Die Offerte der Russen liegt auf dem Tisch – und für Indien dürfte sie durchaus reizvoll sein: Schließlich bietet Russland sein Kampfjet-Kronjuwel Su-57 nicht nur zum Kauf an, sondern packt auch noch Lizenzbau in Indien, Technologietransfer in allen relevanten Fragen und sogar die Möglichkeit, gemeinsam einen Doppelsitzer zu entwickeln, mit in die Tüte.
Die Inder haben auf die neuerliche Charme-Offensive der russischen Seite anlässlich der Dubai Airshow im November bislang nicht öffentlich reagiert. Da am 4. Dezember aber Kreml-Chef Wladimir Putin zu Besuch bei Indiens Premierminister Modi erwartet wird, in dessen Rahmen auch Rüstungsgeschäfte auf der Agenda stehen, könnte sich das bald ändern. So gehen Analysten davon aus, dass sowohl das russische Flugabwehrsystem S-500 Prometheus als auch ein möglicher Su-57-Deal Gegenstand der Gespräche zwischen Putin und Modi sein werden.
Auf der Dubai Airshow hatte Sergej Tschemesow, Chef des russischen Staatskonzerns Rostec, die engen Beziehungen zwischen Russland und Indien auf dem Verteidigungssektor untermauert. "Was auch immer Indien benötigt, wir sind bereit, es zu unterstützen", so Tschemesow.
Braucht Indien ein Flugzeug wie die Su-57?
Offen bleibt in dem Zusammenhang, ob Indien wirklich die Su-57 "benötigt" – egal, ob in Lizenz gefertigt oder nicht. Indien war zeitweise bereits an der Entwicklung der Su-57 beteiligt und hatte Bedarf für bis zu 144 Exemplare angemeldet. 2018 aber stieg das Land aus – offiziell wegen unüberbrückbarer technischer Differenzen, mutmaßlich aber (auch) wegen offener Finanzierungsfragen.
In der indischen Öffentlichkeit hat die Su-57 indessen viele Fans – nicht zuletzt aufgrund der beeindruckenden Flugdarbietungen von Suchoi-Testpilot Sergej Bogdan, etwa bei der Aero India im Frühjahr oder jüngst bei der Dubai Airshow. Dass die Inder gerne einen Kampfjet der fünften Generation in ihren Reihen hätten, steht ebenso außer Frage. Erst recht, seit Rivale Pakistan öffentlich mit dem chinesischen Stealth-Kampfjet Shenyang J-35 liebäugelt. US-Präsident Trump hatte den Indern im Frühjahr auch die F-35 unter die Nase gerieben – ohne dass es hierfür seither ein konkretes Angebotspaket gegeben hätte.
Parallel arbeitet Indien selbst an einem eigenen Fighter mit Tarnkappe, kommt dabei aber augenscheinlich nicht besonders gut vom Fleck, denn das Projekt AMCA (Advanced Medium Combat Aircraft) steckt auch über 15 Jahre nach dem Start immer noch in der Entwicklungsphase. Von dieser Warte aus betrachtet könnten die Inder von Russlands technologischem Erfahrungsschatz ganz sicher profitieren. Gleichzeitig hätte Russland mit Indiens Flugzeugbauer Hindustan Aeronautics eine "verlängerte Werkbank" für mögliche weitere Exportgeschäfte mit der Su-57, die durch die eingeschränkten russischen Fertigungskapazitäten ansonsten stark limitiert sind.
Indiens Interesse an neuen Rafales
Mitten in diese Gedankenspiele hinein platzt aber nun eine Meldung aus Frankreich. Dort wurde jüngst auf der Webseite des Verteidigungsministeriums ein Regierungsdokument veröffentlicht (und kurz darauf wieder gelöscht), das Indiens Interesse an neuen Rafale-Kampfjets von Dassault thematisiert. Demnach denken die Inder konkret über den Kauf von 90 Rafales des derzeit aktuellsten Standards F4 nach – zusätzlich zu Optionen auf (vorerst) 24 Exemplare der noch in Entwicklung befindlichen Zukunftsversion Rafale F5.
