„Gefährliches Manöver“
Chinesische J-16 schießt Flares auf australische Poseidon

Australiens Regierung ist erbost: Ein chinesischer Kampfjet soll über dem Südchinesischen Meer Täuschkörper abgeschossen haben – unmittelbar neben einer australischen P-8A. Reste der Flares gelangten wohl gar in ein Triebwerk der Poseidon.

Chinesische J-16 schießt Flares auf australische Poseidon
Foto: eng.chinamil.com.cn/Photo by Lu Shiqiang

"Nur schauen, nicht anfassen." So salopp könnte man die Grundregel formulieren, die für das Abfangen von Flugzeugen in internationalem Luftraum gilt – und zwar weltweit. Am 26. Mai hielt sich die Crew eines chinesischen Kampfjets offensichtlich nicht an diesen einfachen Grundsatz. Stattdessen gefährdete sie mit einem "gefährlichen Manöver" Menschenleben. Das zumindest ist der Vorwurf, den das australische Verteidigungsministerium nun gegen China erhebt und aufgrund dessen Australiens Regierung nach eigenen Angaben eine förmliche Beschwerde bei den Amtskollegen in Peking eingereicht hat.

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Die Shenyang J-16 ähnelt der russischen Suchoi Su-30, ist aber keine bloße Kopie derselben, sondern in weiten Teilen eine Eigenentwicklung.

Was war geschehen?

Die australische Regierung erklärte, dass sich an besagtem Tag eine Boeing P-8A Poseidon der Royal Australian Air Force über dem Südchinesischen Meer auf Patrouille befand. Derlei Missionen seien in der Region "seit Jahrzehnten" Routine, heißt es aus Canberra. Als Antwort schickte China eine Shenyang J-16 in die Luft, die mit dem australischen Seefernaufklärer auf Tuchfühlung ging. Auch das ist im Grundsatz nicht ungewöhnlich. Was danach folgte, aber umso mehr. Denn die beiden Flugzeuge sollen sich bei ihrem Treffen in der Luft nicht nur besonders nahe gekommen sein. Laut australischen Angaben setzte sich der chinesische Fighter direkt an die Seite der Poseidon – und begann plötzlich damit, Flares abzufeuern. Anschließend beschleunigte er, schnitt die Flugbahn der Australier direkt vor deren Nase und preschte von dannen.

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Eine australische P-8A (Foto) geriet am 26. Mai in der Luft mit einer J-16 aus China aneinander.

"Ganz offensichtlich sehr gefährlich"

Australiens Regierung wirft den chinesischen Piloten aufgrund dieses Vorfalls nun eine akute "Sicherheitsbedrohung für die P-8 und ihre Besatzung" vor. Reste der Täuschkörper, die im Normalfall als Selbstschutz vor herannahenden Infrarot-Raketen ausgestoßen werden, seien in ein Triebwerk der Poseidon geraten. Zwar habe die Crew das Flugzeug sicher zurück nach Hause fliegen und landen können – aber "ganz offensichtlich ist das sehr gefährlich", unterstrich Australiens Verteidigungsminister Richard Marles bei einer Pressekonferenz in Melbourne. Details über eventuelle Schäden an der P-8A gibt es offiziell noch nicht. Auch eine Antwort der chinesischen Regierung auf die Beschwerde aus "Down Under" ließ bislang auf sich warten.

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China soll aktuell etwa 170 Shenyang J-16 besitzen - Tendenz steigend.

Schwelender Konflikt

Die Spannungen zwischen China und dem Westen im Süd- und Ostchinesischen Meer haben sich in jüngerer Zeit verschärft. China reklamiert weite Teile der Region für sich, Australien wie auch die USA widersprechen dieser Sichtweise vehement. Neben dem Anspruch auf Fischgründe, Öl- und Gasreserven geht es in dem Konflikt auch um die Kontrolle wichtiger Schifffahrtsrouten. Verteidigungsminister Marles erklärte, Australien wisse sich bei seinen Patrouillenflügen im Einklang mit dem Völkerrecht. Der jüngste Vorfall werde die Luftwaffe seines Landes nicht davon abhalten, derlei Missionen auch künftig weiterzubetreiben. Man wolle weiter "sicherstellen, dass im Südchinesischen Meer Schifffahrtsfreiheit herrscht, denn das ist grundlegend im Interesse unserer Nation", so Marles.

Australien wolle damit sicherstellen, dass das Recht auf freie Schifffahrt im Südchinesischen Meer gewahrt bleibe.

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