Seit dem 24. Februar 2022, dem Tag, an dem russische Streitkräfte in der Ukraine einmarschierten, sind Flugzeuge aus Russland in der Westlichen Hemisphäre eine Rarität. Wenige Tage nach Beginn des Ukrainekrieges verbannten die NATO-Länder und ihre Verbündeten jegliche russischen Maschinen aus ihrem Luftraum. Ausnahmen zu dieser Regel gab es seither nur im Sonderfall – für spezielle Frachtflüge etwa, oder zur Abholung ausgewiesener russischer Diplomaten. Auch Flüge russischer UN-Delegationen nach New York zählten in der Vergangenheit zu diesen Ausnahmen.
Von Moskau nach Washington D.C.
Wenn ein russischer Regierungsjet sich aber auf den Weg in die US-Hauptstadt Washington D.C. macht, sorgt das allemal für Aufsehen. Erst recht dann, wenn auf den ersten Blick kein offizieller Grund für einen solchen Flug ersichtlich ist, denn offiziell war über einen möglichen Anlass zunächst nichts bekannt. Trotzdem machte sich am Dienstagmorgen in Moskau-Wnukowo die Iljuschin Il-96-300 mit dem Kennzeichen RA-96018 auf den Weg über den Großen Teich. Dabei musste das 16 Jahre alte Flugzeug einen Bogen um das Hoheitsgebiet der EU schlagen und begab sich von Moskau aus zunächst nach Norden, um nördlich von Murmansk schließlich Kurs auf die USA zu nehmen. Später flog die Iljuschin südlich an Island vorbei. Ihre Ankunft am Flughafen Washington-Dulles erfolgte laut der Tracking-App Flightradar24 um kurz nach 14 Uhr Ortszeit. Elf Stunden und 41 Minuten war die Il-96 in der Luft.
Spekulationen und Gerüchte
Bei Flightradar24 zählte die Reise der RA-96018 mit der Flugnummer RSD898 zu den meistverfolgten Flügen des Tages – obwohl das Transpondersignal der Iljuschin, und damit auch ihre Route, nur bruchstückhaft wiedergegeben wurde. Auf Twitter und in anderen sozialen Medien spekulierten Nutzer derweil heiß über den möglichen Grund für den Flug. Verhandlungen im Ukraine-Krieg? Taxi nach Hause für ausgewiesene Diplomaten? Das letzte Mal, als ein Flugzeug der russischen Regierung nach Washington flog, liegt mehr als ein Jahr zurück: Anfang März 2022 sammelte die Il-96-300 mit dem Kennzeichen RA-96019 vor Ort russische Beamte ein, die von der US-Regierung als "Spione" des Landes verwiesen worden waren.
Des Rätsels Lösung
Am Dienstagnachmittag meldete sich die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa zu Wort und erklärte, was es mit Flug RSD898 auf sich hat. Ihr zufolge holt die RA-96018 in Washington tatsächlich russische Diplomaten ab. Diese seien von den US-Behörden angewiesen worden, das Land nach Ablauf eines dreijährigen Aufenthalts in den Vereinigten Staaten zu verlassen. Sacharowa betonte, dass es sich in diesem Fall nicht um eine Ausweisung handle, sondern um Arbeitsbeschränkungen, die Washington für russische Auslandsvertretungen geschaffen habe.
