Air Capital of the World (Luftfahrthauptstadt der Welt) nennt sich die Stadt Wichita im US-Bundesstaat Kansas selbstbewusst. Die Namensgebung kommt nicht von ungefähr, denn im rund 380 000 Einwohner zählenden Ort sind mit der Cessna Aircraft Company, mit Beechcraft, Boeing und mit Bombardier Learjet führende Flugzeughersteller sowie Zulieferer wie Spirit AeroSystems beheimatet. Der Namenszusatz der Stadt ist aber nicht neu, er stammt aus den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts, als Wichita über 20 Flugzeughersteller beherbergte.
Wer allerdings mit der Erwartungshaltung zum Museum reist, er würde ein dem Anspruch der Stadt entsprechendes Museum vorfinden, der wird enttäuscht sein. Zwar sind in dem Museum rund 40 Flugzeuge ausgestellt, von der einsitzigen, einmotorigen Mooney Mite bis zur Boeing B-52D Stratofortress, aber viele der Flugzeuge haben schon deutlich bessere Tage gesehen. Das Kansas Aviation Museum ist eine - verglichen mit der Luftfahrtgeschichte der Stadt Wichita – junge Einrichtung. Es wurde erst im April 1991 eröffnet. Das Gros der Museumsarbeit wird von ehrenamtlichen Helfern geleistet. Dabei ist schon das Museumsgebäude eine luftfahrthistorisches Schätzchen. 1930 erfolgte die Grundsteinlegung für das damalige Verwaltungs- und Abfertigungsgebäude des Midcontinent Airports. Damals gab es keine Nonstopflüge von der US-Ost- an die Westküste, so dass viele Flugzeuge in Wichita einen Stopp einlegen mussten. Im Zweiten Weltkrieg landeten hier im Durchschnitt alle 90 Sekunden ein Flugzeug. 1951 übernahm die US Air Force den Platz und nutzte das Gebäude bis 1984. Dann wurde es sich selbst überlassen, bis die Wichita Aeronautical Historical Society in das ehemalige Terminal einzog, um die regionale Geschichte der Luftfahrt darzustellen.
Im Freigelände des Museums, das direkt an die McConnell Air Force Base grenzt, stehen mit der Boeing B-47 Stratojet, der B-52D Stratofortress, einer Boeing KC-135E, einer Boeing 727 von Fed-Ex sowie einer Boeing 737-200 die größten Ausstellungsstücke des Museums. Die B-52 hat einen engen Bezug zur größten Stadt des Bundesstaates Kansas, war hier doch neben Seattle die zweite Fertigungslinie für den schweren Bomber zu Hause. Die B-52 steht heute noch regelmäßig unter Beobachtung russischer Satelliten, denn im Rahmen der Abrüstungsverträge wurde vereinbart, dass sie als Museumsflugzeug nicht mehr als 30 ft (zehn Meter) von ihrem Parkplatz bewegt werden darf.
Die B-47 Stratojet kam 2009 nach ihrer Restaurierung ins Museum und steht nun weniger als eine Meile von der Fabrikhalle entfernt, in der sie einst gebaut worden war. Es war ein Glücksfall für das Museum, dass das Messegelände der Oklahoma State Fair modernisiert und die dort stehende B-47 verschrottet werden sollte. In nur 30 Tagen brachte das Museum das Geld für den Ankauf des Bombers auf, der sonst zerstört worden wäre. So konnte ein wichtiges Stück lokaler und nationaler Luftfahrtgeschichte erhalten bleiben.
Das Museum kann nicht nur mit den großen Exponaten glänzen. Ganz im Gegenteil: Zu den selten ausgestellten Flugzeugen gehört beispielsweise ein Learjet 23, der Urahn der sehr erfolgreichen Learjet-Business-Jet-Familie, die zwar zum Teil in der Schweiz entwickelt worden ist, aber bis heute in Wichita gebaut wird. Auch der Trainings-Doppelsitzer T-37, auf dem auch viele Luftwaffe-Piloten ihre ersten Strahlflugzeug-Erfahrungen sammelten, hat Wurzeln in der Stadt. Er wurde hier von Cessna in großen Stückzahlen gefertigt.
Sehenswert ist die große Sammlung von historischen Propellern und Motoren, darunter findet sich als besonders interessantes Exponat auch ein Vierzylinder-Dampfmotor, der zwischen 1914 und 1916 entwickelt worden ist. Er soll auch tatsächlich in einem Flugzeug geflogen sein. Der älteste Flugmotor in der Ausstellung ist ein Kemp-Vierzylinder-Reihenmotor und stammt aus dem Jahr 1911. In der „Kansas Aviation Hall of Fame" sind Menschen aus Kansas verewigt, die in der Luftfahrt Großes geleistet haben, wie zum Beispiel Amelia Earhart, Clyde Cessna, Loyd Stearman, Walter und Olive Ann Beech oder die beiden Garmin-Gründer Gerry Burrell und Min Kao.
Es gibt auf jeden Fall schönere und größere Museen mit besser erhaltenen Flugzeugen. Deshalb planen die Museumsbetreiber langfristig den Bau eines neuen Ausstellungshangars, in dem die restaurierten Flugzeuge nicht Wind und Wetter ausgesetzt sind. Es ist dem Museum zu wünschen, dass es von der lokalen Industriedie Unterstützung erhält, die notwendig ist, um ein solches Vorhaben zu realisieren. Wer nach Wichita kommt, sollte auf jeden Fall einen halben Tag für einen Besuch des Kansas Aviation Museums einplanen. Hier kann man sehen und spüren, warum Wichita sich zu Recht „Air Capital of the World" nennt.
Klassiker der Luftfahrt Ausgabe 06/2013