Als die erste Stratofortress im Juni 1955 bei der US Air Force in Dienst ging, haben sich die Boeing-Konstrukteure wohl nicht in ihren kühnsten Träumen ausgemalt, dass der achtstrahlige Bomber fast 100 Jahre im Einsatz bleiben würde. Doch die B-52 vereint bis heute Eigenschaften, die in dieser Kombination bei keinem anderen Militärflugzeug zu finden sind: eine Reichweite von mehr als 14 000 Kilometern, über 31 Tonnen Waffenzuladung, dazu ist sie vielseitig und zuverlässig, weist eine höhere Verfügbarkeit bei gleichzeitig niedrigeren Betriebskosten auf als die Rockwell B-1B und Northrop B-2. 2018 entschied die Air Force deshalb, dass die B-52 noch gut 30 Jahre weiterfliegen soll. Zeitgleich begann auch das Programm zur Neumotorisierung (B-52 Commercial Engine Replacement Program, CERP). Die Entscheidung über den Ersatz der bisherigen TF33-Triebwerke von Pratt & Whitney sollte eigentlich im Juni fallen, wird laut Medienberichten aber wohl verschoben.
Beschaffung, Integration und Wartung
Mitte Mai 2020 hatte die USAF eine Angebotsanfrage für neue Triebwerke an GE Aviation, Pratt & Whitney und Rolls-Royce gerichtet. Gefordert werden Treibstoffeinsparungen von rund einem Drittel und eine um 40 Prozent höhere Reichweite im Vergleich zu den 60 Jahre alten TF33. Zudem soll der neue Antrieb so zuverlässig sein, dass bis zur Ausmusterung der B-52 um 2050 keine geplanter Ausbau der Triebwerke nötig ist. Es geht um die Beschaffung, Integration und Wartung von 608 Triebwerken plus Reserve für die 76 noch verbliebenen B-52H. Nach der Vertragsvergabe sollen die ersten 20 Testmotoren (davon vier als Ersatz) für zwei B-52-Prototypen innerhalb von 18 Monaten geliefert werden. Die letzten Auslieferungen sind für das Jahr 2037 vorgesehen.

Höchst lukrativer Vertrag
Ins Rennen um den höchst lukrativen Vertrag – die Air Force schätzt die Kosten allein bis 2023 auf 1,4 Milliarden US-Dollar, das Gesamtbudget wurde bisher nicht veröffentlicht – schicken die drei Hersteller ein Regional-Triebwerk und drei Business-Jet-Triebwerke: das CF34-10E (Embraer 190/195) und Passport 20 (Bombardier Global 7500) von GE Aviation, das PW815GA (Gulfstream G600) vonPratt & Whitney sowie das F130, eine militarisierte Version des BR725 (G650) von Rolls-Royce.
Niedrigste Gesamtbetriebskosten
Jeder Hersteller sieht dabei sein Triebwerk als die beste Wahl. Das CF34-10E verursacht nach Angaben von GE die niedrigsten Gesamtbetriebskosten und ist mit mehr als 32 Millionen kumulierten Betriebsstunden wohl auch der ausgereifteste Antrieb im Wettbewerb. Das jüngere Passport biete hingegen den niedrigsten Treibstoffverbrauch seiner Klasse. Überhaupt habe GE die meiste Erfahrung mit militärischen Neumotorisierungen: Die KC-135R wurde von TF33 auf CFM56 umgerüstet, die TF39 der C-5M Super Galaxy habe man durch CF6-80C2 ersetzt und die J57 der U-2 durch F118. Pratt & Whitney hingegen führt als Lieferant der bisherigen B-52H-Triebwerke die umfangreichen Kenntnisse über diesen Flugzeugtyp ins Feld.
Neue Arbeitsplätze schaffen
Auch Erfolge im Bereich kommerzieller Triebwerke dienen als Argument: Bei der G500/G600 habe man mit dem neu entwickelten PW800 den langjährigen Gulfstream-Hoflieferanten Rolls-Royce ausgestochen, bei den Embraer E2-Jets erhielt der Getriebefan anstelle des Passport von GE den Zuschlag. Rolls-Royce preist die Triebwerke seiner F130-Serie an, die bereits im Dienst der USAF stehen, nämlich an der C-37B und der E-11A BACN. Um den Nachteil der britischen (und nicht US-amerikanischen) Muttergesellschaft wettzumachen, will Rolls-Royce die Triebwerke in Indianapolis fertigen und dort neue Arbeitsplätze schaffen.

