Als Ersatz für das strategische Frühwarnflugzeug Tupolew Tu-126 setzten die sowjetischen Luftstreitkräfte auf die bewährte Iljushin Il-76 als Trägerplattform für die Radaranlage. Aber die ebenfalls wichtigen Bereiche Gefechtsfeldüberwachung und Leitung taktischer Flugzeuge blieben zunächst unbeachtet. Diese Lücke sollte zu Beginn der 80er Jahre ein kleineres Muster füllen. Die Wahl fiel auf die Antonow An-72 mit ihren auf der Tragfläche montierten Triebwerken.
Um die von Flugzeugteilen verdeckten Erfassungsflächen auf ein Mindestmaß zu reduzieren, setzten die Konstrukteure den Radarteller kurzerhand auf das nun nach vorne gepfeilte Seitenleitwerk. Das Höhenleitwerk legten sie tiefer auf den Übergang zum verkürzten Rumpf und verpassten ihm eine V-Stellung, um eine Beeinflussung durch den Abgasstrahl zu verhindern. Das installierte Vega-M-Kwant-Radar sollte bis zu 120 Ziele bis zu einer Reichweite von 370 Kilometern verfolgen können. Obwohl die Ingenieure den Schub der von der An-72 übernommenen Triebwerke steigerten, war die Leistung noch nicht ausreichend. Abhilfe sollte ein zusätzlicher RD-36-Turbojet im Heck schaffen, der eigentlich als Hubtriebwerk im Senkrechtsstarter Jakowlew Jak-38 zum Einsatz kam.

Antonow baute zwei Prototypen.
Einsatz auf Flugzeugträger gefordert
Auch die Marineflieger meldeten für den neuen Flugzeugträger "Admiral Kusnezow" Bedarf für einen Typen zur Luft- und Seeüberwachung an. Da der Carrier nicht über Katapulte, sondern eine Startrampe verfügte, musste der Kandidat über gute Kurzstarteigenschaften verfügen. Erste Studien zeigten jedoch, dass die An-71 ohne erhebliche Änderung nicht dazu geeignet war. Im Endeffekt hätte Antonow ein komplett neues Flugzeug entwickeln müssen. So blieb es bei der Landversion. Anfang Januar 1984 gab die sowjetische Führung den Bau von zwei Prototypen in Auftrag, die relativ zügig die Flugerprobung aufnahmen. Schließlich nutzte Antonow teilweise bestehende Zellen der An-72. Obwohl es sich um Militärflugzeuge handelte, bekamen sie zivile Kennungen und den typischen Aeroflot-Anstrich.
Geheimhaltungspanne bei Gorbatschow-Besuch
Der Westen erfuhr die Existenz dieses Typs erstmals über ein Foto, das Parteichef Michail Gorbatschow beim Besuch des Antonow-Werkes im Juni 1985 zeigte. Im Hintergrund lugte das Heck der An-71 fast verräterisch ins Bild. Wenige Tage später, am 12. Juli 1985, startete das neue Frühwarnflugzeug zu seinem Jungfernflug. Der Zusammenbruch der Sowjetunion sorgte jedoch 1990 zur Einstellung des Programms. Zusammen haben die beiden An-71 insgesamt 749 Flüge absolviert und wurden nach dem Ende des Projekts in Kiew eingelagert.

Diese An-71 fand den Weg ins Museum nach Kiew.
Technische Daten
Typ: Frühwarnflugzeug
Erstflug: 12. Juli 1985
Produktion: zwei Exemplare
Verbleib: je eines abgestellt in Kiew-Swjatoschyn und im Luftfahrtmuseum Kiew-Schuljany
Besatzung: 3 plus 3 Radarbediener
Antrieb: zwei Progress D-436K mit je 73,53 kN Schub plus ein Kolesow RD-36A (28,42 kN)
Länge: 23,5 m
Spannweite: 31,89 m
Höhe: 9,2 m
Leermasse: 19760 kg
Max. Startmasse: 32100 kg
Reisegeschwindigkeit: 530 km/h
Einsatzdauer: bis zu fünf Stunden

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