Bunt lackierte Bomber mit tödlicher Schleppe: Assembly Aircraft

Assembly Aircraft im Zweiten Weltkrieg
Bunte Vögel mit tödlicher Bomber-Schleppe

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Zuletzt aktualisiert am 28.03.2024

Im Jahr 1943 kamen die Führungsstäbe der US-Luftflotten in Großbritannien auf die Idee, aus jeder Gruppe einen kriegsmüden Bomber auszuwählen und ihn mit Mitteln zur eindeutigen Identifizierung auszustatten – zusätzliche Navigationslichter, Pyrotechnik und eine wilde, unverwechselbare, gruppenspezifische Lackierung wurden angebracht. So entstanden die neuen "Assembly Aircraft" oder Sammelflugzeuge, die Flugzeuge, die die tödliche Ansammlung von teils mehreren Hundert schweren US-Bombern hinter sich in Position brachten und sie bis über den Ärmelkanal wie eine tödliche Schleppe hinter sich herzogen.

USAAF Archive

Gelenkt von kleiner Notbesatzung

Die Signalbeleuchtungssysteme variierten von Gruppe zu Gruppe, bestanden aber im Allgemeinen aus weißen, blinkenden Navigationslampen auf beiden Seiten des Rumpfes in Form des Kennbuchstabens der Gruppe. Die gesamte Bewaffnung und Panzerung wurde entfernt, da diese Flugzeuge nicht den ganzen Weg zum Ziel zurücklegen sollten. Daher führten sie auch nur wenig Treibstoff und eine Notbesatzung von zwei Piloten, einem Navigator, einem Funker und einem oder maximal zwei Lichtsignalgebern mit. Einige Gruppen benötigten einen Beobachter, der im Heckstand flog, um die sich hinter ihm aufbauende Formation zu ordnen.

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"Spotted Ass Ape" begleitet ihre Schützlinge bis ans Ziel und zurück

Die Sammelflugzeuge starteten als erste jeder Gruppe und kreisten im Sammelraum, wobei sie ihre Lichter aufblitzen ließen und Leuchtraketen abfeuerten, bis alle ihre Schützlinge sie finden und sich hinter ihnen formieren konnten. Dann drehten sie in Richtung des Ziels ab und schlossen sich den anderen Gruppen für den Massenangriff an. Normalerweise kehrten die Sammelflugzeuge zu diesem Zeitpunkt zu ihrem Heimatflugplatz zurück, aber es ist überliefert, dass die "Spotted Ass Ape" zum Beispiel wohl mehr als einmal bis ans Ziel und zurück mitgeflogen ist. Die Bemalung dieser Flugzeuge war alles andere als taktisch oder kriegerisch, aber ihre Geschichte und ihre entscheidende Rolle bei der Zusammenstellung ihrer Gruppen machten sie zu einem Teil der weniger bekannten Geschichte der achten US-Luftflotte. Auch die Crew der "Spotted Ass Ape", eine ziemlich runtergekommene B-24, die ihre zweite Chance als Assembly Aircraft bekam.

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Ordnung ins Chaos bringen

Wenn man zurückschaut, werden die Einsätze der "Spotted Ass Ape" und anderer Sammelflugzeuge wie in der folgenden Schilderung abgelaufen sein: Über Südengland bahnt sich die Besatzung einer viermotorigen Consolidated B-24J Liberator mit dem Namen "You Can‘t Take it With You" an einem heißen, dunstigen Tag ihren Weg durch die tief hängenden Wolken. Sie ist auf dem Weg zu den Rangierbahnhöfen außerhalb Münchens. Der Tag ist dunstig, die Sicht ist schlecht, der Himmel grau. Die Tragflächen biegen sich unter der Last der Bomben und des Treibstoffs. Es ist so bockig, dass die Piloten und die Crew heftig durchgeschüttelt werden. Der Lärm im Cockpit ist donnernd, die Hitze fast unerträglich. Es riecht nach Avgas, Schweiß und Metall. Es ist Hochsommer 1944, der 20. Juli, um genau zu sein. Die Bomber sind auf dem Weg nach Deutschland, um bei einem weiteren Tagangriff ihre tödliche Last abzuwerfen. In Deutschland herrscht Aufruhr, auf Adolf Hitler wurde ein Attentat verübt, für kurze Zeit ist nicht klar, ob der Führer des Deutschen Reichs noch am Leben ist.

