Das serbische Internetportal Tango Six ist gemeinhin gut informiert, wenn es um die Entwicklungen der Luftstreitmächte auf dem Balkan geht. Naturgemäß steht besonders die serbische Luftwaffe im Fokus der Berichterstattung. Die Serben haben unlängst bei Dassault in Frankreich zwölf fabrikneue Rafale bestellt, um damit ihre MiG-29 zu ersetzen. Weiter auf der Suche ist Serbien indessen nach einem kampffähigen Fortgeschrittenentrainer, der möglichst zeitnah die im einstigen Jugoslawien gebauten Soko G-4 Super Galeb ablösen soll.
In der Vergangenheit schauten sich serbische Offizielle bereits Muster wie die Pilatus PC-21 aus der Schweiz, die Embraer Super Tucano oder die Leonardo M-346 an. Nun aber könnte nach Angaben von Tango Six ein ganz anderes Flugzeug das Rennen machen, das in Europa eher wenige Personen auf dem Zettel haben: die AVIC FTC-2000G aus China – ein Export-Derivat der für die einheimische Streitmacht entwickelten Guizhou JL-9G Shanying.
Das zweisitzige Trainingsflugzeug mit Kampfjet-Attitüde, gebaut in der Provinz Guizhou, stand laut Tango Six mutmaßlich im Fokus einer serbischen Delegation aus Militärs und Politikern, die Anfang November China besuchte.

Die JL-9/FTC-2000 kann ihre Verwandtschaft mit der MiG-21 nur schwer verleugnen.
Was ist die FTC-2000?
Die FTC-2000 ("Fighter Trainer China") ist ein von China in weiten Teilen neu entwickeltes Flugzeug, weckt beim findigen Beobachter aber unwillkürlich die Erinnerung an eine alte Bekannte aus der UdSSR: die Mikojan-Gurewitsch MiG-21. Das ist kein Zufall, haben die Chinesen die FTC-2000 (oder JL-9) doch aus der Chengdu JJ-7 entwickelt – der zweisitzigen Variante des Kampfjets J-7, der wiederum eine direkte Weiterentwicklung der MiG-21 darstellt.
Der Jungfernflug des ersten JL-9-Prototyps erfolgte bereits im Dezember 2003, die kampffähige Ausführung JL-9G erschien 2011 auf der Bildfläche. 2018 präsentierte China die Exportversion FTC-2000G. Bislang einzige Exportkunden für das Muster sind der Sudan (sechs Trainer FTC-2000) und Myanmar (sechs bis zwölf FTC-2000G).

Die FTC-2000G verfügt über ein breites Arsenal an Luft-Luft- und Luft-Boden-Waffen. Die maximale Nutzlast beträgt 2000 Kilogramm.
Design und Bewaffnung der FTC-2000
Im Gegensatz zu J-7 und MiG-21 verfügt die FTC-2000 über eine geschlossene Rumpfnase mit seitlichen, strömungsoptimierten Lufteinläufen. Unter dem Radom arbeitet das chinesische KLJ-7-Radar, in der kampffähigen Variante kann der einstrahlige Jet eine Waffenlast von 2.000 Kilogramm an insgesamt fünf Aufhängungspunkten unter Tragflächen und Rumpf mitführen. Zu den einsetzbaren Waffen zählt unter anderem die Kurzstrecken-Luft-Luft-Rakete PL-7. Auf der Airshow China in Zhuhai im vergangenen Jahr zeigte Hersteller AVIC ein breites Arsenal für die FTC-2000G – unter anderem die Mittelstreckenrakete PL-11A(E), die Lenkbombe LS-6 sowie diverse Lenkbomben der chinesischen FT-Serie.
Angetrieben wird die FTC-2000G von einem Turbojet WP-14C, der mit Nachbrenner 76,5 kN Schub leistet und dem leichten Fighter eine Höchstgeschwindigkeit von Mach 1.2 beschert. Die Reichweite soll bei maximal 2400 Kilometern liegen, das maximale Startgewicht beträgt elf Tonnen.

Als Antrieb nutzt die FTC-2000G ein chinesisches WP-14C - verwandt mit dem sowjetischen Turbojet Tumanski R-13 aus der MiG-21.
Die Gene der MiG-21
Gegenüber der MiG-21 und ihres verbesserten China-Klons J-7 besitzt die FTC-2000(G) neu designte Tragflächen, die aber noch an das althergebrachte Delta-Profil der MiG erinnern. Die ursprüngliche FTC-2000 nutzte das nahezu unveränderte Seitenleitwerk der MiG-21, bei der FTC-2000G wurde dieses ebenfalls neu gestaltet. Der hintere Rumpfbereich, das Höhenleitwerk sowie die Anordnung von Landeklappen und Querruder blieben gegenüber der Ausgangsbasis jedoch nach wie vor unverändert. Unter der neu gestalteten Haube findet sich ein volldigitales Cockpit mit Sitzen in Tandem-Anordnung. Multifunktionsbildschirme und Head-up-Display sind Standard, ebenso wie Radarwarnempfänger, Trägheitsnavigation und GPS sowie Systeme für elektronische Gegenmaßnahmen.

Als Hersteller der FTC-2000G fungiert der Staatskonzern Avic, gebaut wird der Jet in der chinesischen Provinz Guizhou.
Low-Cost-Kampfjet aus China
China vermarktet die FTC-2000G international seit jeher als kostengünstiges Trainings- und Angriffsflugzeug, das sich mit seinem soliden Preis-Leistungs-Verhältnis besonders für finanzschwache Nationen eignen soll. Von dieser Warte aus betrachtet könnte das Muster für Serbien durchaus interessant sein – war der Deal mit Dassault doch alles andere als ein Schnäppchen für das kleine Land. Viel Budget für ein weiteres Kampfflugzeug wird man in Belgrad wohl nicht mehr zusammenkratzen können.

Serbien sucht nach einem Ersatz für die veraltete Soko G-4 Super Galeb aus dem ehemaligen Jugoslawien. Ob die FTC-2000G die richtige Wahl ist?
Die richtige Wahl für Serbien?
Da China in der jüngeren Vergangenheit massiv in Serbien investiert hat und Serbien zudem bereits militärische Ausrüstung aus dem Reich der Mitte beschaffte, läge ein weiterer großer Rüstungsdeal zwischen beiden Ländern sicher nicht allzu fern. Allerdings bietet China mit der Hongdu JL-10 (als Exportversion L-15) seinerseits auch ein moderneres, technisch ambitionierteres Muster an, das im selben Spektrum unterwegs ist wie die FTC-2000G. Hinsichtlich der Kompatibilität mit dem Haupteinsatzmuster Rafale bleiben bei Flugzeugen aus China (oder auch Russland) generell diverse Fragen offen.
Ob sich Serbien, das bis 2021 schon MiG-21 flog, tatsächlich für die chinesische "Enkelin" der legendären MiG begeistern kann, bleibt daher abzuwarten.





