Zwischen Russland und Aserbaidschan knirscht es schon lange. Zwar unterzeichneten beide Staaten noch 2023 ein gemeinsames Loyalitätsabkommen – doch das ist aktuell kaum das Papier wert, auf das die Präsidenten Putin und Alijew seinerzeit in Baku ihre Unterschriften setzten. Spätestens mit dem Abschuss eines aserbaidschanischen Embraer-Passagierjets im Dezember 2024 durch russische Flugabwehr, die das zivile Flugzeug im Raum Grosny versehentlich aufs Korn nahm, sind die Konfliktlinien offensichtlich. Aserbaidschans Regierung zeigte sich öffentlich verstimmt über die Weigerung des Kreml, sich für das tödliche Malheur zu entschuldigen, das 38 Menschen das Leben kostete.
Die mutmaßlich politisch motivierte Verhaftung von Aserbaidschanern in Jekaterinburg, bei der zwei Brüder starben, sorgte im Juni dieses Jahres für eine weitere Eskalation. Dann beschädigten russische Drohnenangriffe in der Ukraine aserbaidschanische Vermögenswerte – etwa ein Lagerhaus der staatlichen aserbaidschanischen Ölgesellschaft SOCAR in der Region Odessa. Und nun tauchte über der Ukraine plötzlich eine MiG-29 auf, die zwar ukrainische Markierungen trägt – anhand ihres Tarnanstrichs aber eindeutig als Kampfjet aus den Beständen Aserbaidschans zu identifizieren ist.
Liefert Baku MiG-Kampfjets an die Ukraine?
Tatsächlich hatte Aserbaidschans Präsident Alijew nach der Drohnenattacke Anfang August laut über mögliche Waffenlieferungen an Kiew nachgedacht. Dass die verdächtige MiG-29, von der seit Kurzem ein paar pixelige Aufnahmen durchs Internet geistern, als Konsequenz daraus in die Ukraine geliefert wurde, ist aber höchst unwahrscheinlich. Woher also haben die Ukrainer die augenscheinlich aus Aserbaidschan stammende MiG? Und besitzen sie womöglich gar noch mehr dieser so auffällig lackierten Flugzeuge?
Zur Beantwortung dieser Fragen müssen wir ein paar Jahre zurückgehen – in die Tage vor dem 24. Februar 2022, als Russland die Ukraine attackierte. Zu diesem Zeitpunkt standen in einem Hangar des staatlichen Flugzeug-Reparaturwerks in Lemberg (Lwiw) drei teildemontierte MiG-29 aus Aserbaidschan, die dort im Vorjahr zu einem planmäßigen Wartungsaufenthalt eingetroffen waren. Aserbaidschan besaß damals insgesamt 15 MiG-29, wovon 14 in den Jahren 2006 bis 2007 und eine weitere (doppelsitzige) MiG 2009 geliefert wurden – allesamt aus ukrainischen Gebrauchtbeständen, weshalb Baku auch entsprechende Wartungskooperationen mit der Werft in Lemberg unterhielt.
Die russischen Streitkräfte machten das Reparaturwerk nach ihrer ersten Angriffswelle schnell als strategisches Ziel aus und feuerten im März 2022 Raketen auf das Areal. Über das konkrete Ausmaß der Schäden wurde damals nichts bekannt – gerüchteweise hieß es, der Hangar mit den MiG-29 sei von den Russen zerstört worden.

Die Mikojan-Gurewitsch MiG-29 ist ein wichtiges Werkzeug der ukrainischen Luftwaffe. Die Ukrainer erhielten seit 2023 MiGs aus Polen und der Slowakei - auch aus Aserbaidschan?
Bis zu drei "neue" MiG-29 für Kiew
Mindestens eine der aserbaidschanischen MiGs aber scheint die Attacken auf die Werft überstanden zu haben – dürfte es sich bei dem in der Ukraine am Himmel erspähten Exemplar doch um eines der drei Flugzeuge aus Lemberg handeln. Ob die Ukrainer die MiG-29 mit ausdrücklicher oder wenigstens inoffizieller Zustimmung aus Baku in ihre Luftwaffe übertragen oder sich den Jet nach erfolgreicher Instandsetzung eigenmächtig einverleibt haben, bleibt unklar. Da seit Veröffentlichung der erwähnten Fotos jedoch kein lauter Protest aus Baku zu vernehmen war, ist davon auszugehen, dass Aserbaidschan das Vorgehen der Ukrainer zumindest stillschweigend hinnimmt, wenn nicht sogar gutheißt.
Wie reagiert Russland?
Es ist nicht sicher, dass neben der auf den Fotos zu sehenden Maschine auch die beiden anderen in Lemberg geparkten aserbaidschanischen MiG-29 in die ukrainische Luftwaffe migriert wurden. Doch sollten alle drei Jets die Angriffe Russlands überstanden haben und zwischenzeitlich wieder komplettiert worden sein, liegt es nahe, dass dem so ist. Ob das für die auf Eiszeit-Niveau abgekühlten diplomatischen Beziehungen zwischen Moskau und Baku einen weiteren Sargnagel bedeutet, bleibt abzuwarten. Amüsiert wird man im Kreml sicher nicht sein.