Den Einstieg ins Flugmotoren-Business des führenden britischen Herstellers markieren der 7,4 Liter große Reihen-Sechszylinder namens Hawk und der bereits nach V12-Prinzip designte Eagle mit schon 20 Litern Hubraum, beide waren Anfang des Ersten Weltkrieges produktionsreif. Die Triebwerksentwicklung schritt wie überall rasch voran, mit dem Buzzard von 1928 und dem das Jahr darauf debütierenden "R" etablierte sich Rolls-Royce erfolgreich in der Hubraum-Oberliga. Der R fiel insofern aus der Rolle, als dass er nur in kleinen Stückzahlen rein für Rennzwecke gebaut wurde. Mit diesem Antrieb holten die berühmten Supermarine-S.6-Wasserflugzeuge 1929 und 1931 jeweils den Sieg in der renommierten Schneider-Trophy. In letzterem Jahr setzte die S.6B zudem in Sachen Geschwindigkeitsweltrekord mit 407,5 mph (655,67 km/h) eine neue beeindruckende Bestmarke, der bärenstarke R-Motor wurde in Folge auch in Rekordwagen und -booten verwendet.

Als Antrieb für die Supermarine Seagull, ein Amphibienflugzeug, diente der einstufige Griffon 29.
Entstehung des Griffon
Buzzard wie auch R verfügten über das identische Hubraumvolumen von 36,7 Litern und dienten als konstruktive Ausgangsbasis für eine neue, ursprünglich von der britischen Marine verlangte Motorengeneration in der Leistungsklasse über 1800 PS. Im November 1939 zündete der nach alter Rolls-Royce-Tradition wieder auf einen Vogelnamen getaufte Griffon erstmalig auf dem Prüfstand. Fußend auf Merlin-Erfahrungswerten wurde speziell auf weiter gesteigerte Servicefreundlichkeit und Zuverlässigkeit viel Wert gelegt. Das aufgeräumte Erscheinungsbild des Griffon zeigt nur wenige außenliegende Ölleitungen, fast alle Anbauteile, sprich Aggregate, sind übersichtlich im hinteren Bereich des Triebwerks zusammengefasst. Den Zündmagneten und die beiden Königswellen von ehedem hinten besser vibrationsgeschützt nach vorn zu verlegen (angetrieben von der Stirnraduntersetzung), erwies sich aber als goldrichtige Entscheidung. Dank dieser Maßnahme geriet das Triebwerk trotz des wesentlich größeren Hubraums nur knapp acht Zentimeter länger als sein kleiner Bruder – ein sehr gutes Resultat.
Bewährtes Konzept V12
Am bewährten Konzept V12 mit stehenden Zylindern hat Rolls-Royce nicht gerüttelt; dies bedeutet also ein identisches Strickmuster mit den vier Haupttrennflächen Ölwanne, Zylinderfuß, Zylinderkopf und Ventildeckel. Kurbelgehäuse und Zylinderbänke bestehen aus einer gegossenen Aluminiumlegierung. Die im oberen Bereich primär aus Korrosionsschutzgründen verchromten, "nassen" Laufbuchsen aus Carbonstahl sind demontierbar. Sie ragen über ihren Bund ein kurzes Stück in die Brennräume hinein, je ein weicher Alu-Dichtring ober- und unterhalb des Bundes sowie ein zusätzlicher Gummi-O-Ring bürgen für bestmögliche Gasdichtheit und Vermeidung von Kühlmittelleckagen. Motorgehäuse und Zylinderbänke werden über je 14 lange, bis in die Köpfe reichende Stehbolzen fixiert, zusätzlich ist der gesamte Zylinderkopf über weitere 24 kurze Stehbolzen mit der jeweiligen Bank verschraubt. Typisch für die Rolls-Royce-Zwölfer: der auffällige Spalt zwischen Bank und Kopf – geschuldet der Wärmeausdehnung im Betrieb und nötiger Spielraum, wenn die relativ dicken Dichtringe beim Anziehen gequetscht werden.
