Der Boden des Wessex-Hubschraubers hört auf zu vibrieren: Wir sind gelandet. Die Tür öffnet sich, und schon schlagen dem Besucher die typischen Geräusche auf dem Deck eines Flugzeugträgers entgegen. Auf der HMS „Ark Royal“ herrscht Hochbetrieb. Während eine Phantom FG1 mit vollem Nachbrenner das Deck verlässt, befindet sich eine Blackburn Buccaneer bereits im Landeanflug. Die „Carrier“ genannte Ausstellung stellt das Herzstück des Fleet Air Arm Museum beim britischen Marinefliegerstützpunkt Yeovilton im Südwesten Englands dar. Den Planern ist es gut gelungen, die Atmosphäre auf dem letzten, mit konventionellen Flugzeugen ausgerüsteten Flugzeugträger der Royal Navy, der 1978 ausgemusterten „Ark Royal“, wiederzugeben. Sie setzen auf eine Kombination von echten Fluggeräten und Ausrüstungsstücken und riesigen Filmleinwänden. Einen guten Eindruck von den Einsatzabläufen auf dem Träger gibt eine Tour durch das Innere des Schiffs.
Das Mitte der 60er Jahre gegründete Museum besteht heute aus insgesamt vier Hallen, ein Freigelände gibt es nicht. Die erste Halle war bis 2008 der Frühgeschichte der britischen Marineflieger gewidmet. Im Jahr 2010 zeigte sie jedoch eine Sonderausstellung anlässlich des Jubiläums „100 Jahre Fleet Air Arm“. Die Teilstreitkraft wurde im Jahr 1909 gegründet und betrieb zunächst Luftschiffe. Am 10. Januar 1912 startete schließlich Leutnant Charles Samson mit einer Short S.27 vom Deck der HMS „Africa“, es sollte der erste Flug einer britischen Maschine von einem Schiff der Royal Navy aus werden. Ein Nachbau der S.27 begrüßt den Besucher daher am Eingang der Sammlung. Die Spanne der Exponate in diesem Bereich reicht vom seltenen Doppeldecker Sopwith Pup, einer Fairey Firefly über eine von vier weltweit existierenden Supermarine Walrus bis hin zum letzten Jet der Royal Navy, dem BAE Sea Harrier FA2. Die Hubschrauber in Diensten der Fleet Air Arm (FAA) werden von drei Westland-Mustern vertreten: der Dragonfly und der noch im aktiven Dienst stehenden Lynx und Sea King.
Seltene Exponate aus den Zweiten Weltkrieg

In der zweiten Halle stehen der Zweite Weltkrieg und der Koreakrieg im Vordergrund, anhand vieler Exponate und Dioramen anschaulich dargestellt. Ein Highlight lässt sich hier erst auf den zweiten Blick erkennen: Innerhalb von drei Jahren stellten Experten mit Methoden, die schon fast „CSI“-Niveau haben, den Originalzustand der Oberfläche der Goodyear Corsair wieder her. Wie ihre Kollegen in der Fernsehkrimireihe untersuchten sie genauestens jeden Millimeter des Jägers und entfernten die im Jahr 1963 aufgetragene Lackierung, um die ursprünglichen Markierungen freizulegen. Der nun sichtbare Anstrich und die Markierungen der Corsair mit der Kennung KD431 stammen original aus dem Jahr 1944. Auch die Abnutzungsspuren stammen aus den Jahren 1944 und 1945.
Direkt ins Auge fallen dagegen die beiden ausgestellten Fairey-Typen Albacore und Fulmar, bei denen es sich um die letzten erhalten gebliebenen Exemplare handelt. Nicht fehlen darf natürlich die berühmte Fairey Swordfish. Die Grumman-Muster sind durch Avenger und Hellcat repräsentiert, während sich die Wildcat (Martlet) gerade in der Restaurierung befindet. Aus Japan stammt die Yokusuka Ohka, eine raketengetriebene, fliegende Bombe für den Einsatz von Kamikaze-Piloten.
Concorde und Senkrechtstarter





Der Eingang in Halle 3 erfolgt durch eine Westland Wessex, schließlich ist hier der „Carrier“ beheimatet. Auf dem Flugdeck zu bewundern sind unter anderem eine von drei kompletten Supermarine Scimitar überhaupt, die einzige verbliebene Supermarine Attacker, eine seltene de Havilland Sea Vampire, eine de Havilland Sea Vixen sowie eine Hawker Sea Hawk. Auch eine Fairey Gannet in der Frühwarnversion ist vorhanden.
Nicht direkt mit der maritimen Fliegerei haben die meisten der Exponate in Halle 4 zu tun. Dafür gibt es aber jede Menge Exoten zu sehen, schließlich widmet sich die „Leading Edge“ genannte Sektion den Fortschritten in der Erforschung von Luftfahrttechnologien. Das Gebäude ist sozusagenum den zweiten Prototyp der Concorde herum entstanden. Die Maschine mit der Kennung G-BSST war am 9. April 1969 in Filton bei Bristol zu ihrem Erstflug gestartet und absolvierte insgesamt 438 Einsätze. Der letzte Flug führte am 4. März 1976 nach Yeovilton, wo der im Besitz des Science Museum befindliche Überschall-Airliner seitdem ausgestellt ist. Gesellschaft erhält er von zwei Forschungsflugzeugen, die unmittelbar mit dem Concorde-Programm verbunden waren. Bei der BAC 221 handelt es sich ursprünglich um die erste Fairey Delta 2, die zur Erprobung eine der Flügelform des Verkehrsflugzugs angenäherte Tragfläche bekam. Die British Aircraft Corporation hatte Fairey im Jahr 1960 übernommen und die Maschine entsprechend umgerüstet. Sie diente noch bis 1973 zu Versuchen. Während die BAC 221 für den Hochgeschwindigkeitsbereich zuständig war, sollte die Handley Page HP115 das Verhalten eines Flugzeugs mit einem stark gepfeilten Deltaflügel bei langsamen Geschwindigkeiten erproben. Sie flog am 17. August 1961 erstmals und ging erst 1974 in den Ruhestand. Ebenfalls als Testflugzeug diente der Senkrechtstarter Hawker P1127, Vorläufer des heutigen Harriers. Nie geflogen ist dagegen die Westland Wyvern mit der Kennung VR137. Sie ist das einzige erhalten gebliebene Exemplar der 127 gebauten, imposanten Turboprop-Jäger mit doppelläufiger Luftschraube. Als Wyvern TF1 ist sie das letzte Vorserienflugzeug, das noch mit dem Kolbenmotor Rolls-Royce Eagle ausgestattet war. Der nach einem mystischen Drachenwesen benannte Jäger stand lange in der sogenannten Reserve-Sammlung in der nahe gelegenen Cobham Hall. Dort lagert das Museum Teile seines Inventars von insgesamt rund 90 Fluggeräten, die aus Platzgründen nicht gezeigt werden können. Bleibt zu hoffen, dass bald weitere Schätze der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht werden.
Klassiker der Luftfahrt Ausgabe 01/2010