art zum Einsatz in Korea, in Vietnam und schließlich zu ihrer Verwendung in der italienischen Armee – unschätzbare Quellen! Ich begann auch, Bilder von jedem italienischen Exemplar zu sammeln. Bei den Nachforschungen fällt mir auf, dass in Foligno, 120 Kilometer nördlich von Rom, ein Exemplar existieren soll, von dem ich noch nie gehört habe: die I-EIAI. Kaum meldet sich der Präsident des dortigen Aero-clubs am Telefon, habe ich Gewissheit. Es gibt sie, aber beschädigt. Wenige Tage später fahre ich hin. Als sich die Tore des rostigen Hangars öffnen, ist es, als ob eine Schatztruhe aufgeht. Ganz am Ende der Halle entdecke ich zwischen vielen Segelflugzeug-Tragflächen hindurch das wunderschöne Leitwerk der Bird Dog. Ich muss meine Gefühle im Zaum halten, als ich mich nähere, bin aufgeregt wie ein kleines Kind. Sie sieht mitgenommen aus. Fingerdicker Staub, eine beschädigte Tragfläche ohne Querruder, ein Riss im Bauch, der wohl von der Kollision mit einer Lampe der Pistenbeleuchtung herrührt.

Das Cockpit eine einzige Rumpelkammer mit Verkleidungen und Anbauteilen voller Vogelkacke. Dennoch zieht mich das Flugzeug in seinen Bann, die Zeit scheint stillzustehen. Allein der Geruch, den dieser Haufen Flugschrott verströmt, lässt in meinem Kopf längst vergangene Einsatzszenarien lebendig werden.

Als ich etwas Staub abwische, merke ich, dass die Substanz besser ist, als sie auf den ersten Blick aussieht. Die Verhandlungen sind kurz und schmerzlos. Seit neun Jahren hat sich niemand für die Bird Dog interessiert, und der Clubpräsident und ich einigen uns per Handschlag. Es ist der 30.  Januar 2009, und ich glaube mich zu erinnern, dass es mir auf der Heimfahrt im Auto vorkam, als würde ich fliegen.

Nachdem einige bürokratische Hürden gemeistert sind, geht es wieder nach Foligno. Es ist ein heißer Julitag, als mein Vater und Gianni Pesce, ein Flugzeugtechniker, mir dabei helfen, die Bird Dog transportfertig zu zerlegen. Die Hitze macht es fast unmöglich, die dunklen Teile zu berühren, aber schließlich tritt die Bird Dog den Weg in ihr zweites Leben an. In einem Sägewerk in Padua unweit von Venedig habe ich in einer kleinen Halle die Möglichkeit, das Projekt in aller Ruhe durchzuziehen. Dort angekommen, heißt es die Maschine komplett zu zerlegen. Ich katalogisiere alle Einzelteile und analysiere die Schäden, um mir einen genauen Plan der anstehenden Arbeiten zu machen. Das Ziel steht zu diesem Zeitpunkt bereits fest: eine komplette Restaurierung der Zelle und Anbauteile, die so nahe wie möglich am Original sein sollte.

Jetzt kommt mir meine intensive Recherche vorab zugute, denn ich kenne jedes Gerät, jedes Instrument und jedes Ausstattungsdetail, das irgendwann mal an oder in diesem Flugzeug verbaut wurde. Was fehlt, muss organisiert werden, beispielsweise die Antennen, passende Scheinwerfer, Pylonen, das alte Funkgerät ...

Die eigentliche Restauration beginnt mit dem Entfernen der Lackierung. Ich prüfe alle Einzelteile auf Korrosion und Schäden. Was reparabel ist, wird instand gesetzt; ist eine Reparatur nicht möglich, müssen Ersatzteile her. Die Steuerseile kommen allesamt neu, die Instrumente gehen ebenso zur Überprüfung wie die Hilfsaggregate. Motor und Propeller bekommen eine Revision, die gesamte Elektronik wird auf den Stand der Technik gebracht, und zwar so, dass das historische Ambiente nicht darunter leidet. Auch das Interieur, die Sitze, Polster und Bezüge, erhalten eine Frischzellenkur, sodass die Bird Dog am Ende aussieht, als sei sie frisch an die Air Force oder die Army ausgeliefert worden.