Aufbau des Motors
Von der siebenfach gleitgelagerten, aus geschmiedetem Chrom-Molybdänstahl bestehenden Kurbelwelle gibt es zwei wesentliche Varianten, in erster Linie abhängig vom verbauten Kompressor-Arrangement. Bei Motoren mit Zweistufenladern wie dem Griffon 65 finden sich an der vorderen Kurbelwange des ersten (V-)Zylinderpaares, zwischen drittem und viertem sowie an der hinteren Wange des letzten (V-)Zylinderpaares, die üblichen beweglich gelagerten Einsätze zur Vibrationsdämpfung; bei den Einstufen-Motoren war dies noch nicht vorgesehen. In den zierlicher ausgebildeten, hubzapfenseitigen Kurbelwangen befinden sich kleine auswechselbare Röhrchen, die sowohl als Auffang für Ölschlamm und unerwünschte Schwebeteilchen dienen als auch eine Feinabstimmung des Ölzuflusses ermöglichen. Am vorderen Kurbelwellenende ist ein innenverzahnter Flansch angeschraubt, der einen schwimmend gelagerten Ring dreht, der seinerseits per Innenverzahnung mit einer kurzen Welle verbunden ist. Selbige greift an ihrem vorderen Ende von innen ins Antriebszahnrad der Propelleruntersetzung. Diese Art von trickreicher Kupplung "filtert" zum großen Teil die auftretenden radialen und axialen Kraftspitzen zwischen Kurbelwelle und Propeller. Die gebräuchlichsten Stirnraduntersetzungen sind 1 zu 0,45 und 1 zu 0,51; bei einigen Typen wie etwa Triebwerken mit den gegenläufigen Doppelpropellern kommt auch 0,44 zur Verwendung. Dank der Umstellung auf eine Zwillingsmagnetanlage ergibt sich eine Bauteilevereinfachung mitsamt besserer Zugänglichkeit als an den beiden vormals getrennten Merlin-Magneten. Bemerkenswert sind die unterschiedlichen maximalen Frühzündungswerte der zwei Zündkerzen pro Brennraum: 45 Grad bei den einlassseitigen, 49 Grad bei den gegenüberliegenden.
Das Querschnittsprofil aller Pleuel ist I-förmig ausgelegt, sie bestehen aus geschmiedetem Stahl und sind allseitig bearbeitet. Aus Gründen möglichst geringer Bauhöhe und auch reduzierter innerer Reibung besitzen die geschmiedeten Leichtmetallkolben nur vier Ringe (Merlin: fünf), der Kolbenboden ist leicht nach innen gewölbt. Den schon bewährten Ventiltrieb mit einzelner obenliegender Nockenwelle hat man übernommen. Technisch exakt formuliert handelt es sich hierbei um eine Schlepphebelbetätigung der Ventile – bei heutigen modernen Sportmotoren ist diese Bauart (in Verbindung mit zwei obenliegenden Nockenwellen, versteht sich) nahezu Standard. Einlassseitig gleiten die Ventile in gusseisernen Führungen, am Auslass bestehen sie aus Phosphorbronze. Selbstverständlich verfügt auch der Griffon – zur besseren Wärmeableitung –über natriumgefüllte Auslassventile, die Ventilspielkorrektur erfolgt wie gewohnt per Einstellschrauben und Kontermutter. Dem hubraumstarken Griffon genügen relativ moderate Steuerzeiten mit 248 Grad Öffnungswinkel bei 28 Grad Ventilüberschneidung. Im Vergleich dazu die schärferen Werte des 27 Liter großen Merlins: 263 Grad Öffnungswinkel und 43 Grad Überschneidung. Bei den späten Merlin-Typen ist man sogar noch auf 288 beziehungsweise 70 Grad hochgegangen.
Weitere Neuerungen
Noch ein Novum: Ähnlich wie beim Jumo erfolgt die Ölversorgung der Haupt- und unteren Pleuellager durch seitlich in die hohlgebohrte Kurbelwelle zugeführten Schmierstoff. Die Fliehkraft der Welle fungiert dabei wie eine natürliche Zentrifuge und unterstützt die Druckölpumpe bei ihrer Arbeit, obendrein sind die hochbelasteten Gleitlager dank entfallener Ringnut sowohl schmaler wie auch stabiler. Unten am Motor ist eine demontierbare, mit einem mit Schwallblech zur Kurbelwelle hin abgedeckte Ölwanne angebracht. Darin befinden sich je zwei Druck- und Rückförderpumpen (Trockensumpfsystem mit externem Öltank); die Kühlstoffpumpe wird ebenfalls vom Antriebszahnrad der Ölpumpen bedient. Der Hochdruckkreislauf versorgt Kurbelwelle, untere Pleuellager, Zünd- und Propellerblattverstellung sowie den Umschaltmechanismus fürs Ladergetriebe; hier sollten immer mindestens 3,1 bar Öldruck anliegen. Der Niederdruckkreislauf führt zu Ventiltrieb, Propelleruntersetzung, Zahnrädern des Ladergetriebes und einigen weiteren Lagern. Die seitliche Einspeisung bewährt sich in der Praxis so gut, dass dies in Folge auch für die letzten Baureihen des Merlin adaptiert wird.

Da die viermotorige Avro Shackleton (im Bild) primär in niedrigen Höhen operierte, wurde bei ihren Motoren vom Typ 57 (Doppelpropeller) wieder auf den Einstufenlader zurückgegriffen. Die Wassereinspritzung sorgte bei Start und im Notfall für zusätzlichen Leistungsschub.
