Analysten des britischen Verteidigungsministeriums gehen davon aus, dass Russland im Ukraine-Krieg seine Bemühungen um Informationsgewinnung aus der Luft weiter verstärken will. Dazu soll auch die Mjassischtschew M-55 Geophysica zum Einsatz kommen. Auf dem Gebiet der Überwachung und Aufklärung "gibt es eine realistische Möglichkeit, dass die M-55 in den Einsatz zurückkehrt, um die limitierten Fähigkeiten Russland zu verstärken", teilte das Ministerium am 19. November mit.
Tests mit Aufklärungsbehälter
Hintergrund ist die jüngste Sichtung einer Maschine mit einem Sonderbehälter unter der Tragfläche auf dem russischen Flugtestzentrum in Shukowski. Dabei scheint es sich um einen Pod mit der Bezeichnung UKR-RT zu handeln, der normalerweise an der Suchoi Su-34NWO zum Einsatz kommt. Den modularen Behälter (UKR) gibt es in drei Versionen: mit einem Seitensichtradar (RL), mit einer optischen Kamera und Infrarot-Scanner (OE) und mit einer SIGINT-Ausstattung (RT).
Im Einsatz an Su-34
Der Einsatz der Sensoren an der M-55 aus großer Höhe würde die Datensammlung und entsprechende Zielzuweisung über die Situation in der Ukraine aus dem russischen Luftraum heraus erlauben – in vermeintlich sicherer Entfernung vor den gegnerischen Flugabwehrsystemen. Mit ihrer Spannweite von 37,46 Metern erreicht die Geophysica eine maximale Flughöhe 21.850 Meter, auf der sie bis zu zwei Stunden und 14 Minuten verweilen kann.

Die M-55 entstand auf der Basis der M-17, die ursprünglich zum Bekämpfen amerikanischer Spionageballons entwickelt worden war.
Militärischer Ursprung
Allerdings wurde die M-55 bis dato – zumindest soweit bekannt – nicht zu militärischen Zwecken eingesetzt, obwohl ihr Ursprung durchaus "kriegerisch" war. In den 60er Jahren startete die Sowjetunion ein Geheimprogramm zur Entwicklung eines Höhenflugzeugs, das ursprünglich US-amerikanische Aufklärungsballons abschießen sollte. Später änderte sich der Entwurf in einen Höhenaufklärer: Ergebnis war die einstrahlige Mjassischtschew M-17 "Stratosphera", die am 26. Mai 1982 zu ihrem Erstflug startete. In den 80er-Jahren entwickelte das Konstruktionsbüro den Entwurf zur M-55 weiter. Das Flugzeug erhielt nun zwei Turbofans im vergrößerten Rumpf und absolvierte seinen Jungfernflug am 16. August 1988 (Seriennummer 01552). Drei weitere Maschinen mit den Kennungen 55203, 55204 und 55205 folgten.

Die M-55 war zu verschiedenen Messkampagnen weltweit unterwegs.
Zivile Nutzung
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion dienten die Flugzeuge vor allem zu Forschungszwecken. Daher erhielt der Jet den Namen "Geophysica". Mitte 2017 führte das Flugzeug beispielsweise eine Messkampagne in Nepal durch, an der auch das DLR beteiligt war. Russland stellte die 55204 auch auf mehreren internationalen Luftfahrtmessen vor.

Der Verbleib der restlichen M-55 ist unklar. Bei dieser in Shukowski abgestellten Maschine könnte es sich um die 55203 handeln.
Nur noch ein Exemplar aktiv?
Dem Vernehmen nach ist nur noch eine M-55 flugfähig – die viel gezeigte 55204, die in Schukowski mit dem Spezialbehälter gesichtet wurde. Über den Verbleib der anderen vier Fluggeräte ist nichts bekannt. Auf Satellitenbildern von Schukowski erkennt man eine abgestellte M-55, die jedoch eher einen verwitterten Eindruck macht. Dabei könnte es sich um die 55503 handeln. Eine Reaktivierung der nicht flugfähigen Höhenjets erscheint zumindest fraglich.