Vibrator-Regel Nummer 1:
Nähere dich dem Flugzeug nur in dreckresistenten Klamotten. Ölflecken gehören dazu. Sie sind die Art, auf die das Flugzeug dir zu verstehen gibt, dass du zu ihm gehörst. Wie das Gesabber eines Boxers, das nach dem Schmusen an der Hose seines Herrchens klebt. Muss man halt mögen.

Vibrator-Regel Nummer 2:
Überlege dir genau, wohin du fliegen willst. Kraft kommt von Kraftstoff, und der Neunzylinder P&W R-985 schluckt etwa das Doppelte einer 172er Cessna. Allerdings wandelt er den Kraftstoff nicht nur in schnöden Schub um, sondern auch in echten Sound und natürlich in Warbird-Feeling. Dagegen stinkt die Cessna ab. Zweimal 60 US-Gallonen (2 x 227 Liter) fassen die Flügeltanks. Das reicht für rund vier Stunden Flugzeit plus Reserve. Ist der Vogel ordentlich abgedichtet, bleibt der Sprit – einmal getankt – auch drin. Die ursprünglichen BT-13 leckten allesamt wie ein Sieb, da der Kraftstoff im Prinzip nur in die Tragflächen geschüttet wurde. Von echten Integraltanks zu sprechen wäre übertrieben, denn ein Tank definiert sich ja dadurch, dicht zu sein. Für die BT-13 gilt heute noch die Regel, sie mit maximal 20 Gallonen Sprit in den Tanks abzustellen. So liegen die neuralgischen Stellen im Trockenen.
Vibrator-Regel Nummer 3:
Öl ist ein durchlaufender Posten. Im übertragenen und im wortwörtlichen Sinne (siehe Regel 1). Der Kanister unter dem Motor fängt einen Teil des Öls auf, das sich unten im Motor sammelt, wenn das Flugzeug abgestellt ist. Innerhalb eines Tages sind das ungefähr fünf Liter, die dann einfach zurück in den Öltank gekippt werden können. Bei einem Literpreis von zehn Euro macht das rund 50 Euro an Sparpotenzial – so ziemlich die einzigen Einsparmöglichkeiten an einem Weltkriegs-Trainer… Verzichtet man auf den Kanistertrick, würde das Öl beim Anlassen einfach durch den Auspuff entsorgt – entsprechende Sauerei vor dem Hangar inklusive.

Charakterflieger
Die Vultee BT-13 ist ein Charakterflieger. Sie hat ihre Macken, doch einmal mit ihr vertraut, ist es wie in einer echten Freundschaft. Man schätzt sich und geht gemeinsam durch dick und dünn. Aber man muss sich auch umeinander kümmern, wobei das in der Beziehung zur Vibrator eher einseitig ausfällt. Der Sternmotor beispielsweise möchte vor dem Start komplett durchgedreht werden, sodass jeder Kolben einmal seinen oberen Totpunkt erreicht. Widerstand deutet auf Öl im Brennraum hin, besonders die unteren Zylinder sind betroffen. Dann heißt es Kerzen raus und ablassen, wobei wir wieder bei Regel Nummer 1 wären. Aber besser eingesaute Kluft als verbogener Pleuel und Motorschaden. Ihrer Neigung, Betriebsstoffe nach außen zu transpirieren, bleibt die BT-13 auch an der Nabe treu, allerdings deuten Fettspuren hier auf eine gute Schmierung des Verstellmechanismus hin, der den Hamilton-Propeller der Triebwerksleistung angepasst ausrichtet. Weiter geht es im Walk-around mit dem üblichen Überprüfen von Anschlüssen der stoffbespannten Steuerflächen und Landeklappen. Business as usual.

Arbeitsplatz des Air-Corps-Kadetten
Über die linke Fläche führt der Weg ins vordere Cockpit, einst Arbeitsplatz des Air-Corps-Kadetten. Die BT-13 ist ein simples und sehr mechanisches Flugzeug. Bis auf das Bremssystem gibt es keine Hydraulik. Trimmung und Landeklappen werden über Stellräder und Kurbeln betätigt, das Fahrwerk ist nicht einziehbar.

