Lockheed P-2 Neptune - U-Boot-Jäger

U-Boot-Jäger
Lockheed P-2 Neptune

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Zuletzt aktualisiert am 26.10.2017

Der erste Prototyp flog noch vor Kriegsende

Am 29. September 1946 hob eine Lockheed P2V-1 Neptune im westaustralischen Perth ab und nahm Kurs auf die USA. Vier Mann Bestzung und ein Känguru als Maskottchen schickten sich an, mit der erst dritten Maschine dieses neuen Typs einen Rekord aufzustellen, indem sie ohne Luftbetankung die Strecke bis nach Washington D.C. non-stopp zurücklegen wollten. Zwar wurde die Maschine  mit der Baunummer 89082 und dem Eigennamen „The Turtle“ (Die Schildkröte) wegen widriger Wetterbedingungen gezwungen, bereits in Port Columbus, Ohio, herunterzugehen, doch hatte sie bis dahin schon 18 078 Kilometer in 55 Stunden und 17 Minuten Flugzeit zurückgelegt – der Rekord stand, und das bis 1986! Gebrochen wurde er erst von Burt Rutans Voyager. Als die US Navy im Februar 1970 auf der NAS Brunswick die Neptune außer Dienst stellte, trug die letzte fliegende Maschine den Namen „The Last Fleet Turtle“. Pilot war, wie schon beim 25 Jahre zurückliegenden legendären Rekordflug, Thomas Davies.

Zwischen diesen beiden Daten lag eine ereignisreiche Zeit für dieses Flugzeugmuster, das bei den US-Streitkräften, in Südamerika und Kanada, in Europa und Japan im Dienst stand, vor allem natürlich als Patrouillenflugzeug und als U-Boot-Jäger. Neptunes halfen aber auch bis dahin unerforschte Gebiete zu kartieren, flogen als Erprobungsträger für zahlreiche Waffen und Ausrüstungen und absolvierten ungezählte Such- und Rettungsflüge. Und so war die Außerdienststellung Anfang 1970 noch lange nicht das Ende dieses außergewöhnlichen Flugzeuges, das bis 1978 bei zwölf Einheiten der Navy- Reserve eingesetzt wurde und noch bis zum Ende der 1990er Jahre bei den japanischen Selbstverteidigungskräften flog.

Bereits gegen Ende des Zweiten Weltkrieges zeichnete sich ab, dass die Entwicklung der U-Boot-Waffe künftig enorme Anstrengungen zur Abwehr dieser neuen Bedrohung erfordern würde. Lockheed hatte dabei die Nase vorn mit seiner PV-Serie verschiedener Patrouillenbomber, der Hudson, der Ventura und der Harpoon.


Doch schon 1941 brauchte die Navy ein größeres Flugzeug mit mehr Reichweite und verbesserter Waffenzuladung. Also gab Mac Short, Vizepräsident der Vega Airplane Company im Lockheed-Konzern am 6. Dezember jenes Jahres eine Studie für ein solches Flugzeug unter der Bezeichnung V-135 in Auftrag. Leiter des Teams wurde Vega- Chefingenieur John Wassall.

So entstand auf dem Papier ein zweimotoriger Hochdecker mit ferngesteuerten Waffentürmen, Dreipunktfahrwerk und der Möglichkeit, in einem internen Schacht Abwurfwaffen mitzuführen. Bei Lockheed arbeitete man vorausschauend, immer in Erwartung eines Bauauftrages, der auch tat-sächlich am 19. Februar 1943 über zwei Prototypen XP2V-1 lautete. Zu diesem Zeitpunkt war aus der V-135 bereits die V-146 geworden, die gegenüber ihrer Vorgängerin einen Mitteldecker mit größeren Leitwerken vorsah. Am 4. April 1944 erhielt Lockheed den Auftrag, die Bauunterlagen für 15 Vorserienflugzeuge auszuarbeiten, und so wurde der erste Prototyp (BuNo 48237) noch im Mai 1945 fertiggestellt. Den Erstflug unter Joe Towle absolvierte er am 14. Mai.