Ungewöhnliche Konfiguration
Die ungewöhnliche Konfiguration mit acht paarweise angeordneten Motoren pro Flugzeug soll beibehalten werden, um die Modifikationen an den Tragflächen so gering wie möglich zu halten. Deshalb kommen nur Triebwerke mit ähnlichen Abmessungen und ähnlichem Gewicht wie das TF33 infrage. Trotzdem sieht die USAF "erhebliche Risiken" bei der Integration aktueller kommerzieller Turbofans in die B-52. Von der bis 1962 produzierten B-52H gibt es beispielsweise keine digitalen 3-D-Modelle, was die Konstruktionsarbeit und numerische Strömungssimulationen erschwert. Dadurch ist auch die Vorhersage struktureller Belastungen durch neue Antriebe problematisch.
FADEC-Regelung
Zudem sind neue Triebwerksgondeln nötig. Das beeinflusst sehr wahrscheinlich die Strömung an den Steuerflächen, was zu veränderten Lasten führt. Das wiederum könnte schließlich doch noch größere Modifikationen an den Flügeln nach sich ziehen. Die höhere Leistung moderner Turbofans wird die Pylonstruktur anders beanspruchen; auch hier sind wohl Anpassungen nötig. Doch nicht nur mechanisch würden neue Antriebe einiges verändern. Im Gegensatz zu den alten, hydromechanisch gesteuerten TF33 verfügen die neuen Triebwerke über eine vollautonome FADEC-Regelung (Full authority digital engine control). Dadurch müssen zusätzliche Kabel verlegt, Sensoren integriert, Cockpitdisplays und weitere Hardware eingebaut werden.
Langwierige und teure Neuzulassung
Aufgrund der eventuell nötigen, weitreichenden Modifikationen könnte eine langwierige und teure Neuzulassung der B-52 drohen. Gleichzeitig steigen die Instandhaltungskosten für die alternden TF33 immer weiter, sie dürften aktuell pro Triebwerk bei fast zwei Millionen US-Dollar jährlich liegen. Ein ordentlicher Batzen bei einem Achtstrahler.

Studien der Air Force
Seit den1970er-Jahren wird in regelmäßigen Abständen über eine Neumotorisierung der B-52 nachgedacht. 1996 schlugen Boeing und Rolls-Royce beispielsweise vor, die acht TF33 durch vier RB211-535-Turbofans (Boeing 757) zu ersetzen. Das würde, so Boeing, zwischen 4,7 und 6 Milliarden US-Dollar bis zum Programmende einsparen. Studien der Air Force und des Instituts für Verteidigungsanalysen ergaben damals allerdings Mehrkosten von bis zu 1,3 Millionen US-Dollar. Im Gespräch war auch schon eine Umrüstung auf je vier PW2000 (ebenfalls Boeing 757) von Pratt & Whitney oder je acht CFM56-2 (unter anderem KC-135) von CFM International.
Hohe Kosten der Neumotorisierung
Bisher scheiterte eine Umsetzung jedoch zuverlässig an den Finanzen sowie Plänen, die B-52-Flotte perspektivisch durch B-1B und B-2 zu ersetzen. Tatsächlich wird die Stratofortress die beiden jüngeren Bombertypen wohl überleben und künftig an der Seite der neu entwickelten Northrop Grumman B-21 Raider fliegen, angetrieben von kommerziellen Triebwerken. – Wenn nicht wieder die hohen Kosten der Neumotorisierung einen Strich durch die Rechnung machen.