Deutsche Regierungsjets: Der Kanzler-Airbus und sein Gefolge

Deutsche Regierungsjets
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Der Kanzler-Airbus und sein Gefolge

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Die Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung stützt sich seit drei Jahrzehnten in großem Umfang auf Airbus-Muster. A321LR und A350 ergänzen seit Neuestem die Flotte.

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Wenn die Volksvertreter auf Reisen gehen, nutzen sie spezielle Flugzeuge: Ausgestattet mit VIP-Einrichtung und mit schwarz-rot-goldenem Zierband sowie dem Schriftzug "Bundesrepublik Deutschland" versehen, steht für die Beförderung herausgestellter Persönlichkeiten des politischen/parlamentarischen Bereichs die "Weiße Flotte" der Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung mit A319, A321, A340 und A350 parat. Doch auch nach Abgabe der Luftbetankungs-Aufgabe an das Multinational MRTT Unit der NATO in Eindhoven und der Ausmusterung der A310 gibt es eine "Graue Flotte" für Transportaufgaben, die nun mit A321LR ausgestattet wird. Hinzu kommen drei Bombardier Global 5000 und drei Global 6000 hauptsächlich für kürzere und mittlere Distanzen. Kurztrips übernehmen drei weiterhin in Berlin-Tegel stationierte Helikopter vom Typ Airbus AS532 Cougar.

Die Verbindung der zum 1. April 1957 als Staffel aufgestellten Flugbereitschaft mit Airbus begann 1991. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands und der damit verbundenen Auflösung der staatlichen DDR-Fluggesellschaft Interflug wurden drei Airbus A310-304 an die Bundeswehr übergeben und der Luftwaffe für Transportaufgaben überstellt. Die Flugbereitschaft nutzte sie zunächst im Routineflugdienst in die USA und Kanada sowie für Aufträge im politischen und parlamentarischen Bereich. Ihr Vorteil: Sie hatten Zusatztanks für eine deutlich höhere Reichweite. Im Jahr 1995 wurden von der Lufthansa noch zwei gebrauchte A310 gekauft, die die letzten Boeing 707 ersetzten.

© Airbus

Die "Graue Flotte" - ganz neu dabei sind zwei A321LR.

Erweitertes Einsatzspektrum

Im Laufe der Jahre wurde das Einsatzspektrum erweitert, wobei die Luftwaffe besonders stolz auf die MedEvac-Version mit sechs Behandlungsplätzen für Intensivpatienten und 38 Liegen war, die eine optimale Versorgung der verletzten oder kranken Passagiere ermöglichte und mit ihrer medizinischen Funktionalität einzigartig war. Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 stand ein Airbus A310 in MedEvac-Konfiguration ständig in Bereitschaft.

Die Fähigkeiten dieser MRT (Multi-Role-Transporter) wurde aber noch erweitert. Um auch eine eigenständige Luftbetankung sicherzustellen, erhielten sie einen Rüstsatz sowie eine passende Missionsavionik. Damit wurden sie zu sogenannten MRTT (Multi Role Tanker Transport). Die Betankung erfolgte durch Wing Pods unter beiden Flügeln, die mit ausfahrbaren Schläuchen arbeiten. So können zwei Jets gleichzeitig versorgt werden. Mit bis zu 1250 Kilogramm pro Pod und Minute floss das Kerosin aus den umgebauten Airbussen, die – mit drei Container-Tanks – über eine Kraftstoffkapazität von mehr als 70 Tonnen verfügten. Die Tanker-Aufgabe wird heute von A330 MRTT des MMU in Eindhoven wahrgenommen, wobei einige Maschinen auch in Köln-Wahn stationiert werden. Entsprechend absolvierte die A310 ihren letzten Flug in der Tankerrolle im September 2021. Bereits ab Januar 2021 wurden die Maschinen ausgemustert, wobei die 10+25 "Hermann Köhl" noch bis Juni 2022 durchhalten musste, da sich die Zulassung von MedEvac-Rüstsätzen in der A330 erheblich verzögerte. Eine A310 wird vom Serengeti Park in Hodenhagen zum Restaurant umgebaut.