Obwohl sie jetzt bereits eine Leermasse aufwies, die eigentlich der projektierten maximalen Abfl ugmasse entsprach, verlief die Flugerprobung sehr zufriedenstellend. Das Kriegsende jedoch machte alle Hoffnungen auf Folgeaufträge zunichte, denn das erste, eigentlich fest bestellte Produktionslos wurde nun auf 14 P2V-1 beziehungsweise 51 bis dahin weiterentwickelte P2V-2 zusammen- gestrichen. Bei der neuen Variante war die gläserne Beobachternase mit vorher zwei 12,7-mm-MGs von einer festen Verkleidung ersetzt worden, die jetzt sechs 20-mm-Kanonen beherbergte.

Die 14 „Einser“ wurden bis März 1947 ausgeliefert und hatten unter den Tragflächen Aufhängepunkte für sechzehn 12,7-cm- Raketen oder vier 30-cm-Flugkörper „Tiny Tin“. Die erste Maschine dieser Kleinserie war die „Schildkröte“, die für den Rekordfl ug völlig ausgeräumt worden war, aber über vier Starthilfsraketen verfügte. Die Maschinen bildeten die erste Neptune-Staffel VP-ML-2 auf der Navy-Basis Miramar.

Die fünfte P2V-1 (BuNo 89086) war gleichzeitig der Prototyp für die nächste Generation, die mit neuen Wright-Motoren mit Wassereinspritzung ausgerüstet wurde. Die Erstbestellung von 51 Flugzeugen, die noch den unmittelbaren Nachkriegseinsparungen geschuldet war, wurde am 13. September 1946 um weitere 30 ergänzt. Die erste dieser Maschinen hob am 7. Januar 1947 zum Erstflug ab, und ab dem neunten Exemplar wurde der Rückenturm von Bell von einem Emerson-Modell abgelöst. Eine Maschine (BuNo 122449) wurde zur P2V-3C umgebaut, die außer den beiden Kanonen auf dem Rumpfrücken keine weitere Abwehrbewaffnung besaß. Sie stand auch für Starts und Landungen auf Flugzeugträgern zur Verfügung, als die Navy versuchte, aus Neptunes strategische Bomber abzuleiten.

Langstreckentraining für Nuklearwaffeneinsatz

Nach dem Langstreckenrekord dienten einige Flugzeuge für Polarflüge und solche zur Messung des Magnetfeldes der Erde. Für dieses Forschungsprogramm „Sky Jump“ wurden zwei Maschinen in P2V-1N umgerüstet, mit Skifahrwerken und langen Hecksteißen als Verkleidung für Magnetometer, Kameras sowie diverser wissenschaftlicher Ausstattung.

Zwei Monate vor der North American XAJ-1 Savage startete eine P2V-2 erstmals erfolgreich vom Deck des Flugzeugträgers „Coral Sea“ aus. Obwohl eigentlich die Savage als Atomwaffenträger der Navy gedacht war, bestellte diese nun elf weitere Neptunes in der Version P2V-3C, die in der Lage sein sollten, jeweils eine 4400-kg-Atombombe Mk I mit 14 Kilotonnen Sprengkraft zu transportieren. Diese Bombe unterschied sich nur geringfügig von jener, die in Hiroshima abgeworfen worden war, und im Falle eines Versagens des Savage-Programms hatte die Navy so dennoch die Möglichkeit, Nuklearwaffen zum Einsatz zu bringen.

Obwohl es mit der BuNo 122969 in Patuxent River auch Versuche gab, mit Hilfe eines Fanghakens Trägerlandungen durchzuführen, fanden solche in der Praxis nie statt. Eher ging man davon aus, dass Neptunes im Falle eines Trägerstarts bei der Rückkehr entweder „befreundete“ Landbasen anfliegen oder in unmittelbarer Nähe der Trägerkampfgruppe wassern sollten.

Der Grund für diese Notlösung lag darin, dass die Flugzeuge einfach zu schwer waren und eine viel zu große Spannweite hatten, um auf Trägerdecks einigermaßen sicher heruntergehen zu können.

