Die Strategie ist einfach, aber effektiv: in der Herstellung günstige Wegwerfdrohnen zwingen den Gegner zum Einsatz wesentlich teurerer Hightech-Flugkörper. Diese Erfahrung machten die USA bei der Abwehr der iranischen Angriffe auf Israel und der Attacken der Huthi-Miliz. Auch Polen setzte zum Abschuss der in den Luftraum eingedrungenen russischen Fluggeräte unter anderem die AIM-120 AMRAAM ein. Dies zeigt ein Vorfall, bei dem einer der Flugkörper wohl aufgrund eines Fehlers im Steuerungssystem sein Ziel verfehlte und in einem Haus einschlug. Der Sprengsatz detoniert aufgrund der aktiven Sicherung nicht.
Die von Russland eingesetzten, ursprünglich aus dem Iran stammenden Shahed-Drohnen sind in der Herstellung deutlich günstiger als Flugkörper wie AIM-9 und AIM-120 – der Stückpreis letzterer beträgt rund eine Million Dollar. Doch das Gebera genannte Fluggerät setzt hier noch einen drauf. Unter den jüngst über Polen abgefangenen russischen Drohnen befanden sich auch mehrere Exemplare dieses Typs.
Quasi wie ein Modellflugzeug aus dem Hobbybereich besteht die Gerbera aus Schaumstoff und Holz. Der Sperrholzrahmen trägt die aus Styropor und Hartschaum bestehende Hülle. Ihre Spannweite beträgt rund 2,5 Meter bei einem maximalen Gewicht von 18 Kilogramm. Die Reichweite soll bei 600 Kilometern, die Höchstgeschwindigkeit bei 160 km/h liegen. Da sie sich sehr billig herstellen lässt, dient sie zur Täuschung und dem Saturieren der ukrainischen Luftabwehr. Allerdings lässt sie sich auch mit einem kleinen Sprengsatz ausstatten.
Bausatz aus China
Angeblich wird sie im russischen Jelabuga aus in China gefertigten Teilen der Firma Skywalker Technologies massenproduziert. Das Unternehmen entstand 2009 in Wuhan als Hersteller von Produkten für den Flugmodellbau. Aktuell vertreibt Skywalker mehrere Drohnen mit einer First-Person-View-Steuerung (FPV). Sie haben eine ähnliche Auslegung wie die Gerbera, sind aber deutlich kleiner. Die chinesische Führung dementiert allerdings die Lieferungen von Kriegsgütern an Russland.

Die Gerbera ähnelt der deutlich gefährlicheren und leistungsfähigeren Shahed-136 (Foto).
Drohnen als Kanonenfutter
Mit ihrer Motoranordnung am Heck, der Deltaform und den vergleichbaren Abmessungen ähnelt sie den iranischen Shahed-Drohnen. Die in Russland Geran genannte Shahed-136 ist jedoch mit 200 Kilogramm deutlicher schwerer. Auch die Bewaffnung ist wesentlich gefährlicher: Das Muster kann einen zwischen 40 und 60 Kilogramm schweren Sprengkopf tragen. Die Gerbera schafft wohl nur fünf Kilogramm. Daher setzen sie die russischen Truppen auch gemeinsam mit den schwereren Ausführungen ein, um die ukrainische Abwehr entsprechend abzulenken beziehungsweise zum Einsatz wertvoller Munition zu bringen.

Die Gerbera ist wie ein Modellflugzeug aufgebaut und daher billig herzustellen.
USA führen Mini-Raketen ein
Das Pentagon hat bereits auf die Erfahrungen im Mittleren Osten reagiert und eine eigentlich für Bodenziele gedachte Mini-Rakete für den Einsatz gegen Drohnen modifiziert. Das Advanced Precision Kill Weapon System II (AGKWS) besteht aus einer 70-mm-Rakete, die über eine Lasersteuerung und kleine Steuerflächen, die nach dem Abschuss ausfahren, verfügt. Eine F-15E Strike Eagle kann beispielsweise bis zu 42 Exemplare tragen und so auch größere Drohnenschwärme bekämpfen.
Billige Abfangdrohnen
Mehrere Unternehmen weltweit arbeiten bereits an Abfangdrohnen zur Abwehr der billigen Einmal-Fluggeräte. Auch hier sollen die Kosten entsprechen günstig sein – im Wesentlichen läuft es auf einen wirtschaftlichen Wettstreit hinaus. In Großbritannien laufen derzeit die Vorbereitungen zur Serienfertigung solcher Geräte. Im Projekt "Octopus" produziert Großbritannien einen Entwurf aus der Ukraine. Die ersten Ausführungen sollen sich laut Mitteilung der britischen Regierung als "sehr effektiv gegen die Shahed-Einweg-Angriffsdrohnen, die von Russland verwendet werden" erwiesen haben. Dabei betrugen die Herstellungskosten weniger als zehn Prozent denen der Shahed. Technische Details veröffentlichten die Briten indes nicht.

Die britische Interceptor-Drohne soll gegnerische Fluggeräte in der Luft rammen.
Ramm-Angriffe in der Luft
Gleichzeitig vermarkten verschiedenen Firmen ähnliche Produkte. Marine and Remote Sensing Solutions (MARSS) testet etwa den Interceptor MR, der über künstliche Intelligenz verfügt und bis zu 288 km/h schnell sein soll. Er schaltet seine Ziele durch Rammen aus. In der Schweiz bietet das Unternehmen Destinus seine Hornet an, die ebenfalls autonom fliegen kann.

Das BLAZE-System trägt eine interne Sprengladung.
Fliegende Splitter-Granate
Das BLAZE-System von Origin Robotics aus Lettland besteht dagegen aus einem Quadcopter, der mit einem Sprengkopf mit Splitterwirkung ausgestattet ist und so im Anflug befindliche Drohnen zerstören soll. Auch hier kommt künstliche Intelligenz zum Erkennen, Verfolgen und Abfangen des Ziels zum Einsatz.