Vom Nazi-Gigantismus zur Luftbrücken-Ikone: Flughafen Tempelhof wird 100!

Vom Nazi-Gigantismus zur Luftbrücken-Ikone
100 Jahre Verkehrsflughafen Tempelhof

Zuletzt aktualisiert am 09.10.2023
100 Jahre Verkehrsflughafen Tempelhof
Foto: KL-Dokumentation

Am 8. Oktober 1923 hatte der zivile Betrieb auf dem Flughafen Tempelhofer Feld begonnen, nachdem die Stadt Berlin die östliche Seite eines früheren Exerzierplatzes als Flughafengelände übernommen hatte. Damit begann ein kometenhafter Anstieg des Luftverkehrs nach Berlin, das sich bald zum wichtigen Drehkreuz und zum Zentrum der deutschen Zivilluftfahrt entwickeln sollte. Schon vor Ende des 19. Jahrhunderts hatten preußische Militärluftschiffer und -ballonfahrer das weitläufige Gelände für Aufstiege genutzt.

Wichtigstes Drehkreuz in Europa

Schon in den zwanziger Jahren entstand ein erstes Flughafengebäude, das mit dem U-Bahnhof Flughafen (Paradestraße) sogar einen unterirdischen Nahverkehrsanschluß hatte. In den dreißiger Jahren beauftragten die Nationalsozialisten Ernst Sagebiel mit einem nochmals neuen Flughafenentwurf. Das gigantomanische Projekt in der Form eines Kleiderbügels passte bereits in die Achsen der geplanten Nazi-Welthauptstadt "Germania" und sollte, wie ein riesiges Stadion, auf dem Dach die Zuschauer von Flugschauen als Tribüne aufnehmen. Der Entwurf wurde im Krieg nicht mehr vollendet. In seinen Kelleranlagen wurden Jagdflugzeuge endmontiert, darunter von Häftlingen und Zwangsarbeitern.

Rettung aus der Luft

Seine Glanzstunde erlebte Tempelhof während der Berliner Blockade im Winter 1948/49, als die Westsektoren Berlins, größtenteils über Tempelhof, aus der Luft versorgt wurden. Mittlerweile unterstand der Flughafen der US Air Force, die ihn bis zur Deutschen Einheit betrieb. Seit der Eröffnung des neuen, modernen Terminals in Tegel, Ende 1974, wanderte der unter alliierter Hoheit stattfindende, zivile Luftverkehr von und nach West-Berlin nach Tegel ab. Tempelhof wurde nur noch von militärischen Flügen des US Militärs und vereinzelten Regionalflügen bedient. Auch die US-Heeresflieger unterhielten ein Detachment, darunter mit Bell UH-1 und Pilatus Turbo Porter, in Tempelhof. Die Tempelhofer Flughafenfeuerwehr unterstand dagegen dem US-Außenministerium.

Zusammenarbeit auch in schweren Zeiten

Wichtigste Einrichtung zu Mauerzeiten in Tempelhof war aber das alliierte Berlin Air Route Traffic Control Center (BARTCC) im Obergeschoss der Haupthalle. Diese militärische Flugsicherung überwachte den Berlin-Flugverkehr in den drei Luftkorridoren und in der Berliner Kontrollzone, der wiederum aus der Alliierten Luftsicherheitszentrale aller vier Siegermächte, am Kleistpark in West-Berlin, verwaltet und unter den vier Mächten koordiniert wurde. Zu Zeiten des Kalten Krieges führten mehrfach Flugzeugfluchten aus der DDR und Polen nach Tempelhof, das sich, aus der Luft, in Sichtweite von Schönefeld befindet. In Berlin wurde damals die Abkürzung der polnischen Fluggesellschaft LOT als "landet ooch in Tempelhof" verballhornt.

Spaziergänger auf den Startbahnen

Mit der deutschen Einheit wurde Tempelhof ein normaler Verkehrsflughafen und öffnete sich nun auch der hier zuvor verbotenen Allgemeinen Luftfahrt. Die Flugsicherung übernahm die DFS, verbliebene militärische Radaranlagen die Bundeswehr. Im Rahmen einer Gesamtverlagerung des Flugaufkommens nach Schönefeld, an den neuen Flughafen BER, wurde neben Gatow und Tegel auch Tempelhof Ende 2008 geschlossen. Heute ist der Flughafen ein riesiges Freigelände, das tagsüber wie ein Park von Spaziergängern genutzt werden kann. Mittelfristig wollen das Alliierten Museum und das Deutsche Technikmuseum Teile der riesigen Tempelhofer Hallen als Museumsflächen nutzen.