"Indiens Bestellung von neunzig Rafale F4 und die Option auf vierundzwanzig Rafale F5 sind ein Beispiel für das Vertrauen, das die beiden Staaten verbindet", hielt das französische Verteidigungsministerium in dem besagten Dokument fest. Allerdings hat Indien bislang definitiv keine Rafales bei Dassault nachbestellt, weshalb die Formulierung des Ministeriums etwas irreführend wirkt.

In Le Bourget zeigte Dassault 2025 erstmals konkrete Ansätze für die stark weiterentwickelte "Super-Rafale" F5.
Das bringt die "Super-Rafale" F5
Die Pläne Neu-Delhis für einen Rafale-Folgeauftrag sind jedoch schon seit dem Sommer bekannt. Ebenfalls umrissen sind die Rahmendaten für das große Upgrade des französischen Fighters, das sich in der Version F5 niederschlagen wird. Das auch als "Super-Rafale" bezeichnete Projekt verkörpert die größte Weiterentwicklung in der Geschichte des Dassault-Musters und soll die Rafale fit für die Schlachtfelder der Zukunft machen.
So erhält die Rafale F5 eine Kampfdrohne als "Loyal Wingman" an die Seite, mit der sie im Verbund interagiert. Außerdem ist ein stark verbessertes AESA-Radar auf Basis des RBE-2AA von Thales eingeplant, das den Projektnamen RBE2 XG trägt. Dazu kommen umfangreiche Verbesserungen im Bereich der elektronischen Kriegsführung, ein verbessertes, leistungsgesteigertes M88-Triebwerk namens "T-Rex", eine neue Version des optoelektronischen Frontsensors OSF sowie eine Reihe neuer Waffen. Beispielsweise soll die Rafale F5 als Träger für Wegwerfdrohnen dienen, die über einen Datenlink aus dem Rafale-Cockpit gesteuert werden. Auch als Träger der in Entwicklung stehenden Hyperschallrakete ASN4G ist die Rafale F5 vorgesehen.
Rafale, Su-57 – oder beides?
Die ersten Rafale F5 werden allerdings wohl frühestens 2033 aus der Serienfertigung rollen – und dann zunächst für die französischen Luftstreitkräfte reserviert sein. Indien wird perspektivisch also erst in etwa einem Jahrzehnt mit der "Super-Rafale" rechnen können. Die F4 gibt es selbstverständlich schon früher, aber diese Version wird eher eine Ergänzung der Rafale-Bestandsflotte sein und steht nicht in Konkurrenz zu einer möglichen Su-57-Beschaffung.
Überhaupt ist es alles andere als ausgemacht, dass Indiens Lavieren hinsichtlich Rafale F5 und Su-57 zu einer bloßen "Entweder-oder"-Frage gerät. Der indische Bedarf an Kampfjets lässt nämlich durchaus genug Raum für den Kauf beider Muster. Da Indien bereits eine nennenswerte Rafale-Flotte sein Eigen nennt, ist das Interesse Neu-Delhis an verbesserten Derivaten des Deltaflüglers überdies nur folgerichtig und wenig überraschend.
Schenkt Indien den Russen das Vertrauen?
Ob Russland in Indien mit der Su-57 und dem damit verbundenen Rundum-Angebot tatsächlich punkten kann, dürfte eher von anderen Faktoren abhängen. Zum Beispiel von der Frage, wie verlässlich und belastbar die russischen Offerten am Ende wirklich sind – auch unter dem Druck von Ukraine-Krieg, Sanktionen und angespannten Lieferketten. Schließlich hat man – auch in Indien – in der Vergangenheit nicht nur gute Erfahrungen gemacht mit Russlands Support für zuvor verkaufte Kampfflugzeuge. Und natürlich hängt vieles auch davon ab, was Neu-Delhi bereit ist, zu bezahlen.
Die Frage, ob es bei einem groß angelegten indischen Lizenzbau der Su-57, erst recht bei der Realisierung eines Zweisitzers, noch einen Platz für das einheimische AMCA gäbe, steht wiederum auf einem ganz anderen Blatt.