Weiterentwicklungen der Baureihe
Die frühen der insgesamt knapp 50, wie so oft meist nur in kleinen Details sich unterscheidenden Baureihen sind Versionen mit Einstufenladern und zwei Gängen. Auch nach Kriegsende wurden einstufige, für niedrige bis mittlere Höhen optimierte Modelle weitergebaut – so etwa der Griffon 57 für den viermotorigen See-Fernaufklärer Avro Shackleton (Erstflug 1949), der zwecks gesteigerter Start-/Notleistung über eine Wassereinspritzung verfügte. Triebwerke ab der 60er-Serie aufwärts erhalten zweistufige Lader mit zwei Gängen. Die barometrisch gesteuerte automatische Umschaltung von Boden- auf Höhengang erfolgte im Bereich zwischen 3700 und 4000 Meter; beim Griffon 65 läuft der Kompressor im Bodengang mit 5,84-facher, im Höhengang mit 7,58- facher Kurbelwellendrehzahl. Bei Bedarf können die Gänge auch manuell angewählt werden, zum Beispiel, um bei Formationsflügen in Höhen darüber den Bodengang beibehalten zu können. Zu schnelles Betätigen des Gashebels kann bei einem großvolu- migen Flugmotor zu Schäden führen, eine typische Pilotenanweisung. Gerade bei den zahlreichen bewegten Teilen eines komplexen Zweistufenladers führt dies trägheits-bedingt zu einer etwas verzögerten Kraftübertragung und damit unguter torsionaler Belastung der Kurbelwelle. Bei abruptem "Gas weg" wiederum bewirken die sich rasend schnell drehenden Laufräder in umgekehrtem, ebenso schädlichem Effekt sozusagen ein Überdrehen der Kurbelwelle. Zur Abhilfe koppelte man das hintere Kurbelwellenende zum Ladergetriebe hin mit einer kurzen Hohlwelle nebst elastischem Drehstab, was hier dämpfend wirkt.

Griffon-Triebwerke der 60er-Serie – also die typischen Spitfire-Motoren mit Zweistufenlader – wurden am häufigsten verwendet. Gut zu erkennen an der Motorrückseite die beiden hintereinander angeordneten Ladergebläse (roter Pfeil). Der rechteckige Kasten darüber ist der Gemischkühler (blauer Pfeil).
Verschiedene Vergasertypen
Abhängig vom Typ werden natürlich auch verschiedene Varianten von Vergasern eingesetzt. Für den Griffon 65 fiel die Wahl auf einen von Rolls-Royce modifizierten Bendix-Stromberg 9T/40/1, einen Druckvergaser mit automatischer Gemisch- und Ladedruckkontrolle – analog zum Merlin in "Updraft"-Anordnung, also Luftdurchströmung von unten nach oben. In seinem kastenförmigen Gehäuse befinden sich drei runde Ansaugöffnungen mit je einer Drosselklappe, alle drei Drosselklappen sitzen auf einer gemeinsamen Welle mit synchroner Betätigung via Gestänge. Der Kraftstoff wird unter Druck über acht ringförmig angeordnete Düsen mittig in das Auge des ersten Gebläses gespritzt, die etwas weiter oben sitzende Beschleunigerpumpe zielt über eine separate Düse ebenfalls Richtung Laderauge. Das Gemisch passiert beide Ladestufen und danach den Gemischkühler. Dessen getrennter Kühlkreislauf nebst eigener Pumpe arbeitet zwar mit dem gleichen Wasser/ Glykol-Mischungsverhältnis von 70 zu 30 Prozent, aber mit weniger Systemdruck (1,38 bar) als derjenige vom Motor (2,1 bar). In dem im V zwischen den Zylinderbänken angebrachten Laderohrsystem befinden sich Löscheinsätze, um das unliebsame "Backfire" zu entschärfen. Ähnlich wie die späten Muster von Napier Sabre und Bristol Centaurus verfügt auch der Griffon über eine den Piloten entlastende kombinierte Einhebelbedienung für Motordrehzahl und Ladedruck. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, bei bestimmten Situationen wie Start/Landung auf Flugzeugträgern oder Triebwerksausfall an Mehrmotorigen die Propellerblattsteigung und damit die Motordrehzahl manuell zu regulieren. Bei Trägerstarts zum Beispiel ist eine hohe Drehzahl (maximaler Schub) bei relativ geringem Ladedruck gefordert, was in dieser kritischen Phase eine Rollbewegung des Flugzeugs vermei-den soll.

Bei den frühen Fairey Firefly saßen die Kühler unterhalb des Triebwerks. Mit Einführung der zweistufigen Griffons hat man jene strömungsgünstig in die Flügelnasen links und rechts des Rumpfs verlegt.