Cockpitchecks
Die Cockpitchecks erfolgen von links nach rechts. Höhenrudertrimmrad auf neutral, Seitenrudertrimmung leicht nach rechts, um das Drehmoment des Motors während des Starts auszugleichen. Die Landeklappen werden über eine Kurbel angesteuert, pro Umdrehung zwei Grad. Die maximale Auslenkung beträgt 60 Grad. Gemisch auf reich, Propeller auf große Anstellung, Drosselklappe leicht geöffnet, Brandhahn auf links oder Reserve, je nachdem, in welchem Tank mehr Treibstoff vorhanden ist; Vergaservorwärmung auf kalt.
Eine rote Lampe quittiert das Umlegen des Batterieschalters. Das hat aber nichts mit dem Akku zu tun. Die Funzel warnt vor zu geringem Treibstoffdruck, denn die BT besitzt keine elektrische Pumpe, um das Avgas von den tief gelegenen Tanks zum Motor zu bringen. Hier ist während des Anlassens Handarbeit gefragt. Sind die Instrumente eingestellt, überprüft man, ob die Ruderverriegelung unten am Steuerknüppel komplett entfernt und sicher verstaut ist. Auf der rechten Seite des geräumigen Cockpits befand sich früher die Funkanlage, inzwischen ist sie durch zeitgemäße Technik ersetzt.
Anlassprozedur
Die Anlassprozedur beginnt mit dem Aufbau von Treibstoffdruck über die Handpumpe an der linken Cockpitseite. Zeigt das Instrument 3 psi, pumpt man mit dem Primer auf der rechten Seite des Instrumentenbretts vier bis fünf Hübe Kraftstoff in die oberen fünf Zylinder des Motors, wobei man dazu gerne den Song "Money" von Pink Floyd vor sich hinsummen darf. Pro Hub wandert Sprit im Wert von 20 Cent in die Brennkammern. Nun geht eine Hand zum elektrischen Anlasser, die andere ist am Magnetschalter. Hat der Propeller ein paar Runden gedreht, werden beide Magnete zugeschaltet, und die linke Hand nimmt ihre Arbeit an der Handpumpe wieder auf. Sie muss den Motor weiter mit Sprit versorgen, bis er genügend Saugkraft aufgebaut hat. Der Pratt & Whitney erwacht mit tiefem Geblubber und weißem Rauch zum Leben. Hätte der Mensch keine Ohren, könnte sein Grinsen spätestens in diesem Moment einmal rund um den Kopf herumreichen. "Money... get away ..."
Wenn der Motor selbstständig weiterläuft und der Öldruck aufgebaut ist, bringt man den Propeller in einen kleinen Anstellwinkel, und aus dem unregelmäßigen Blubbern des Motors wird bei 800 Umdrehungen ein tiefes Grummeln. Generator, Funkgerät und Transponder werden eingeschaltet, während der Motor die gut 40 Liter Öl auf 30 Grad erwärmt, was an kalten Tagen auch etwas länger dauern kann. Abgebremst wird der Motor bei 40 Grad Öltemperatur, zum Starten sind 50 Grad das Minimum.

Zickzackkurs angesagt
Fürs Rollen ist wie bei fast jedem Spornradflugzeug Zickzackkurs angesagt, denn am Boden ist die sonst gute Sicht nach vorn wegen des großen Sternmotors versperrt. Das Spornrad ist mit dem Seitenruder verbunden, das sorgt für easy taxiing.
Der Start des schweren Spornradfliegers
Vor dem Start werden die Ruder auf Freigängigkeit überprüft und die Trimmung nochmals kontrolliert. Nun schiebt man den Gashebel langsam, aber konsequent nach vorne. Ab etwa 2000 Umdrehungen bewegen sich die Blattspitzen des Propellers mit Überschallgeschwindigkeit, das Gedröhne nimmt zu. Der Pilot erfreut sich in diesem Moment nicht nur am satten Sound, sondern auch an der durchaus formidablen Beschleunigung des schweren Spornradfliegers. Vor dem Abheben zeigt sich die Vultee kumpelhaft und möchte dank der breiten Spur nicht so stark ausbrechen wie zum Beispiel eine Boeing Stearman oder die North American AT-6. Ein bisschen Seitenruder nach rechts hält sie auf der Mittellinie der Startbahn. Bereits ab 60 Knoten gibt der Kumpel zu verstehen, dass er den Boden verlassen möchte, der Pilot ignoriert diesen Drang jedoch und lässt ihn erst bei 70 Knoten abheben, um dann mit 80 Knoten in den Steigflug zu gehen.
Überraschend leises Dahinfliegen
Kaum sind Motorleistung und Propellerdrehzahl fürs Steigen reduziert, könnte man bei geschlossener Kabinenhaube ein überraschend leises Dahinfliegen genießen. Doch mit zurückgeschobenem Glasdach macht es einfach viel mehr Spaß, zumal auf der Fliegerkombi neben den Ölflecken von der Vorflugkontrolle (remember Regel 1!) noch reichlich Platz für aromatische Rußpartikel ist. Auf sichere Höhe gestiegen und gut ausgetrimmt, lässt sich die BT-13 mit zwei Fingern fliegen und liegt wie ein Brett sehr stabil in der Luft. Der Spitzname "Vibrator" – möglicherweise abgeleitet vom Schütteln des Flugzeugs kurz vorm Stall, vom Gerumpel bei niedrigen Drehzahlen oder dem Sound, der am Boden auch mal Fensterscheiben zum Klirren bringt – ist hier nur noch Legende.
Kunstflug
Entspannt dahingleiten wird einem Trainer, der Rookies einst auf ihren Ritt in Kampfflugzeugen vorbereiten sollte, aber auch nicht so richtig gerecht. Die eine oder andere Turnübung darf es schon sein. Für den Kunstflug verlangt das Handbuch eine Mindesthöhe von 5000 Fuß AGL. Freilich ginge das auch tiefer, nur könnten unerfahrene Aerobatiker überrascht sein, mit welch ungewohnt hohen Sinkraten der schwere Trainer manche Aktion quittiert. Rollen und Loopings leitet man bei 140 Knoten ein. Die Rollrate ist im Vergleich zur Stearman höher, an eine T6 kommt die Vultee aber nicht heran.

