In den Niederlanden hat die F-35A das Erbe der F-16 angetreten – und die alten "Fighting Falcons" inzwischen komplett abgelöst. Der neue Fighter mit Tarnkappe steigert die Leistungsfähigkeit der Truppe deutlich, das ist unbestritten. Doch schenkt man einer Studie des "Centrum voor Mens en Luchtvaart" (CML) in Soesterberg Glauben, ist diese Leistungssteigerung medizinisch teuer erkauft. Das Institut, das dem niederländischen Verteidigungsministerium untersteht, befragte nach eigenen Angaben 61 niederländische Kampfpiloten zum Cockpit-Komfort ihres neuen Arbeitsgeräts. Das Ergebnis: Fast alle haben oder hatten in ihrem Pilotenalltag auf der F-35A mit Kreuz- oder Nackenschmerzen zu kämpfen.
Die für die Studie befragten Personen waren laut den Autoren im Schnitt 36 Jahre alt und besaßen durchschnittlich 1.900 Stunden Flugerfahrung (mindestens 1.000, maximal 2.800). Während bei früheren Befragungen unter F-16-Piloten nur acht Prozent über berufsbedingte Rückenschmerzen klagten, leiden nunmehr 46 Prozent der F-35A-Jockeys darunter. Mehr als die Hälfte der Befragten, 51 Prozent, beklagten sich derweil über Nackenschmerzen. Zu F-16-Zeiten waren davon laut Studie 38 Prozent der Piloten betroffen.

Die Niederlande ersetzten mit der F-35A ihre altgedienten F-16AM/BM, die teilweise an die Ukraine gingen.
Schmerzen als Sicherheitsrisiko
Wirklich bedenklich werden die Ergebnisse der Querschnittsuntersuchung dann im weiteren Verlauf. Satte 83 Prozent der interviewten Piloten gaben nämlich an, die Schmerzen im Cockpit seien so groß, dass sie sich negativ auf ihre Flugleistungen auswirkten. Immerhin 38 Prozent sehen darin sogar ein ernsthaftes Risiko für die Flugsicherheit.
Schlechte Sitzposition
Was aber sind die Gründe dafür, dass es im Cockpit der F-35A für die niederländischen Piloten derart unbequem ist? Die Studie des CML führt hierfür vor allem "hohe G-Kräfte in suboptimalen Sitzpositionen" sowie "das Tragen schwerer Ausrüstung um Hals und Kopf" ins Feld. So sei der Sitzwinkel in der F-35A deutlich aufrechter gestaltet als beispielsweise in der F-16. Dazu komme das spezifische, am Helm befestigte Equipment, das in Kombination mit bestimmten Flugmanövern bei den Piloten die erwähnten Beschwerden hervorrufe. "Ausrüstung und Sitzwinkel scheinen die Hauptfaktoren zu sein", unterstreicht das CML.

Die niederländischen F-35A sind in Volkel und Leeuwarden stationiert.
Zu große Niederländer?
Als Konsequenz rufen die Autoren der Studie im Sinne der Flugsicherheit dazu auf, die Ergebnisse nicht einfach unter den Tisch fallen zu lassen: "Gezielte Maßnahmen sind erforderlich, um strukturelle Verletzungen zu verhindern, die Leistung zu verbessern und die Einsatzfähigkeit zu erhöhen", so die CML-Wissenschaftler in ihrem Fazit. Welche Maßnahmen im Einzelnen das sein könnten, bleibt vorerst vage. Auch die Frage, ob das ermittelte Problem auch in anderen Luftstreitkräften auftritt, die ebenfalls die F-35 fliegen, wird – mangels gesicherter Erkenntnisse dazu – nicht beantwortet. Statistisch gesehen leben in den Niederlanden die größten Menschen der Welt, was entsprechende Ergonomie-Probleme im Fighter-Cockpit verstärken könnte.
Untersuchungen der US Air Force
Die US Air Force legte 2015 lediglich dar, dass insbesondere leichte bis mittelschwere Kampfpiloten wegen des schweren Helms und des Schleudersitzes in der F-35 ein erhöhtes Risiko für Nackenschäden hätten – allerdings vor allem dann, wenn sie sich mit dem Sitz aus dem Cockpit katapultieren müssten. In einer weiteren Untersuchung aus dem Jahr 2019 wurde konstatiert, dass Nackenschmerzen unter US-Kampfpiloten in den zurückliegenden Jahren stetig zugenommen hätten und inzwischen rund 70 Prozent der Flugzeugführer beträfen. Eine Spezifizierung auf einzelne Flugzeugmuster erfolgte in dieser Studie jedoch nicht.