Während des Zweiten Weltkriegs fehlte der US Army Air Force (USAAF) im Pazifik ein Flugzeug, das geeignet war, strategische Aufklärung zu betreiben. Die USAAF behalf sich mehr schlecht als recht mit Lösungen wie umgebauten Lockheed P-38 Lightning oder B-24 Liberator. Allerdings fehlte es diesen Mustern an Reichweite (P-38) oder Geschwindigkeit (B-24), um erfolgreich über dem Pazifik mit seinen ungeheuren Entfernungen zwischen der Heimatbasis und den militärisch interessanten Zielgebieten agieren zu können. Im Oktober 1943 war der Bedarf an Langstreckenaufklärung so dringend, dass die USAAF ein Pflichtenheft für einen Langstreckenaufklärer für große Höhen an die Industrie gab. Das US Air Technical Service Command auf dem Wright Field in Dayton, Ohio, hatte die ehrgeizigen Ziele formuliert. Jedoch äußerten nur zwei Firmen ernsthaftes Interesse an einem solchen Projekt und gaben Vorschläge ab. Hughes Aircraft aus Culver City in Kalifornien – die Firma des exzentrischen Unternehmers Howard Hughes – schlug die Hughes XF-11 vor, während die Republic Aviation Corporation aus Farmingdale im US-Bundesstaat New York die XF-12 ins Rennen schickte. Republic reichte ihren Vorschlag im Dezember 1943 bei der Army Air Force ein. Beide Firmen erhielten im März 1944 einen Auftrag zum Bau von je zwei Prototypen, was insofern erstaunlich ist, als dass beide Firmen keine Erfahrung mit Aufklärungsflugzeugen hatten. Für die Entwicklung und den Bau der ersten beiden Exemplare der XF-12 erhielt Republic 6,5 Millionen Dollar.
Entwicklung und Prototypenbau
Bis zum Juni 1944 hatte das Entwicklungsteam unter der Leitung von Chefingenieur Alexander Kartveli nicht, wie mit der Army Air Force vereinbart, nur die Zeichnungen fertig, sondern auch noch ein 1:1-Modell aus Holz in Farmingdale gebaut. Nach der Besichtigung von einer technischen Kommission wurde das Modell leicht geändert, und im November 1944 genehmigte die Army Air Force den Bau der Flugzeuge. Optisch war die XF-12 schon ein Vorgriff auf die Dinge, die da kommen sollten: Das ganze Flugzeug ähnelte mehr einem Jet denn einem Propellerflugzeug.
Der Mitteldecker verfügte über einen zigarrenförmigen Rumpf mit einer sehr spitz zulaufenden Bugsektion. Die Tragflächen hatten eine große Streckung und waren nicht gepfeilt. Um die Anflug- und Landegeschwindigkeit auf ein erträgliches Maß zu reduzieren, verfügte die XF-12 über große, zweifach ausgeführte Klappen, die sich über 50 Prozent der Flügellänge hinzogen.
Die langgestreckten Motorgondeln, die weit über die Flügelhinterkanten hinausragten, sahen nicht so aus, als ob sich unter ihnen Sternmotoren verbergen würden, sondern wie die Verkleidungen von Turboproptriebwerken. Allerdings arbeiteten hinter den sehr schlanken Verkleidungen wirklich Sternmotoren, und zwar je ein R-4360 Wasp Major von Pratt & Whitney mit 28 Zylindern in vier Reihen und einer Startleistung von 3460 PS. Die Kühlluft für die Motoren kam nicht durch die vorderen Öffnungen der Motorgondeln, sondern durch einen langen Schlitz an den Tragflächenvorderkanten zwischen den Motoren. Durch die günstige aerodynamische Formgebung und die Abgasführung entstand ein zusätzlicher Schub von 800 lbs in Einsatzflughöhe.
