Es schien, als wäre das letzte Kapitel in der Karriere der letzten in Burbank gebauten Lockheed U-2 auf dem Fliegerhorst Al Dhafra in Abu Dhabi zu Ende gegangen. Damals, an jenem verflixten Tag im Jahr 2008, als die U-2S mit der Hecknummer 80-1099 beinahe ein Raub der Flammen wurde. Bei Wartungsarbeiten am Boden lösten die Techniker versehentlich das Notstartsystem ESS aus, das normal die Aufgabe hat, im Falle eines Triebwerksausfalls in der Luft einen Neustart einzuleiten.
Die Webseite Dragon Lady Today schreibt dazu: "Das ESS ist im Wesentlichen ein Hydrazintank, der das F118-Triebwerk der U-2 im Flug so weit hochdrehen kann, dass es in großer Höhe wieder gezündet werden kann. Der Tank befindet sich im rechten Rumpf. Als die instabile Flüssigkeit explodierte, wurden Teile der Hauptstruktur der 1099 beschädigt."
Eine Reparatur der unglücklichen "Dragon Lady" stand nicht auf der Agenda – und so verschwand die U-2S für annähernd anderthalb Jahrzehnte von der Bildfläche. "13 Jahre lang stand die 1099 still, zerlegt, lautlos und ausgemustert in einem Lager", schreibt Hersteller Lockheed Martin über den Verbleib des Spionagejets, den die Air Force als nicht reparabel in der Wüste parken ließ. Zu einer Verschrottung der Maschine kam es jedoch nicht.

Die U-2S 80-100 wurde 1989 als TR-1A an die USAF übergeben. Später wurde sie in U-2R umbenannt und 1995 schließlich auf den aktuellen U-2S-Standard aufgerüstet.
Die Auferstehung der "Dragon Lady" 1099
Das zahlte sich spätestens 2021 aus, als die USA plötzlich verstärkten Bedarf an Aufklärungs- und Überwachungsfluggeräten spürten. Getrieben von dieser gestiegenen Nachfrage, erinnerte man sich bei der US-Luftwaffe wieder an die eingemottete Unfall-U-2 – und nahm sie noch einmal genau in Augenschein. Die abermalige Analyse der Schäden führte, so Lockheed Martin, schlussendlich zu "einer mutigen Entscheidung: 1099 sollte wieder zum Leben erweckt werden."
Im kalifornischen Palmdale begann kurz darauf ein aufwendiger Restaurierungsprozess. In jahrelanger Arbeit machten sich Spezialisten des Rüstungskonzerns im berühmten Werk 42 am Palmdale Airport daran, die 80-1099 für ihr Comeback vorzubereiten. "Es war mehr als eine Restaurierung, es war eine Wiederauferstehung", konstatiert Lockheed Martin rückblickend. "Die Arbeit war mühsam – strukturelle Schäden mussten repariert, Systeme ersetzt und der Jet Stück für Stück wieder aufgebaut werden." Videoaufnahmen, die den Wiederaufbau dokumentieren, zeigen in der Tat eine komplett entkernte, entlackte und demontierte U-2-Zelle als Ausgangsbasis. Rund vier Jahre währten die Arbeiten.

Die U-2-Piloten fliegen mit Druckanzug. Vor dem Start atmen sie eine Stunde lang reinen Sauerstoff.
"Das Unmögliche möglich gemacht"
Die Mühe zahlte sich aus: Am 18. August 2025, nur wenige Wochen nachdem sich der Erstflug der U-2 zum 70. Mal gejährt hatte, hob die 1099 zu ihrem zweiten Jungfernflug ab – und begab sich somit erstmals seit 2008 wieder in die Luft. Das Ereignis wurde erst jetzt offiziell vom Hersteller publik gemacht. Der gut zweistündige Testflug "signalisierte die Wiedergeburt der letzten jemals gebauten U-2S, die restauriert wurde, um den Anforderungen der US-Luftwaffe für laufende Aufklärungsmissionen gerecht zu werden", so Lockheed Martin weiter. Damit habe man abermals bewiesen, " dass das Vermächtnis der U-2 nach wie vor das Unmögliche möglich macht."
Doch keine Ausmusterung 2026?
Wie lange das Comeback der 80-1099 als Höhenaufklärer für die US Air Force andauert, bleibt indessen abzuwarten. Eigentlich gilt laut Kongressbeschluss der Plan, bis Ende 2026 alle U-2S auszumustern. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass die Air Force – oder auch andere US-Dienste – kurz vor knapp auch über diesen Zeitraum hinaus Bedarf und Verwendungsmöglichkeiten für die alte "Dragon Lady" anmelden.





