Mit der gebraucht von Russland übernommenen "Vikramaditya" verfügt Indiens Marine seit 2013 über einen eigenen Flugzeugträger. Schon bald soll dieser durch den weitgehend von Indien selbst gebauten Träger "Vikrant" ergänzt werden. Das rund 250 Meter lange Schiff befindet sich zurzeit in der Erprobung, mit der "Vishal" ist perspektivisch ein weiterer Träger derselben Typklasse geplant. Was alle drei Schiffe eint, ist die Konstruktion des Decks. Dieses ist nach dem Prinzip "Short Take Off But Arrested Recovery" (STOBAR) konzipiert. Trägerflugzeuge starten dabei nicht, wie etwa auf US-Flugzeugträgern, mithilfe eines Katapults – sondern über eine Sprungschanze. Das Abbremsen bei der Landung erfolgt konventionell mit Fangseilen.

Flügellahme MiG-29K
Mit der russischen MiG-29K besitzt die indische Marine ein Kampfjet-Muster, das mit STOBAR-Decks an sich bestens klarkommt. Doch die MiGs machten in der Vergangenheit vor allem mit schlechter Einsatzbereitschaft von sich reden. Mehrere Flugzeuge gingen gar bei Abstürzen verloren. Das veranlasste die indische Regierung, sich nach einem Pendant aus dem Westen umzusehen. Im Fokus stehen daher nun die Dassault Rafale M aus Frankreich und die Boeing F/A-18E/F Super Hornet aus den USA. Dem Vernehmen nach geht es um 26 Flugzeuge, die Indien beschaffen will. Doch nur ein Muster kann gewinnen.

Duell auf der Sprungschanze
Wichtigste Grundvoraussetzung für den Sieg ist für beide Kandidaten der Beweis, dass sie sich für das STOBAR-Verfahren eignen. Boeing wagte erste Sprungschanzenstarts mit der Super Hornet bereits im Herbst 2020 in Patuxent River (Maryland). Dassault brachte die Rafale M Ende Januar 2022 nach Indien, um dort die Entscheidungsträger live von den STOBAR-Fähigkeiten seines Fighters zu überzeugen. Nun zieht der US-Konkurrent nach: zwei von der Navy geborgte F/A-18E weilen laut indischen Medienberichten seit dem 20. Mai in Goa und machen dort nun unter strenger Beobachtung indischer Offizieller die Probe aufs Exempel.
Boeings Argumente
Bei den anstehenden Tests sollen die Super Hornets zunächst ohne Nutzlast und später mit zwei untergehängten Harpoon-Attrappen über eine Sprungschanze abheben. Gleichzeitig will Boeing den Indern in Gesprächen und Vergleichen nahebringen, warum das US-Produkt für die indische Marine die bessere Wahl wäre als die Rafale M. So kann die F/A-18E laut Hersteller mehr Waffen tragen als die Konkurrentin aus Frankreich. Ein weiterer Pluspunkt soll die Interoperabilität mit anderem US-Gerät sein, das Indien besitzt oder bestellt hat – etwa die Boeing P-8I Neptune oder die Sikorsky MH-60 Romeo. Zudem soll sich auch der Doppelsitzer F/A-18F für Rampenstarts und Trägereinsätze eignen, wohingegen Frankreich seine doppelsitzigen Rafale B nur landgestützt bei der Armée de l'Air einsetzt. Über eine Beteiligung der indischen Rüstungsindustrie an dem Projekt dürfte es in den Gesprächen ebenfalls gehen.