Zum Erfolg verdammt
Potez 840 - Eines der ersten Regionalverkehrsflugzeuge

Inhalt von

Die fünfziger Jahre brachten ein Vielzahl von interessanten Flugzeugprojekten hervor. Französische Hersteller waren besonders ideenreich, um neue Märkte zu erschließen. Potez schickte die Potez 840 als Regional- und Geschäftsreiseflugzeug ins Rennen.

Potez 840 - Eines der ersten Regionalverkehrsflugzeuge

Potez 840

Der französische Flugzeughersteller Potez war ein traditionsreiches Unternehmen. 1919 gegründet, baute es eine Vielzahl von unterschiedlichen Flugzeugtypen für verschiedene Einsatzzwecke, vom zweimotorigen Jäger bis zum Verkehrsflugzeug. 1936 ging das Unternehmen im Rahmen der Verstaatlichung der französischen Luftfahrtindustrie in den Besitz der SNCAN über. Insgesamt fertigte das Unternehmen bis zur deutschen Besetzung 1940 rund 7000 Flugzeuge.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wollte Henry Potez an den Erfolg der Vorkriegsfirma anknüpfen und gründete in Argenteuil dazu ein neues Unternehmen mit dem Namen Société des Avions et Moteurs Henry Potez. Die französische Luftfahrtindustrie bestand in den fünfziger Jahren aus sehr vielen kleinen Firmen, die aber allein nicht überlebensfähig waren. Sie mussten sich zusammenschließen, um nicht unterzugehen. Potez kaufte deswegen Air Fouga, die Firma, die den Strahltrainer Fouga Magister entwickelt hatte. Das gemeinsame Unternehmen hieß ab 1958 Potez Air-Fouga.

Um neben dem militärischen Markt auch auf dem sich entwickelnden zivilen Markt Fuß zu fassen, entwickelte Henry Potez ab 1959 die Potez 840. Das Flugzeug war für den Transport von acht bis 24 Passagieren vorgesehen und wurde als Regionalverkehrsund Geschäftsreiseflugzeug angeboten. Es war zum Erfolg verdammt, denn das Projekt war so teuer, dass ein Scheitern der Potez 840 auch das Ende der ganzen Firma bedeutet hätte. Dieses Risiko ging Henry Potez ein.

Sein Konstruktionsteam entwarf ein viermotoriges Flugzeug mit einem schlanken Rumpf mit kreisrundem Querschnitt. Die trapezförmigen Tragfl ächen verfügten über einen Holm und je zwei Torsionskästen. Als Profil kam ein NACA 63 zum Einsatz. Im Flügel waren auf jeder Seite vier Tanks untergebracht, die insgesamt 1600 Liter Treibstoff aufnehmen konnten. Um das Gesamtgewicht des Flugzeugs niedrig zu halten, griffen die Konstrukteure zu einem Kniff, den sie von der Fouga Magister kannten: Die Dicke der Tragflächen-Beplankungsbleche nahm nach außen hin ab. In der Flügelwurzel waren die Aluminiumbleche noch zwei Millimeter dick, an den Flügelspitzen gerade noch 0,8 Millimeter. Tragflächen und Rumpf waren über vier Aufhängungspunkte miteinander verbunden. Das Leitwerk war konventionell ausgelegt. Der Tiefdecker wurde komplett aus Metall gefertigt.

Besonders auffällig an dem Flugzeug waren die großen, dreieckigen Kabinenfenster, von denen es auf jeder Rumpfseite sieben Stück gab. Eine Druckkabine sollte bei den Passagieren für angenehmes Reisen sorgen. Bei einer Reiseflughöhe von 6000 m hielt sie den Kabinendruck auf einem Wert, der dem Außendruck in 2500 m entsprach.

Bei den Triebwerken war die Wahl auf die Turboprops des Typs Tuboméca Astazou II gefallen, die eine Startleistung von 442 PS (329 kW) brachten. Die Auslegung als viermotoriges Flugzeug war bewusst gewählt worden, um den Betreibern und Passagieren eine möglichst hohe Sicherheit zu bieten, selbst wenn mal ein Antrieb ausfallen sollte.

Henry Potez hatte für die Serienfertigung der 840 von Anfang an auf Arbeitsteilung gesetzt. Das Potez-Werk am Flughafen Toulouse-Blagnac fertigte lediglich den Rumpf und übernahm die Endmontage der Flugzeuge. Die Produktion der Tragflächen war an den Flugzeugbauer Morane-Saulnier in Tarbes, rund 120 Kilometer südwestlich von Toulouse, vergeben. Die erste Potez 840 wurde Mitte April 1961 ohne großes Aufsehen aus der Halle gezogen und startete am 29. April in Toulouse zu ihrem Erstflug.