Trudeln
Trudeln ist tabu, ein Warnschild im Cockpit weist explizit darauf hin. Der erhobene Zeigefinger ist eine Folge des Verhaltens der verschiedenen Varianten der BT-13. So gab es Versionen mit einem komplett aus Holz gefertigtem Heck, das manche Trudelübung mit einer geräuschvollen Trennung vom Rest der Maschine bestrafte. Man muss sich also mit gemächlichem Kunstflug bei Limits von 3 bis 4 g begnügen. Ein faires Arrangement, wenn man bedenkt, dass man ein gut 70 Jahre altes und noch dazu recht seltenes Flugzeug bewegt. Einem rüstigen Kumpel im gesetzten Alter tut ein bisschen Schonung durchaus gut, zumal sich niemand freiwillig ein zweites Mal an der Abdichtung der Integraltanks (zur Erinnerung: Regel 2) abarbeiten möchte. Man muss ein bekanntes Zipperlein ja nicht auch noch durch zu hohe Beanspruchung der Struktur provozieren.
Am Ende eines Ausflugs
Also zurück in den "normalen" Flugalltag. Leitet man am Ende eines Ausflugs den Gegenanflug ein, darf die vorgegebene Geschwindigkeit von 110 Knoten nicht überschritten werden, wenn man die Klappen setzt. Das erfolgt mit einem Griff nach links an die Kurbel. 15 Umdrehungen später stehen die Auftriebshilfen auf 30 Grad. Der hektische Griff zum Fahrwerkshebel geht bei der BT-13 ins Leere. Stimmt, die Räder sind ja eh draußen… Im Endanflug reduziert man die Fahrt auf 80 Knoten. Die Sicht nach vorne ist einwandfrei, da sich die Maschine durch die Klappenstellung etwas nach vorne neigt und sehr stabil tiefergleitet.

Die Landung
Für die Landung kann der Pilot entscheiden, ob er eine Dreipunkt- oder eine Radlandung bevorzugt. Kurz vor der Schwelle wird die Leistung bis auf Leerlauf zurückgenommen. Mit 60 Knoten setzt die Vibrator sanft auf und zeigt hier nochmal die Verlässlichkeit des guten Kumpels. Sie ist einfach gutmütig; die breite Spur des Fahrwerks und das hohe Seitenleitwerk (clean air, nicht durch Propellerstrom beeinflusst) helfen, das Flugzeug sauber in der Spur zu halten.
Beim Rollen ist dennoch eine gewisse Vorsicht geboten, Stichwort Ringelpiez. In der Parkposition angekommen, wird der Propeller wieder auf große Anstellung zurückgefahren. Funkgerät aus, Generator aus, das Abstellen des Motors erfolgt über den Gemischhebel. Magnete aus. Brandhahn zu. Zurück im normalen Leben, jenseits dessen eines Air-Corps-Kadetten der 40er Jahre.