Die nächste Airbus-Beschaffung nach den A310 waren zwei A319CJ mit 48 Sitzen, deren Kauf im Dezember 2007 vom Haushaltsausschuss des Bundestags genehmigt wurde. Im März 2008 folgte dann noch die Beschaffung von zwei A340-300, wobei es sich um Gebrauchtflugzeuge aus Beständen der Lufthansa handelte, die bei Lufthansa Technik entsprechend umgerüstet wurden. Die Vierstrahler kosteten zusammen 193 Millionen Euro, also etwa die Hälfte des Neupreises, wobei allerdings auch noch 140 Millionen Euro für die Neuausstattung hinzukamen. Mit dem Einbau einer Schutzausstattung gegen Flugabwehrraketen sowie einem Wartungsvertrag bis 2020 summierte sich die Beschaffung auf rund 726 Millionen Euro. Die erste A319 wurde im März 2010 von Lufthansa Technik ausgeliefert, die erste A340 folgte dann im März 2011.

© Metternich/Luftwaffe

Die A310 MRTT, die über Luftbetankungsfähigkeit mit Schlauchsystemen verfügen, sind nun Geschichte.

Das fliegende Auge

Eine spezielle A319CJ der Flugbereitschaft ist die 15+03, die für Beobachtungsflüge im Rahmen des (von den USA und später von Russland gekündigten) Vertrags über den "Offenen Himmel" (Open Skies) vorgesehen ist. Die feierliche Übergabe in Hamburg erfolgte im Juni 2019 nach rund 26 Monaten Liegezeit bei Lufthansa Technik. In dieser Zeit wurde das Gebrauchtflugzeug (Ex-Volkswagen) zunächst grundüberholt und erhielt anschließend mehr als 150 Modifikationen.

Dazu zählten der Austausch eines sieben Meter langen Teils der Außenhaut auf der Rumpfoberseite sowie die ausgefrästen und verglasten Öffnungen im Flugzeugboden, die den Einsatz der Beobachtungs- und Kameratechnik auf Open-Skies-Flügen ermöglichen. Neben dem Einbau der digital-optischen Kamerasysteme für drei verschiedene Flughöhen und der Installation eines digitalen Infrarotsensors umfasste die Liegezeit auch größere Modifikationen an der Kabine des Flugzeugs. Für den neuen Einsatzzweck wurde sie unter anderem mit vier Bedienstationen für das Beobachtungspersonal ausgerüstet. Im sogenannten Missionsbereich verfügt das Flugzeug darüber hinaus über weitere 16 Sitze für Personal des überflogenen Vertragsstaates und für Personal von Partnernationen.

© Bundeswehr - Jonas Weber 11 Bilder

Flottenerweiterungen

Nach einer Pannenserie, die unter anderem dazu führte, dass Kanzlerin Merkel mit einem Linienflug zum G20-Gipfel in Buenos Aires reisen musste, wurde im Februar 2019 zunächst der Kauf eines Airbus A350 für 150 Millionen Euro angekündigt. Im April folgte dann ein Vertrag mit Lufthansa Technik über gleich drei Maschinen, um mittelfristig die A340 zu ersetzen. Das erste Flugzeug, noch mit einer Interimsausstattung für 146 Passagiere, wurde am 20. August 2020 an die Flugbereitschaft übergeben und am 9. Oktober nach Köln-Wahn überführt. Die beiden weiteren Maschinen gingen für die VIP-Komplettausstattung im März 2021, bzw. im vergangenen Jahr nach Hamburg zu Lufthansa Technik. Die 10+01 "Konrad Adenauer" wurde im November 2022 feierlich übergeben, die 10+02 "Theodor Heuss" folgte im März 2023. Aktuell wird die 10+03 "Kurt Schumacher" in Hamburg ebenfalls auf den endgültigen Standard gebracht.