Obwohl die Neptune nicht gerade der ideale Atomwaffenträger für die Navy war, wurde sie dennoch erst 1952 endgültig von der AJ-1 abgelöst. Bis dahin führten die P2V-3C einige spektakuläre Langstreckenflüge durch, mit denen sie ihre Fähigkeit demonstrierten, im Ernstfall Ziele tief in der Sowjetunion angreifen zu können. Dafür wurden einige dieser Flugzeuge bei den „Composite Squadrons“ VC-5 und VC-6 in Marokko stationiert, von wo aus sie bei Bedarf an Bord von im Mittelmeer operierenden Flugzeugträgern der Midway-Klasse der 6. Flotte gehen konnten. Obwohl diese Maschinen aller weiterer militärischer Ausrüstung entkleidet waren, waren sie doch sehr schwer; eine Neptune erreichte sogar einen Rekord, als sie am 21. April 1950 mit 33 869 kg Startmasse vom Deck der „Coral Sea“ abhob.

Eine der Hauptaufgaben der Neptunes war die Frühwarnung vor gegnerischen Luftangriffen, und so wurden 30 Exemplare der Version P2V-3W mit dem Radar APS-20 und zwei Arbeitsplätzen für Operatoren an Bord ausgeliefert, untergebracht in einem Radom unter dem Rumpf, das mehr als doppelt so groß war als die bisher eingesetzten. Die 3er-Serie fand schließlich ihren Abschluss mit zwei -3Zs als VIP-Transporter, mit sechs Passagiersitzen und gepanzerter Kabine. Bei der nachfolgenden Serie P2V-4 wurden erstmals unter den Flügelspitzen hängende Zusatztanks eingeführt, und das erste dieser Exemplare absolvierte am 14. November 1949 seinen Jungfernflug. Ab der 21. Maschine wurde dann auch der leistungsfähigere Antrieb R-3350-30W installiert, und so verbesserten sich die Flugleistungen der Neptune enorm.

Während des Kalten Krieges führten die Patrouillenflüge vor allem im Pazifik oft gefährlich nahe an sowjetisches Territorium heran; hin und wieder gab es auch Verletzungen des Luftraumes seitens der Neptunes. Die Russen reagierten hart, und schossen Anfang der 1950er Jahre zwei Maschinen ab beziehungsweise zwangen eine zur Notlandung, nachdem sie von MiGs beschädigt worden war. Im Koreakrieg nahmen sieben Staffeln mit P2V teil, wo sie Patrouillen- und Aufklärungsflüge durchführten, aber auch Bombenangriffe gegen Landziele flogen, vor allem gegen Eisenbahnanlagen. Dabei wurden drei Versionen eingesetzt, und zwar die -3, -4 und -5. Trotz vieler Einsätze gingen jedoch nur zwei Maschinen durch Feindeinwirkung verloren. Die erste wurde bereits im August 1950 von nordkoreanischer Flak abgeschossen.

Technische Daten

Lockheed P2V-5F

Naval Air Reserve, NAS Oakland, 1959

Verwendung: Seeaufklärer und U-Boot-Jagdflugzeug
Besatzung: 10 Mann
Antrieb: zwei Wright Cyclone R-3350-30W (je 2790 kW Leistung) sowie zwei Turbojets Westinghouse J34-WE-34 mit je 14,5 kN Schub
Länge: 27,79 m
Spannweite: 31,42 m
Höhe: 8,56 m
Leermasse: 21 660 kg
max. Startmasse: 34 540 kg
Höchstgeschwindigkeit: 520 km/h
Marschgeschwindigkeit: 330 km/h
Reichweite: 7650 km
Dienstgipfelhöhe: 7700 m
Bewaffnung: 20-mm- und 12,7-mm MGs, 3630 kg Raketen, Wasserbomben, Minen oder Torpedos

Teil 2: Lockheed P-2 Neptune - Schnelle Attacke dank Turbojets

Klassiker der Luftfahrt Ausgabe 01/2013