Einmal mehr wird mir bewusst, wie anspruchsvoll ein solches Projekt ist, denn man muss bei der Arbeit die Eigenheiten der seinerzeit verwendeten Materialien und Techniken beachten. Das gilt umso mehr, wenn das Ergebnis authentisch sein soll. Kunststoff-Kabelbinder? Ein No-Go! Gewachster Faden ist in diesem Fall das Mittel der Wahl.

Die Entscheidung, wie meine Bird Dog am Ende aussehen soll, schiebe ich lange vor mir her. Fest steht nur, es soll keine nach Vorbild derer sein, die in der italienischen Armee geflogen sind. Renzo Catellani hat bereits eine großartig restaurierte Bird Dog in diesem Design und meine hätte sich dann nur in Details von seiner unterschieden. Beim Surfen im Internet finde ich schließlich ein Vorbild: eine O-1 der 199th Recon Airplane Company „Swamp Foxes“. Das aggressive Maul und die dazu passenden Augen auf der Cowling stehen bei dieser Cessna in interessantem Kontrast zur liebevollen Gestaltung der Tür, auf die ein Soldat einen stilisierten Drachen und den Schriftzug „Mekong Mauler“ gepinselt hat. Das würde meine Bird Dog werden! Auf den Fotos ist sogar ein Name zu lesen: Shoup. P. WO I Shoup. Ich setze alles daran, so viel wie möglich über die Bird Dog des Soldaten Shoup herauszufinden. Anhand der Identifikationsnummer O-11952 finde ich einige Fotos in Publikationen der damaligen Zeit – die gefletschten Zähne haben offenbar nicht nur mich fasziniert. Die Lackierung der Dog – olivgrün mit schwarzer Schrift – war seinerzeit US-Army-Standard. Allerdings waren die Querruder, Landeklappen und das Höhenruder an Shoups Flugzeug chromgelb lackiert, um den Aufklärer aus Sicht von Bomberbesatzungen vor dem Hintergrund des grünen Dschungels besser sichtbar zu machen. Eine weitere Besonderheit von Shoups Maschine: Sie trägt vier Startrohre für Markierungsraketen unter jeder Tragfläche. Üblich waren sonst nur zwei.

Rick Shoup reist nach Italien

Immer tiefer steige ich in die Geschichte meiner Bird Dog ein. Ich finde sogar einen alten Dienstplan der Piloten, die in dieser Abteilung flogen, und – ich traue meinen Augen kaum – eine E-Mail-Adresse! Die von Rick Shoup. Sofort schreibe ich ihm und erzähle voll überschwänglichem Enthusiasmus von meinem Projekt und dass ich dafür Fotos, Publikationen und Anekdoten benötige. Und in diesem Moment beginnt ein Abenteuer im Abenteuer!

Rick Shoup ist überrascht und fühlt sich geehrt, dass sich jemand auf der anderen Seite der Welt, der diese Zeit gar nicht erlebt hat, so für seine Geschichte und die seines Flugzeugs interessiert. Später erzählt er mir, dass ihn mein Anruf dazu bewegt habe, sich mit einem Teil seines Lebens zu beschäftigen, den er aus vielerlei Gründen in einer Schublade eingeschlossen, aber nie vergessen hatte.

Der Nachrichtenaustausch intensiviert sich, und eines Tages erhalte ich ein kleines Paket aus den Vereinigten Staaten. Absender: Rick Shoup. Als ich es öffne, schießen mir die Tränen in die Augen, denn mir wird schlagartig bewusst, wie viel Vertrauen ich mir mit meinem Projekt von Rick Shoup erworben habe. In dem Paket finde ich seine Medaillen, die er für Einsätze erhielt, die Abzeichen seiner Uniform sowie eine Karte und seinen Flughelm. Den Helm, den er in Vietnam bei seinen gefährlichen Einsätzen getragen hatte! Welch wertvolle, authentische Reliquien!

