Berijew A-100: Russlands fliegendes Auge bald einsatzbereit?

Frühwarnflugzeug Berijew A-100
Russlands neues fliegendes Auge lernt sehen

Veröffentlicht am 17.06.2024

Ihren ersten Flug bestritt die Berijew A-100 Premier schon vor fast sieben Jahren, am 18. November 2017. Jahrelang war das neue fliegende Auge der russischen Luftwaffe aber auch in der Folgezeit noch "blind", erst im Februar 2022 flog der A-100-Prototyp zum ersten Mal mit eingeschaltetem Radar. Damals rechneten offizielle Stellen für 2024 mit einer Inbetriebnahme der A-100, die als Nachfolgerin für die seit 1978 fliegende A-50 Schmel eingeplant ist. Der russische Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 allerdings schob diesem Plan einen Riegel vor – durch die verschärften westlichen Sanktionen waren notwendige Elektronikbauteile für die A-100, die zuvor schon schwer zu bekommen waren, plötzlich gar nicht mehr verfügbar.

UAC / Beriew

Sackgasse wegen Sanktionen?

Erwartungsgemäß wurde es seither recht still um das Projekt, dessen offizieller Startschuss bereits im Jahr 2006 gefallen war. Einzig der damals noch amtierende Verteidigungsminister Sergei Schoigu rückte die A-100 zeitweise ins Rampenlicht, als er im Juli 2023 die beschleunigte Einführung neuer Frühwarnflugzeuge forderte. Seitens der Industrie erfuhr Schoigu – zumindest in Bezug auf die A-100 – seinerzeit wenig Widerhall. Stattdessen schlug Sergei Tschemesow, Geschäftsführer des Rüstungskonzerns Rostec, im Frühjahr dieses Jahres vor, die Vorgängerin A-50 Schmel wieder neu aufzulegen. Dies wiederum fassten manche Beobachter im Ausland als klares Zeichen dafür auf, dass die Entwicklung der mit neuem Radarsystem bestückten A-100 in einer Sackgasse stecken musste.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Flugtests über Uljanowsk

Allerdings tauchten nun in den sozialen Medien neue Fotos auf, die offenbar in der Region Uljanowsk aufgenommen wurden, und die den A-100-Prototyp im Flug zeigen. Uljanowsk ist Heimat des Flugzeugwerks Aviastar-SP, das für die Endmontage der neuen Il-76-Version Il-76MD-90A zuständig ist, auf der auch die federführend von Berijew modifzierte A-100 aufbaut. Offenbar haben die Russen die Erprobung ihres Frühwarnjets, die zuvor bei Berijew im südrussischen Taganrog stattfand, ins weiter nördlich im Landesinneren gelegene Uljanowsk verlegt, was vermutlich mit dem Kriegsgeschehen in der Ukraine zusammenhängt.

Über den aktuellen Stand des Programms erfährt man allerdings aus Russland wenig. In einem Pressebericht vom 12. Juni heißt es, "russische Ingenieure bereiten sich auf die letzte Phase der Erprobung des Bordradar-Erkennungssystems mit großer Reichweite" vor. Die damit verbundenen Tests mit der A-100 würden "unter Kampfbedingungen durchgeführt." Ob die russische Industrie auf die augenscheinlichen Versorgungsprobleme mit Hightech-Komponenten für das A-100-Radar eine passende Antwort gefunden hat und das Flugzeug sein Prototypen-Stadium zeitnah verlassen kann, bleibt unklar.

Was macht die A-100 Premier aus?

Die A-100 Premier besitzt ein vom russischen Hersteller Vega entwickeltes Radarsystem mit aktiver elektronischer Strahlschwenkung. Die Hauptantenne dieses neuen AESA-Radars namens Premier 476 residiert in einem fest montierten, tellerförmigen Radom auf dem Rumpfrücken und ermöglicht eine verzugslose Steuerung des Radarstrahls. Das Radar arbeitet in zwei Frequenzbereichen und wird um weitere Antennen ergänzt. Berichten zufolge soll sich die A-100 auch als fliegender Kommandostand sowie für die signalerfassende Aufklärung (englisch: Signals Intelligence, kurz SIGINT) eignen. Dank ihrer moderneren PS-90A-Turbofans kann die A-100 laut Datenblatt mehr als zehn Stunden in der Luft bleiben, mit ihrem AESA-Radar bis zu 650 Kilometer weit sehen und dabei 300 Ziele parallel verfolgen. Auch Stealth-Flugzeuge und Kampfdrohnen soll die A-100 aufspüren können.