Alexander Kartveli ist der Schöpfer der P-47 Thunderbolt. Während diese eine eher schwerfällige Erscheinung war, versuchte Kartveli mit seiner Mannschaft, bei der XF-12 aerodynamisch alles herauszuholen, was seinerzeit machbar war. Er garantierte den Auftraggebern eine Maximalgeschwindigkeit von 462 mph (401 kts/743 km/h) in 40 000 Fuß Flughöhe sowie eine Dienstgipfelhöhe von 45 000 Fuß, wenn der Tank nur noch zur Hälfte gefüllt war. Mit dieser Kombination von Flughöhe und Geschwindigkeit wäre die XF-12 für die meisten Propeller-Jagdflugzeuge unerreichbar gewesen.
Die XF-12 war ein überraschend großes Flugzeug mit einer Spannweite von über 40 Metern und einer Länge von 32,56 Metern. Das lag daran, dass Kartveli eine besondere Idee für seinen Aufklärer hatte: Die siebenköpfige Besatzung der XF-12 sollte – anders als beim Hughes-Entwurf – nicht nur ihr Zielgebiet mit hochpräzisen Kameras fotografieren, sondern die Filme auf dem Rückflug gleich entwickeln und damit wertvolle Zeit sparen. Im Rumpf war zu diesem Zweck eine eigene Dunkelkammer mit allen notwendigen Vorrichtungen eingebaut. Zusätzlich hatte Kartveli vorgesehen, die Viermot mit den neuesten technischen Gerätschaften wie Radarhöhenmesser und Geländeradar auszustatten.
Für Aufklärungsmissionen bei Nacht war vorgesehen, extrem helle Blitzbomben vom Typ AN/M-46 abzuwerfen, um das Zielgebiet zu beleuchten. Die XF-12 konnte bis zu 18 dieser Leuchtbomben im Rumpf mitführen.
Das Cockpit wies noch eine technische Besonderheit auf: Es verfügte über eine versenkbare Frontverglasung. Die Sicht nach vorne war für die Piloten der XF-12 bei hohen Anstellwinkeln sowie bei diffusen Lichtverhältnissen schlecht. Um die Sicht zu verbessern, ließ sich die aerodynamisch sehr günstige Bugverglasung in der Rumpfspitze versenken. Die Piloten mussten danach aber nicht im Freien sitzen, sondern hatten noch eine normale Cockpitverglasung vor sich.
Die beiden Prototypen wurden erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs fertig. Sie trugen die militärischen Seriennummern 44-491001 und 44-491002, bei denen die ersten beiden Ziffern auf das fiskalische Beschaffungsjahr 1944 hinwiesen.
Erstflug der XF-12
Am 7. Februar 1946 startete der erste Prototyp der XF-12 mit einer dreiköpfigen Besatzung unter der Führung von Republics Cheftestpilot Lowry Brabham in Farmingdale zum Jungfernflug. Das Flugzeug war ein Traum zu fliegen, besonders im Reiseflug, aber beim Landen erwies sich die schöne XF-12 als Biest. Bugfahrwerke hatten sich noch nicht durchgesetzt und wurden von älteren Ingenieuren sowieso argwöhnisch betrachtet. Das niedrige Fahrwerk mit den großen Rädern war keine gute Konstruktion, es neigte bei hohen Geschwindigkeiten zum Flattern und Ausbrechen. Bei einem Testflug brach ein Hauptfahrwerksbein, so dass über Monate nicht geflogen werden konnte.
Die US Army Air Force war jedoch noch vom Projekt überzeugt und entschied sich gegen die XF-11 von Howard Hughes. Sie bestellte 20 Flugzeuge, die spätestens ab 1948 als R-12A in Dienst gestellt werden sollten. Am 12. August 1947 flog die zweite XF-12 mit vollständiger Kamera- und Radarausrüstung. Im September 1947 wurde die US Army Air Force eine eigene Teilstreitkraft und nannte sich fortan US Air Force (USAF). Die Bezeichnung der Flugzeuge wurde ebenfalls reformiert, und aus der XF-12 wurde die XR-12 (R für Reconnaissance/Aufklärung). Jedoch geriet die USAF schnell nach ihrer Gründung unter finanziellen Druck. Man wollte die Zahl der Muster in der Flotte limitieren und reduzierte den Auftrag auf sechs Exemplare.
