Kein lauter Knall beim Aufschlag. Nur ein dumpfes "plopp". Und dann Rauch. Unheilvoll quellender, todesschwarzer Rauch, der sich in einer wabernden Wolke hinter den Bäumen auftürmt, die uns den direkten Blick auf die Katastrophe verbauen. Trotzdem ist sofort nach den ersten Schrecksekunden allen klar, was hier passiert ist.
"Scheiße, Absturz!", brüllt jemand neben mir. Gerade haben wir uns noch unterhalten, wir Fotografen im Anflug der Landebahn 26 am bulgarischen Fliegerhorst Graf Ignatievo, dass wir jetzt doch gern mal ein paar MiGs fliegen sehen möchten – und nicht diese schnöde L-39 Albatros, die da am Himmel herumkurvt. Als Appetithappen für die am Folgetag angesetzte Airshow zu Ehren des 35-jährigen Dienstjubiläums der bulgarischen MiG-29 hatten wir als Zaungäste beim Training natürlich primär auf ebenjene MiG-29 gehofft. So richtig Notiz von dem kleinen Albatros-Trainer hatte von uns eigentlich keiner mehr genommen. Bis genau jetzt, bis zu dem fatalen Moment, als er vom Himmel fiel.

Die Aero L-39ZA mit der Kennung 207 beim Flug über die Pistenachse in Graf Ignatievo, wenige Minuten vor dem Absturz.
Was ist da gerade geschehen?
Aus der Ferne plärren Feuerwehrsirenen. Der Rauch wechselt die Farbe, aus schwarz wird weiß-grau. "Habt Ihr jemanden aussteigen sehen?", frage ich in die Runde. Kollektives Kopfschütteln. "Nein, niemanden." Ich muss durchatmen. Mich kurz sammeln. Fetzen von Gedanken schießen mir wie Blitze durch den Kopf. Komplett banal, fast zynisch dann die Worte, die mein Mund aus den Gedankenfetzen formt: "Das war's, die Show morgen können wir vergessen, was ein Mist." Keine MiG-29-Demo, keine Su-25, nichts. Nada. Alles für die Katz. Und doch, objektiv betrachtet, so belanglos, gemessen an der Tragik dessen, was passiert ist.
Erst Stück für Stück dringt ins Bewusstsein, dass wir gerade einen Crash miterlebt haben, bei dem ein Mensch zu Tode kam. Dass es sogar zwei Menschen waren, die im Cockpit der L-39 starben, erfahren wir erst eine Stunde später – zusammen mit der Nachricht, dass die für Samstag geplante Airshow tatsächlich abgesagt ist. Was auch sonst.

Eigentlich hätte in Graf Ignatievo ein großes Flugfest steigen sollen. Auch zwei griechische F-4E Phantom II zählten zu den Gästen.
Mit Mi-17 gegen das Feuer
Mit mulmigem Magen fahren wir zurück nach Graf Ignatievo – über dieselben staubigen Schlagloch-Feldwege, auf denen wir zuvor ans Westende der Landebahn gebrettert waren. Aber im Unterschied zu vorhin, macht das jetzt überhaupt keinen Spaß mehr. Die fast kindliche Vorfreude auf ein grandioses Wochenende ist bleierner Schwere gewichen. Alles wirkt plötzlich so dumpf, farblos – sinnlos. Was machen wir hier eigentlich?
Während am Horizont eine aus dem nahegelegenen Krumowo herbeigerufene Mi-17 mit Bambi-Bucket-Wassereimer an der Leine herumkurvt, in dem Ansinnen, die noch immer brennende Absturzstelle der L-39 mit Wasser aus einem nahegelegenen See einzudecken, denken wir darüber nach, wie sich wohl die Piloten des Hubschraubers jetzt fühlen mögen. Auch sie haben sich, genau wie wir, sicher auf eine tolle Show ihrer Luftwaffe gefreut – und müssen jetzt die Überreste ihrer toten Kameraden löschen.

Eine Mil Mi-17 aus Krumowo musste das Feuer löschen helfen. Am Vormittag war eine Schwestermaschine über Graf Ignatievo noch in anderer Rolle unterwegs gewesen.
Verstörende Informationen
Natürlich, unvermeidbar, spekulieren wir parallel auch darüber, was den Crash verursacht haben könnte. Selbst sehen konnten wir den Absturz von unserem Standpunkt aus nicht, wegen der Bäume. Aber in Graf Ignatievo kommen wir mit Kollegen ins Gespräch, die "besser" standen als wir. Und was die erzählen, lässt uns die Hände überm Kopf zusammenschlagen. "Glasklarer Pilotenfehler", urteilt ein holländischer Spotter. "Der hat fast das gleiche Manöver kurz davor schon hingelegt und da war es schon unfassbar knapp." Er sei so erleichtert gewesen, als die L-39 nach extrem tiefem Abfangmanöver wieder emporgestiegen sei – bis sie kurz darauf zu einem weiteren Loop angesetzt habe. "Ich habe nur gedacht: nein, bitte nicht schon wieder! Und da hat es auch schon gekracht."

Die finanziell schmal bestückte bulgarische Luftwaffe verfügt nur über rund eine Handvoll flugbereiter L-39-Jettrainer.
Eventuell ein Blackout?
In einem auf Youtube veröffentlichten Videoschnipsel hat es den Anschein, als bliebe die L-39 nach dem oberen Scheitelpunkt des Loopings übermäßig lange im Sturzflug. Dann wechselt sie mit einer halben Rolle die Richtung und beginnt das Abfangmanöver – aber viel zu tief, ohne Chance zu entkommen. Fatale Fehleinschätzung – von Anfang an zu wenig Fahrt und Höhe? Oder ein Blackout des Piloten? Und warum saßen da überhaupt zwei Piloten drin, bei einem Display-Trainingsflug? "Eine Untersuchung wurde eingeleitet, die Öffentlichkeit wird zu gegebener Zeit über die Ergebnisse informiert", heißt es aus der Chefetage der bulgarischen Luftwaffe.

Sie wäre unter normalen Umständen der Star des Wochenendes gewesen: Die MiG-29 fliegt seit 35 Jahren für Bulgarien.
Wir leben noch
Uns lässt die ganze Sache jedenfalls einigermaßen ratlos zurück. Auch die drei Bier und der Wodka, mit dem wir am Abend auf die Verstorbenen anstoßen, helfen da nicht wirklich weiter. Nach einigem Nachdenken entscheiden wir uns letztlich, die Fotos, die wir bis zum Absturz vom Trainingstag in Graf Ignatievo geschossen haben, trotzdem zu veröffentlichen. Übermäßig viel haben wir zwar nicht gesehen, und auch das Wetter wäre am Samstag deutlich besser gewesen. Für einen MiG-29-Doppelsitzer und ein wenig anderweitigen Betrieb am Vormittag hat es aber immerhin gereicht. Und ganz ehrlich, wer käme auf die Idee, sich angesichts der tödlichen Tragödie ob solcher Nichtigkeiten zu beschweren? Wir leben noch. Und das ist wichtig. Nichts anderes zählt.