Die Arbeit am Flugzeug geht unterdessen beständig voran – auch wenn die Bürokratie zwischenzeitlich einigen Stress verursacht. Die Restauration wird vom Club Aviazone Popolare – dem italienischen Äquivalent zur amerikanischen EAA – begleitet, und die Vorbereitung der vielen notwendigen Dokumente ist alles andere als einfach.

Die Lackierung ist eine besondere Herausforderung. Ich stelle mich ihr im Wissen, dass diese die für alle Außenstehenden auf Anhieb offensichtlichste Visitenkarte der gesamten Restaurierung sein wird. Das Maul auf der Cowling ist ein Albtraum, auch wenn ich von Rick viele Detailfotos bekommen habe, auf denen alle Linien genau zu erkennen sind. Sie aber auf die gewellten Bleche zu malen, ist wirklich schwierig, allerdings gelingt mir mit viel Geduld und Sorgfalt ein Ergebnis, das sich sehen lassen kann. Für die Service-Schriftzüge organisiere ich mir zwei alte Militär-Schablonenmaschinen. So kann ich für jeden Schriftzug die passende Schablone anfertigen und die Begriffe sauber aufs Blechkleid malen.
Genauso viel Aufmerksamkeit widme ich der militärischen Ausstattung. Zwar finde ich zuhauf Reproduktionen von Raketenbehältern, das reicht mir aber nicht. Über einen Freund bekomme ich schließlich zwei historische Vierfachstarter, die ich mit Attrappen der Markierungsraketen bestücke. Die zwei Granatbehälter liefert ein amerikanischer Militär-Devotionalienhändler für sagenhafte 100 Dollar pro Stück. Als schließlich das Drachenemblem und der Schriftzug „Mekong Mauler“ auf der Tür prangen, gehen sechs Jahre Spurensuche und Restaurierung zu Ende.

Am 4. Februar dieses Jahres ist es endlich so weit: Ich stehe startbereit auf dem Flugplatz Montagnana, die Hand am Gashebel. Aber ein Schwarm Enten kreist über der Landebahn. Wollen die Birds etwa die Bird Dog aufhalten? Sie an der Rückkehr in ihr Element hindern? Niemals! Als die Räder der Maschine mit der historischen Kennung O-11952 frei sind, schreie ich vor Freude laut auf. Die Gefühle übermannen mich, weil so viel Last von mir abfällt. Und ich denke an Rick Shoup, der mir so sehr geholfen hat. Abgesehen von einem Defekt am Funkgerät ist sie perfekt. Der Trimm passt, und sie fliegt sich einfach toll. Es ist eben doch „nur“ eine Cessna.

Die Bird Dog wurde als Gewinner einer Ausschreibung, mit der die Army die veralteten Stinson L5 und Piper L4 ersetzen wollte, von Cessna auf Basis der 170er und 195er entwickelt. Im Dezember 1949 flog der erste Prototyp, insgesamt wurden fast 3500 Exemplare gebaut. Der Continental-Motor vom Typ O-470-11 leistet 213 PS und gibt seine Kraft an einen im Vergleich zum Flugzeug riesigen Metall-Festpropeller von McCauley ab. Auch bei meiner Bird Dog spüre ich das, was diesen Flieger ausmacht: Mumm, Kraft. Bisweilen rohe Gewalt. Einem Piloten, der das weiß und respektiert, dem bietet sie garantiert Spaß und Adrenalin. Ihre Auslegung als Taildragger und die Tendenz zum Springen dürfte ein Grund dafür sein, warum sie mitunter den Nimbus eines störrischen Pferdes hat. Wenn man nicht blitzsauber landet, wirkt das elastische Fahrwerk wie eine Sprungfeder. Hier muss der Pilot sofort korrigieren, sonst springt sie unkontrolliert herum.

