Tagelang hatte Polens Regierung dementiert. Nein, man werde keine polnischen MiG-29 an die Ukraine liefern. Nein, man werde sie auch nicht auf polnischen Basen zur Abholung bereitstellen. Zu sehr fürchtet man in Warschau offenbar, dass ein solcher Schritt im Moskauer Kreml als direktes Eingreifen Polens in den Ukraine-Krieg gesehen werden könnte. Tatsächlich hatte Russlands Verteidigungsministerium ein solches Szenario bereits skizziert – und eine entsprechende Warnung ausgesprochen. Außerdem fürchteten die Polen ausdrücklich um den Verlust ihrer eigenen Verteidigungsfähigkeit. Schließlich stehen die gut zwei Dutzend noch fliegenden MiG-29 nicht irgendwo im Depot herum, sondern werden noch benötigt und aktiv genutzt – solange, bis genügend Nachfolge-Jets aus den USA zur Verfügung stehen.

MiG-29 nach Ramstein?
Zumindest diese Befürchtung scheint inzwischen entkräftet, denn in den USA denkt man inzwischen ernsthaft darüber nach, den Verlust der MiG-29 durch rasch gelieferte F-16 aus Beständen der US Air Force zu kompensieren – auch wenn längst nicht klar ist, wie das im Detail vonstatten gehen soll, da auch die US-Luftwaffe nicht unbegrenzt F-16 mit dem entsprechenden Standard zur Verfügung hat. Die MiGs tatsächlich direkt den Ukrainern anzubieten, ist den Polen wohl allerdings trotzdem zu heiß – aus verständlichen Gründen, droht dadurch doch eine neue Stufe der Eskalation. Zumal dann, wenn ein solcher Deal derart breit in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Die Regierung in Warschau unternahm daher gestern den Versuch, den Schwarzen Peter weiterzuschieben und sich möglichst elegant aus der Affäre zu ziehen: Man sei bereit, alle MiG-29 "sofort und kostenlos" auf die US-Basis Ramstein zu fliegen und sie dort an die Amerikaner zu übergeben, hieß es in einer gestern veröffentlichten Erklärung."Gleichzeitig bittet Polen die Vereinigten Staaten, uns gebrauchte Flugzeuge mit entsprechenden Einsatzfähigkeiten zur Verfügung zu stellen." Man sei bereit, unverzüglich die Bedingungen für den Kauf der Flugzeuge auszuhandeln. Die polnische Regierung bitte darüber hinaus "auch andere NATO-Bündnispartner, die Eigentümer von MIG-29-Jets sind, in gleicher Weise zu handeln."
"Sache der polnischen Regierung"
Alles geklärt also? Mitnichten. Denn die USA möchten die ihnen durch das polnische Angebot auferlegte Verantwortung nicht annehmen. Er glaube nicht, dass der Vorschlag haltbar sei, ließ Pentagon-Sprecher John Kirby in der Nacht verlauten. Die Entscheidung, der Ukraine polnische Kampfflugzeuge zu überlassen, sei Sache der polnischen Regierung. Die Vorstellung, dass Kampfflugzeuge, die dem US-Militär übergeben worden seien, im Krieg mit Russland von einem US-Stützpunkt in Deutschland in den umkämpften ukrainischen Luftraum flögen, werfe "ernsthafte Bedenken für das gesamte NATO-Bündnis auf", erklärte Kirby weiter. Die Angelegenheit sei äußerst komplex. "Wir werden uns weiterhin mit Polen und unseren anderen NATO-Verbündeten über dieses Thema und die damit verbundenen schwierigen logistischen Herausforderungen beraten", so Kirby.

Andere Systeme
Auf technischer Seite gibt es zudem noch eine weitere Hürde. Denn MiG ist eben nicht gleich MiG, auch wenn es von außen den Anschein hat. Die MiG-29 der Polen stammen großteils aus Beständen der deutschen Luftwaffe, die die Jets wiederum von der NVA geerbt hatte. Um sie auf NATO-Standard zu bringen, erhielten die deutschen (und später polnischen) MiG-29 eine Reihe umfassender Updates. Dabei wurden viele Original-Komponenten ausgebaut und durch westliche Pendants ersetzt. Das Cockpit-Layout der "verwestlichten" MiG-29 hat sich dadurch verändert, was eine vorherige Einweisung für ukrainische Piloten wohl unumgänglich macht. Funk-, Navigations- und Kommunikationsgeräte sowie andere sensible NATO-Systeme, die sich in den Cockpits der polnischen MiGs befinden, müssten überdies wohl wieder entfernt werden, bevor die Jets an die Ukraine gehen können.