Das Unglück ereignete sich laut Angaben des russischen Verteidigungsministeriums am Dienstag, dem 23. März, auf der Militärbasis Schajkowka, nahe der westrussischen Stadt Kaluga. Demnach sei es während der Startvorbereitungen der Tu-22M3 "zu einem abnormalen Betrieb des Auswurfsystems" gekommen. Drei der vier Besatzungsmitglieder des Bombers seien aus dem Cockpit geschleudert worden. "Aufgrund der unzureichenden Höhe für den Einsatz der Fallschirme" hätten sich diese in der Luft nicht ordentlich geöffnet. Die drei Soldaten hätten deshalb bei ihrem – fast ungebremsten – Aufprall auf den Asphalt tödliche Verletzungen davongetragen. Das vierte Crewmitglied "wurde auf die Krankenstation der medizinischen Abteilung in Schajkowka gebracht", berichtet die Nachrichtenagentur Tass. Offenbar handelt es sich dabei um den Kommandanten des Flugzeugs.

Unfallbericht durchgesickert
Unter den drei Toten befindet sich laut offiziellen Quellen auch der Geschwaderkommandeur, der für den Flug als Ausbilder eingeteilt war. Während die Behörden lediglich erklärten, der Vorfall werde nun eingehend untersucht, veröffentlichte das Portal "The Aviationist" bereits einen (nicht verifizierten) Vorab-Unfallbericht, der in einem russischen Luftfahrtforum aufgetaucht war. Darin heißt es: "In Vorbereitung auf den Trainingsflug schaltete der Kapitän [des Flugzeugs], der stellvertretende Geschwaderkommandant, nach dem Start der APU und der Arbeit mit der Cockpitausrüstung alle CB (Leistungsschalter) auf dem CB-Panel mit dem Hebel der Konsole ein. Im selben Moment wurde das System des erzwungenen Ausstiegs der Besatzung nach dem Standardschema ausgelöst."

Ausschuss des Kommandanten erfolgt separat
Der Auswurf der vierköpfigen Crew erfolge in der Tu-22M3 in der Reihenfolge Bediener, Navigator, Copilot, Kommandant. "Sowohl individuelles als auch erzwungenes Auswerfen sind möglich", so der Bericht weiter. Das erzwungene Auswerfen der Besatzung erfolge durch den Kommandanten, für den es ausreiche, eine Kappe links im Cockpit anzuheben und den darunter liegenden Kippschalter "Erzwungener Ausstieg" zu betätigen. Der Schleudersitz des Kommandanten sei separat auszulösen, was wohl erklärt, dass er nach verfügbarer Quellenlage bei dem Unfall als einziger im Cockpit verblieb. Ähnlich erklärt die Prozedur auch ein anonymer Insider gegenüber der russischen Zeitung Vzglyad. Er hebt als wahrscheinlichste Unfallursache menschliches Versagen hervor, wolle aber auch einen technischen Defekt, etwa einen Kurzschluss, nicht ausschließen.
Unzulänglicher Schleudersitz?
Warum die drei Schleudersitze bei den Startvorbereitungen auslösten, wird Gegenstand der Untersuchungen sein. Bemerkenswert ist in dem Vorab-Bericht jedoch ein weiterer Passus: "Die Mechanismen der Schleudersitze funktionierten normal, die Trennung der Besatzungsmitglieder und das Starten der Rettungsfallschirme erfolgten normal, aber aufgrund fehlender Bedingungen für das sichere Verlassen des Flugzeugs" hätten sich die Fallschirme nicht ausreichend geöffnet. Jene Bedingungen schreiben für den in der Tu-22M3 verwendeten Sitz KT-1M, eine Eigenentwicklung von Tupolew, anscheinend eine Mindestgeschwindigkeit des Flugzeugs von 130 km/h vor. Da das Unglück noch im Stand passierte, war dies logischerweise nicht gegeben. Allerdings ist eine solche Einschränkung im sicheren Betrieb eines Schleudersitzes auch nicht mehr zeitgemäß. Etabliert sind seit Jahren vielmehr Sitze, die auch unter "Zero-Zero"-Bedingungen (null Höhe, null Geschwindigkeit) eine sichere Rettung aus dem Cockpit ermöglichen. Offenbar hat dieser Standard in die Tu-22M3 noch keinen Einzug erhalten – ein Umstand, der nun mutmaßlich drei russische Offiziere das Leben kostete.