Der Start erfolgt mit 30 Grad Klappen, und nach ein paar Sekunden brutaler Beschleunigung ist man in der Luft und kann steil in den Himmel steigen. Im Flug ist die Bird Dog sehr stabil und sogar einigermaßen komfortabel. Beim Überziehen zeigt sie sich allerdings nervös im Vergleich zu den klassischen „Familientourern“. Dennoch eignet sie sich für schöne Ausflüge, rund viereinhalb Stunden Flugzeit sind drin. Bei der Landung ist – wie bereits angedeutet – Vorsicht geboten. 60 Grad Klappenstellung ermöglichen einen steilen Anflugwinkel, der Abfangbogen muss dann wirklich präzise sitzen. Für geübte Piloten ist sie aber absolut beherrschbar, und nach Jahren auf der Bird Dog und einigen Tausend Landungen kann ich sagen, es ist ein aufrichtiges Flugzeug, das bewusst geflogen werden muss und keine Unachtsamkeit erlaubt. Und genau das mag ich an ihm!

Aber zurück zu Rick Shoup. Anlässlich der jährlichen Versammlung der Historical Aircraft Group, der ich als Präsident vorstehe, beschließt Rick, das Ergebnis unseres intensiven Austauschs und nicht zuletzt meiner vielen Hundert Arbeitsstunden selbst in Augenschein zu nehmen: das originalgetreue, fliegende Abbild seiner „Mekong Mauler“, mit der er in Vietnam so vieles, sicher auch viel Tragisches, erlebt hat. Die Begegnung zweier Protagonisten eines Konflikts – eines Flugzeuges und eines Piloten – ist ein unglaublich emotionaler Moment. Wir betreten den Hangar, Rick geht schweigend und in sich gekehrt um die Maschine herum. Dann geht er zur Seite der Kabine, legt seine Hand auf die Cowling und steht dort ein paar Minuten in völliger Stille, den Kopf gesenkt. Ich verstehe in diesem Moment, dass sich zwei Seelen wiedergefunden haben, dass ein Buch, das lange Zeit geschlossen und verstaubt in einer Abstellkammer gelegen hatte, wieder aufgeschlagen wurde. Vielleicht hatten in diesem Augenblick auch längst verheilt geglaubte Wunden wieder angefangen zu bluten. Ich nähere mich ganz langsam und lege Rick meine Hand auf die Schulter. Er soll einfach wissen, dass ich da bin. Er dreht sich um, und wir umarmen uns. Das ist für mich das größte Geschenk – und ich werte es als ein Dankeschön dafür, dass ich Ricks Bird Dog mit meiner detailverliebten Restaurierung ein fliegendes Denkmal gesetzt habe.

Bei diesem Besuch bringt mir Rick weitere Geschenke mit, die etwas mit seiner Zeit in Vietnam zu tun haben. Darunter sind zwei Vietcong-Flaggen und die originale Pitotrohr-Abdeckung der „Mekong Mauler“. Es war sein persönliches Andenken an Vietnam, das er am Ende seiner Dienstzeit mit nach Hause nehmen konnte. In den Jahren 1967 und 1968 flog er etwa 1000 Stunden von seiner Basis Vhin Lange aus Aufklärungseinsätze über dem Mekongdelta, zuerst mit der Einheit 221a und später der 199a, den „Swamp Foxes“. Für seine Leistungen erhielt Rick sechs Air Medals. Zweimal wurde er abgeschossen, einmal mit der O-11952.

Heute denke ich jedes Mal, wenn ich in meine Bird Dog steige, über das nach, was einst in Vietnam passiert ist. Ganz ehrlich: In einem mit ein paar Markierungsraketen und Funkausrüstung auf Militär getrimmten Reiseflugzeug über den Wipfeln des von verbissenen Gegnern gehaltenen Dschungels seinen Auftrag erfüllen zu müssen – ich hätte nicht mit Rick tauschen wollen. Umso mehr mit dem Wissen, dass viele von Ricks Kameraden der Forward Air Controllers, kurz FACs, von ihren Missionen nicht zurückkamen.

Klassiker der Luftfahrt Ausgabe 04/2017