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Formationsflug soll Leben retten

Von alledem bekommen die jungen US-Piloten hoch oben am Himmel nichts mit. Sie sind damit beschäftigt, durch ihre schmalen Frontscheiben zu schauen, um die anderen Flugzeuge ihrer Einheit aufzuspüren. Sie sind im Begriff, sich zu einer großen Combat-Box-Formation zusammenzuschließen. In dieser ausgeklügelten Formation ist die Chance fürs Überleben am größten, denn sie können sich gegenseitig mit ihren Bordwaffen Deckung geben.

Stuart Willard

Der gepunktete Affe weist den Weg zum Ziel

Links und rechts sehen die Piloten jetzt andere Liberator, die sich durch die Wolken zu ihnen hinaufarbeiten und immer näher und näher kommen. Voraus sichten sie endlich die B-24, nach der sie schon länger Ausschau hielten. Es ist die "Spotted Ass Ape". Eigentlich können sie sie nicht übersehen. Sie trägt eine besondere Bemalung – weiß vom Kinnturm bis zur Hinterkante, bedeckt mit leuchtend roten und blauen Punkten mit einem Durchmesser von etwa 45 Zentimetern. Hinter der Flügelhinterkante ist sie grün lackiert. Und sie trägt ein Gesicht, das vermutlich mal als Haifischmaul gedacht war, aber es grinst eher wie ein dümmlicher Dackel. Sie steigt schneller auf als die anderen, denn sie ist nicht voll beladen. Sie gibt ihnen Zeichen und feuert Signalgeschosse ab. Die Lichter an ihrem Rumpf blitzen abwechselnd auf – alles, um sich für die anderen Flugzeuge ihrer Gruppe, der 458th, erkennbar zu machen. Sie hält einen gleichmäßigen Steigflug, eine gleichmäßige Geschwindigkeit und einen gleichmäßigen, vorhersehbaren Kurs und nimmt ihre Position als Assembly Ship ein.

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Luftsicherung durch bunte Signalflugzeuge – Orientierung schaffen

Mit der Einführung dieser Flugzeuge konnte etwas Ordnung in die Bildung der massiven Bomberströme gebracht werden, denn zuvor bestand beim Aufbau eines solchen, in einem eher kleinen Luftraum, jedes Mal die Gefahr einer Katastrophe. Das Wetter war oft sehr schlecht, die Besatzungen kamen frisch von der Ausbildung in den USA. Hunderte von Flugzeugen in zahlreichen Gruppen von Dutzenden von Flugplätzen in mehreren Bezirken sollten sich sammeln. Flugzeuge schlossen sich den falschen Gruppen an, manche kollidierten am helllichten Tag. Es herrschte die absolute Verwirrung. Die Assembly Ships brachten Ordnung in das Chaos, und hinter ihnen konnten sich die Bomber formieren und wurden zumindest bis über den Kanal geführt. Kurz darauf verließen die Sammler die Spitze und übergaben diese an die mit der Aufgabe betreuten Crew aus der Gruppe.

Stuart Willard

Wegweiser oder Judas?

Die bunt bemalten ehemaligen Bomber ließen oft ihre volle Beleuchtung nochmals aufleuchten, um sich endgültig von ihren Schützlingen zu verabschieden. Sie flogen zurück auf die Basen, denn schon bald würde die deutsche Flak vom Boden aus und die Jäger in der Luft über den nicht endenden Strom von Bombern herfallen. Da hätten die unbewaffneten Assembly Ships noch weniger Chancen gehabt, überhaupt zurückzukehren. Oft wurden Maschinen wie die "Spotted Ass Ape" auch als Judasziegen bezeichnet, was wenig schmeichelhaft ist, denn diese Ziegenböcke wurden einst von den Hirten ausgewählt und ausgebildet, um den Rest der Herde zur Schlachtbank zu führen.

Stuart Willard