Der Griffon im Dienst
Eines der ersten Flugzeuge mit Griffon-Antrieb ist neben der Spitfire Mk. XII die Fairey Firefly, ein trägergestützter Jäger und Torpedobomber der britischen Marine. Die Firefly wird nahezu zeitgleich mit dieser ersten Griffon-Spitfire im Frühjahr 1943 in Dienst gestellt und erreichte Bekanntheit durch ihre Beteiligung bei der Kenterung des Schlachtschiffs Tirpitz im November 1944. Die maximale Notleistung der einstufigen Griffons bewegt sich je nach Version im Bereich zwischen 1800 und 2000 PS. Der Januar 1944 markierte den Einsatzbeginn der Spitfire Mk. XIV mit dem zweistufigen Griffon-65-Triebwerk und Fünfblattpropeller. Selbst mit gängigem 100-Oktan-Kraftstoff (Notleistung 2,25 bar Ladedruck) zeigt sie sich den deutschen Jägern dieser Phase als leistungsmäßig überlegen, ihre Höchstgeschwindigkeit betrug 720 km/h in 7700 Metern Höhe. Noch vor Kriegsende gab es nach positiven Versuchen mit der Verwendung von 115-Oktan-Sprit Freigaben für 2,46 bar Ladedruck; damit sind in der Höhe Notleistungen von zirka 2200 PS genannt. Dank seiner Performance geriet der Griffon natürlich bei weiteren Herstellern in den Fokus. Die britische Firma Martin-Baker hatte für den Nachfolger ihres anfänglich mit Napier-Sabre-Triebwerk bestückten Jägers M.B.3 den Griffon 83 mit Doppelpropeller auserkoren. Diese höchst vielversprechende M.B.5 hatte im Mai 1944 ihren Jungfernflug, eine Serienproduktion stand aber nicht mehr zur Debatte. Gleiches Schicksal ereilte die ebenfalls nur als Einzelstück gebaute CA-15 Kangaroo der australischen Commonwealth Aircraft Corporation.
Ende der Produktionszeit
Auch nach Kriegsende blieb der Greif gefragt und durfte sich einer erstaunlich langen Produktionszeit erfreuen. Sie endete erst 1955 und währte damit immerhin fünf Jahre länger als beim Merlin, insgesamt sollen rund 8100 Motoren ausgeliefert worden sein. Erwähnenswert sind noch die besonders potenten, in wenigen Exemplaren gefertigten Griffon 101 und 130 (Doppelpropeller). Sie verfügten über Zweistufenlader mit drei Getriebegängen und erreichten mit 2,74 bar Ladedruck eine Notleistung von 2420 PS in 1500 Metern Höhe. Eine weitere Evolution in Form von Benzindirekteinspritzung und Turboladersystemen war angedacht, aber durch die rasante Entwicklung der Strahltriebwerke zwangsläufig obsolet. Dennoch trat der Griffon sozusagen mit einem Ausrufezeichen aus dem Rampenlicht: ein Motor vom Typ 101 trieb die nicht mehr in Serie gegangene Supermarine Spiteful Mk.16 auf offiziell getestete 795 km/h in 8700 Meter – hinter Republic XP-47J und North American XP-51G Mustang bedeutet das Rang drei der schnellsten Kolben- motorjäger aller Zeiten.

Die Spitfire Mk. XIV präsentiert ihren Griffon 65. Auffällig: der große trapezförmige Alu-Motorträger. Beim Merlin noch unter dem Motor platziert, wanderte der Ölbehälter in die Nähe des vorderen Rumpftanks (verdeckt).
Technische Daten
Rolls-Royce Griffon 65
(Stand Mitte 1944)
Bauart: 60-Grad-V12, stehend
Kühlung: flüssigkeitsgekühlt
Hubraum: 36,7 Liter (Bohrung x Hub 152 x 168 mm)
Verdichtung: 6:1
Ventiltrieb: ohc-Königswelle, 4 Ventile pro Zylinder
Startleistung: 1850 PS (1360 kW) bei 2750/min und 1,84 bar Ladedruck in 0 m Höhe
Lader: Zweistufen-Schleuder- gebläse, 2 Gänge
Zündung: B.T.H. CSH12-12S/4- Zwillingszündmagnet, kontaktgesteuert
Gemischaufbereitung: Rolls-Royce Bendix-Stromberg 9T/40/1-Druckvergaser
Kraftstoff: 100 Oktan
Verbrauch: niedrigst ca. 260 Liter/h
Schmierstoff: Einbereichsöl SAE 60
Ölverbrauch: niedrigst ca. 6 Liter/h
Anlasser: Plessey L3/1HT Coffman; oder elektrisch
Trockengewicht (mit Anlasser): 948 kg