© Patrick Zwerger

Im August 2022 übergab Lufthansa Technik auf der ILA in Berlin feierlich den ersten von zwei Airbus A321LR an die Luftwaffe.

Breitgefächertes Aufgabenspektrum für A321LR

Derweil hat die Flugbereitschaft noch zwei A321LR erhalten, mit der man auch national einen Teil der A310-Aufgaben abdecken wird. Nach der Vertragsunterzeichnung am 8. Juli 2020 wurde der erste neue Airbus auf der Luftfahrtschau ILA im Juni 2022 in Berlin feierlich übergeben. Die A321LR sollen als Truppentransporter, VIP-Flieger und fliegende Intensivstation dienen. Um diesem breitgefächerten Aufgabenspektrum gerecht zu werden, hat Lufthansa Technik die fabrikneuen Jets mit einer modular aufgebauten Kabine ausgestattet, die bis zu 18 unterschiedliche Ausstattungsvarianten erlaubt. Das Maximum liegt bei 136 Passagieren. Die Reichweite von 7780 Kilometern erlaubt problemlos Interkontinentalflüge – sowohl für Delegationen im parlamentarischen Betrieb als auch für Soldaten mit Marsch- und Einsatzgepäck. Für den Einsatz als fliegendes Krankenhaus ist der Einbau neuer MedEvac-Rüstsätze geplant, die den Transport von sechs Intensivpatienten oder zwölf weniger schwer verletzten Personen möglich machen sollen. Hier gibt es allerdings Verzögerungen, voraussichtlich bis Mitte 2023.

Wenn die A340 übergangsweise noch etwas im Dienst bleiben, wird die Flugbereitschaft demnächst fast ein Dutzend Airbus-Flugzeuge betreiben. Vorteil dabei: da A319, A321 und A340 über ähnliche Auslegung verfügen, besitzen deren Piloten generell Type Ratings für alle Muster. Flexibilität ist heute nämlich wichtiger denn je. "Die Anforderungen an die Verfügbarkeit von Luftfahrzeugen und Crews sind in den vergangenen Jahren ständig gestiegen, während die Vorlaufzeiten für die Flugplanung tendenziell immer geringer wurden", heißt es bei der Flugbereitschaft.

Die beiden A340-300 müssen noch so lange durchhalten, bis alle A350 geliefert sind.

Die Airbusse der Flugbereitschaft

10+01: Airbus A350-900 "Konrad Adenauer" (übergeben am 16. November 2022)
10+02: Airbus A350-900 "Theodor Heuss" (übergeben am 16. März 2023)
10+03: Airbus A350-900 "Kurt Schumacher" (übergeben am 20. August 2020, derzeit nicht im Dienst)

10+21: A310-304 (Ex-Interflug, Ausmusterung Juni 2014)
10+22: A310-304 (Ex-Interflug, Ausmusterung 1. Juli 2011)
10+23: A310-300 PAX-Version "Kurt Schumacher" (außer Dienst am 3. September 2021)
10+24: A310-300 MRTT "Otto Lilienthal" (ausgemustert am 25. Mai 2021)
10+25: A310-300 MRTT "Hermann Köhl" (ausgemustert 15. Juni 2022)
10+26: A310-300 MRTT "Hans Grade" (ausgemustert am 30. August 2021)
10+27: A310-300 MRTT "August Euler" (seit November 1998, ausgemustert Januar 2021)

15+01: Airbus A319CJ (im Dienst seit März 2010)
15+02: Airbus A319CJ (im Dienst seit Mai 2010)
15+03: Airbus A319CJ "Offener Himmel" (Ex-Volkswagen)
15+04: Airbus A321-200 (Ex-Lufthansa, Übergabe September 2018)
15+10: Airbus A321LR (Übergabe Juni 2022)
15+11: Airbus A321LR (Übergabe August 2022)

16+01: Airbus A340-300 "Konrad Adenauer" (Ex-Lufthansa, Ausmusterung steht an)
16+02: Airbus A340-300 "Theodor Heuss" (Ex-Lufthansa, Ausmusterung steht an)

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