Was treiben die beiden Flugzeugträger der US Navy und ihr Anhang im östlichen Mittelmeer? In Russland scheint man sich für diese Frage sehr zu interessieren. Jedenfalls gab Präsident Putin bereits am 18. Oktober während seines Staatsbesuchs in China die Order an die russischen Luftstreitkräfte aus, den Luftraum über dem Schwarzen Meer verstärkt zu patrouillieren – und dabei auch die jüngsten US-Bewegungen südlich der Türkei im Zuge der Nahost-Eskalation aufs Korn zu nehmen. Als Mittel der Wahl wählten die Russen die 3.000 km/h schnelle MiG-31K – bewaffnet mit der berüchtigten Hyperschallrakete Kinschal.

Sticht ins Auge: Die Hyperschallwaffe Ch-47M2 Kinschal wirkt selbst unterm Rumpf der wuchtigen MiG-31 riesig.
Putin: "Kontrolle mit Waffen"
Inzwischen sollen die Kinschal-bestückten MiG-31K auf der Halbinsel Krim eingetroffen sein. Bei ihren Patrouillen erhalten sie russischen Angaben zufolge Geleitschutz von Su-27-Jägern. Kreml-Chef Putin betonte, man wolle diesen Schritt nicht als Bedrohung verstanden wissen. "Aber wir werden eine visuelle Kontrolle ausüben, Kontrolle mit Waffen über das, was im Mittelmeer passiert." Und zeigen, was man hat, versteht sich – Stichwort Abschreckung und "Show of Force". Dazu passt, dass russische Medien, etwa die Nachrichtenagentur Tass, Wert darauf legen, wie die Kinschals ihre Ziele anvisieren. Die Raketen würden nicht etwa im Voraus am Boden programmiert, vielmehr könne der Waffensystemoffizier auf dem hinteren Sitz der MiG-31 die Zielkoordinaten während des Fluges eingeben – und bei Bedarf an eine sich verändernde Lage anpassen.

Die MiG-31K ist als Träger für die Kinschal optimiert. Das Abfeuern der Rakete erfolgt bei etwa 1.500 km/h Fluggeschwindigkeit.
Keine echte Seeziel-Rakete
Putin unterstrich zudem, dass die Reichweite der semiballistischen Kinschal mehr als 1.000 Kilometer betrage. Theoretisch könnte das reichen, um die US-Einheiten im östlichen Mittelmeer zu treffen. Die faktische Bedrohungslage für die Carrier der US Navy dürfte dennoch überschaubar sein. Dass die MiG-Crews tatsächlich US-amerikanische Träger als mögliche Ziele für Kinschal-Raketen definieren, scheint eher unwahrscheinlich – und zwar nicht allein wegen der unkalkulierbaren politischen Folgen. Zwar wird der (angeblich) Mach 9 schnellen Kinschal von diversen Analysten eine gewisse Kompetenz gegen langsame Seeziele attestiert – allerdings ist unklar, wie weit ihre Entwicklung auf diesem Gebiet vorangeschritten ist. Primär ist die knapp acht Meter lange Waffe, die mittels Trägheits- und Satellitennavigation ins Ziel findet, für Attacken gegen unbewegliche Infrastruktur an Land konzipiert.
Reaktion auf ATACMS-Angriffe?
Mancher Beobachter vermutet hinter den MiG-31K-Patrouillen deshalb ein anderes Motiv: Vor Kurzem gaben die USA offiziell die Lieferung von ATACMS-Raketen an die Ukraine bekannt – und einen Tag vor Putins Kinschal-Befehl, am 17. Oktober, lancierten die Ukrainer ATACMS-Angriffe auf russische Hubschrauberstützpunkte in Berdjansk und Lugansk. Dabei wurden offenbar zahlreiche Helikopter zerstört oder beschädigt. Möglich, dass die verstärkte Präsenz der MiG-31K über dem Schwarzen Meer auch eine direkte Reaktion auf diese Angriffe ist. Diese Ansicht jedenfalls vertrat der Militäranalyst Wassili Dandykin im Gespräch mit der russischen Zeitung Iswestija. Dandykin sagte: "Dieser Schritt wurde aufgrund der aktuellen Situation in dieser Region während der militärischen Spezialoperation unternommen". Seiner Ansicht nach sollen die MiG-Patrouillen auf die Ukrainer demoralisierend wirken. Schließlich sei die Kinschal "eine ernsthafte Waffe", die einen "ziemlich großen Sprengkopf" besitze. "Das kann natürlich ernüchternd sein", so Dandykin.