Unsere Highlights

Als Geschäftsflugzeug sollte der Durchbruch gelingen

Die erste Potez 840 flog im April 1961 erstmalig. Der zweite Prototyp folgte im Juni 1962. Foto und Copyright: KL-Dokumentation

Mit der Flugerprobung bestätigten sich die errechneten Leistungsdaten. Allerdings hatte sich bei Gesprächen mit potenziellen Kunden gezeigt, dass diese eine höhere Reichweite des Flugzeugs wünschten, während amerikanische Interessenten ein stärkeres Triebwerk haben wollten. Potez reagierte auf diese Änderungswünsche und rüstete den zweiten Prototyp mit stärkeren Triebwerken vom Typ Tuboméca Astazou XII mit je 600 Wellen-PS und Flügelspitzentanks aus. Außerdem wurde beim zweiten Prototyp auf jeder Seite ein weiteres Cockpitfenster eingebaut, um der dreiköpfigen Besatzung eine bessere Sicht auf die Tragflächen zu ermöglichen. Dies war eine Forderung der amerikanischen Luftfahrtbehörde. Die Bugsektion des Flugzeugs wurde leicht vergößert, um mehr Platz für Gepäck zu schaffen und den Einbau eines Wetterradars zu ermöglichen. Das maximale Startgewicht stieg dadurch auf 8900 kg. Die zweite Potez 840 startete am 17. Juni 1962 zu ihrem Erstflug.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Potez allen Grund zur Hoffnung, bald mit der Serienfertigung beginnen zu können. Die französischen Luftstreitkräfte wollten das Flugzeug als Ersatz für ihre Douglas C-47 und Beechcraft C-45 beschaffen. Die amerikanische Allegheny Airlines plante den Kauf des Musters für regionale Strecken, und der US-Vertriebspartner des Herstellers, Turbo-Flight. Inc. Aus Salt Lake City, war optimistisch, bis zu 24 Exemplare der französischen Viermot pro Jahr als Geschäftsreiseflugzeug zu verkaufen. Potez rechnete mit einer Fertigungsrate von rund 20 Flugzeugen pro Jahr. Deshalb gab Henry Potez persönlich am 12. März 1963 den Startschuss für die Serienproduktion des neuen Musters, ohne dass eine einzige Festbestellung vorlag. Die Produktionsplanungen erwiesen sich sehr schnell als viel zu optimistisch, denn die Armée de l‘Air entschied sich nach einigen Tests gegen die Einführung der Potez 840, und Allegheny Airlines bestellte anstelle der Potez 840 die zweimotorige Convair 540 mit Napier-Eland-Turboprops. Deswegen setzte Potez alle Hoffnungen auf die 840 als Geschäftsreiseflugzeug.

Da die USA schon damals den größten Markt für diese Flugzeuge darstellten, rüstete Potez das dritte Exemplar der Potez 840 mit neuen Turboprop-Antrieben des amerikanisch-kanadischen Herstellers United Aircraft (später: Pratt & Whitney Canada) PT6A-22 aus und nannte sie Potez 841, um sie von der Airline-Version abzuheben. Dieses Flugzeug flog am 22. Dezember 1964 zum ersten Mal, die Leistung der Turboprop-Triebwerke betrug 580 Wellen-PS pro Antrieb.

Als Potez 842 B bezeichnete der Hersteller schließlich die Serienversion des Musters, die von vier Turboméca-Turboprops des Typs Astazou XII mit je 640 Wellen-PS Startleistung angetrieben wurde. Sie war mit 260 Knoten (482 km/h) in 20 000 Fuß Höhe nur marginal schneller als die Potez 481, die 475 km/h in dieser Höhe schaffte. Dafür stieg die 482 schneller und brauchte rund 100 Meter weniger Startstrecke.

Trotz intensiver Verkaufsbemühungen mit Unterstützung durch den französischen Staat schwand das Interesse der potenziellen Kunden an der Potez 840/841 sehr schnell. Eine ausgedehnte Werbetour hatte das Muster 1963 quer durch die Vereinigten Staaten von Amerika geführt, und bei den großen Luftfahrtmessen in Europa war das Flugzeug auch zu sehen. Doch der Vermarktungserfolg blieb aus.

Der marokkanische König Hassan II. übernahm im September 1966 ein Exemplar des Musters. Die Potez 841 mit Pratt & Whitney-Turboprop-Antrieben fand in Deutschland zwei Abnehmer: Die Hertie Waren- und Kaufhaus GmbH in Frankfurt/Main sowie den Aero-Dienst Nürnberg. Insgesamt endete die Produktion der Potez-840-Familie bereits nach acht Exemplaren, darunter waren vier Potez 840 und je zwei Potez 841 beziehungsweise 842.

Das Muster war ein wirtschaftlicher Misserfolg. In der ursprünglich gedachten Rolle als Regionalflugzeug wurde es nie eingesetzt, und als Geschäftsreiseflugzeug konnte es sich nicht durchsetzen. Von diesem Fehlschlag erholte sich der Hersteller nicht. Potez Air-Fouga musste 1967 Konkurs anmelden. Die Sud Aviation übernahm noch im selben Jahr die Hallen und Produktionsanlagen. Eine Potez 840 flog bis 2002 als Ambulanzflugzeug, ein weiteres Exemplar gehört dem Musée de l‘Air in Le Bourget.

Sponsored

Technische Daten

Potez 841 C

Hersteller: Potez Air-Fouga, Paris, Frankreich
Verwendung: Geschäftsreise- und Trainingsflugzeug
Besatzung: 3
Triebwerk: 4 Pratt & Whitney Canada PT6A-22
Startleistung: 4 x 580 Wellen-PS
Spannweite: 19,60 m
Länge: 15,89 m
Höhe: 5,19 m
Flügelfläche: 35 m2
max. Startmasse: 8900 kg
Startrollstrecke: 600 m
Reichweite: 1350 NM/2500 km
Reisegeschwindigkeit: 474 km/h
Landerollstrecke: 500 m

Klassiker der Luftfahrt Ausgabe 03/2014

Die aktuelle Ausgabe
Klassiker der Luftfahrt 03 / 2023

Erscheinungsdatum 21.02.2023

Abo ab 32,99 €