Und selbst diese Flugzeuge wurden nicht gebaut, denn der zweite Prototyp stürzte nach der Explosion eines Motors in den Golf von Mexiko. Die Besatzung hatte ausreichend Zeit, sich mit dem Fallschirm zu retten. Nach dem Absturz des zweiten Prototyps stoppte die US Air Force sofort alle weiteren Flüge mit dem Muster, stornierte die restlichen Aufträge und übergab das erste Exemplar an die Artillerieschule der US Army in Aberdeen, nordöstlich von Baltimore, die einen Bedarf an Übungszielen für die Artillerie hatte. Diese Zielübungen überlebte die XR-12 nur wenige Monate.
Zivile Variante RC-2
Doch schon bevor die US-Streitkräfte ihr Interesse an dem Flugzeug verloren hatten, arbeitete Alexander Kartveli an einer zivilen Variante der XF-12. Im Dezember 1945 waren die amerikanischen Flugzeughersteller durch die Stornierung eines Großteils der militärischen Aufträge nach dem Ende des Krieges in eine Krise geraten. Sie setzten nun ihre Kraft ein, um den aufstrebenden zivilen Fluggesellschaften ihre Produkte zu verkaufen. Republic schickte Anfang 1946 mit Genehmigung der Army Air Force ein Verkaufsteam zu American Airlines und zu Pan American Airways, da diese ein globales Netzwerk an Linienflügen aufbauten. In dieses Konzept passte eine auf der XF-12 beruhende Verkehrsmaschine gut hinein.
Sie wurde unter der Bezeichnung RC-2 Rainbow (RC für „Republic Commercial“) angeboten. Die Daten waren vielversprechend: 6600 Kilometer Reichweite bei einer Reisegeschwindigkeit von 644 km/h. 46 Passagiere sollten in einer sehr komfortablen Bestuhlung Platz finden. American Airlines fand Gefallen an dem Konzept und unterschrieb schon im August 1946 eine Kaufabsichtserklärung über 20 RC-2. Pan American folgte im Dezember 1946 und erklärte, sie wolle sechs Flugzeuge kaufen und Optionen für weitere zwölf zeichnen.
Aber so weit sollte es nicht kommen. American zog schon im April 1947 seine Kaufabsichtserklärungen zurück, weil die Fluglinie fürchtete, dass die Rainbow im Betrieb zu teuer würde. Pan Am blieb noch bis Anfang 1948 interessiert, stornierte dann aber die Kauferklärungen, nachdem die US Air Force den Auftrag für sechs R-12A gekippt hatte.
Technische Daten
Republic XF-12 Rainbow
Hersteller: The Republic Aviation Corporation, Farmingdale, Long Island, New York, USA
Verwendung: Experimental-Langstreckenaufklärer
Besatzung: zwei Piloten, ein Navigator, ein Funker
Triebwerk: vier Pratt & Whitney R-4360-37-Sternmotoren mit je 28 Zylindern
Startleistung: 4 x 2237 kW (3000 PS)
Spannweite: 39,50 m
Länge: 30,38 m
Höhe: 8,53 m
Flügelfläche: 152,50 m2
Propellerdurchmesser: 4,62 m
Leermasse: 30 390 kg
max. Startmasse: 51 384 kg
Startstrecke: 825 m
Höchstgeschwindigkeit: 743 km/h
Marschgeschwindigkeit: 644 km/h
Höchstgeschwindigkeit: 725 km/h
Dienstgipfelhöhe: 12 192 m/40 000 ft
Reichweite: 6600 km
Bewaffnung: keine
Klassiker der Luftfahrt Ausgabe 03/2009