Es war der fulminante Abschluss einer langen Karriere: Zum ersten und zum letzten Mal durfte am gestrigen Donnerstag in Indiens Hauptstadt Neu-Delhi eine Iljuschin Il-38SD der indischen Marine an einer Luftparade teilnehmen. Die Parade, bestehend aus insgesamt 50 Flugzeugen und Hubschraubern der indischen Streitkräfte, war Teil der Feierlichkeiten zum 74. "Tag der Republik", mit dem Indien traditionell seine Eigenständigkeit zelebriert. Eingerahmt von zwei Antonow An-32-Transportern der indischen Luftwaffe, präsentierte sich die Il-38SD mit der taktischen Kennung IN301 ein letztes Mal den geladenen Gästen und dem Publikum am Boden. Damit hatte Indiens ältester "Meeresdrache" nach 45 Dienstjahren endgültig seine Schuldigkeit getan.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogenen Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzbestimmungen.
Feuerprobe und Katastrophe
Im Jahr 1977 traf die IN301 als erste von insgesamt fünf in der UdSSR bestellten Il-38 auf der Marinebasis INS Hansa im Bundesstaat Goa an der Südwestküste Indiens ein. Die letzten neuen Maschinen stießen 1983 zu ihrer Einheit. Das Marinefliegergeschwader INAS 315 nutzte die Il-38 als Seefernaufklärer und zur U-Boot-Jagd. Öffentlich in Erscheinung trat das Muster erstmals im Zusammenhang mit dem Absturz des Air India-Fluges 855 am 1. Januar 1978 vor der Küste von Mumbai, bei dem 213 Menschen starben. Eine Il-38 spürte seinerzeit das am Meeresboden liegende Wrack der Boeing 747-200 auf.
In den folgenden zweieinhalb Jahrzehnten flogen die Inder das auf dem Airliner Il-18 basierende Turboprop-Flugzeug mehr als 30.000 Stunden ohne nennenswerten Zwischenfall. Umso schwerer wog die Katastrophe, die dem Geschwader am 1. Oktober 2002 widerfuhr: Bei der Feier zum 25. Bestehen des Geschwaders kollidierten zwei Il-38, die Maschinen mit den Kennzeichen IN302 und IN304, in der Luft und stürzten ab. Alle zwölf Crew-Mitglieder und drei Personen am Boden fanden dabei den Tod. Erst Jahre später, Ende 2009 und Anfang 2010, holten sich die Inder zwei gebrauchte Il-38 aus Beständen der russischen Marine als Ersatz in die Flotte.

"Sea Dragon"-Upgrade
Alle Il-38 der indischen Marine, auch die später beschafften Gebrauchtflugzeuge, erhielten ab 2002 ein umfangreiches Upgrade. Infolgedessen stiegen sie zur heute aktuellen Version Il-38SD "Sea Dragon" auf. Herzstück der Modernisierungsmaßnahmen ist der Missionskomplex "Morskoi Smei" (Seeschlange), eine Exportversion des russischen Novella-Systems. Der vollständig digitale Komplex mit hochauflösendem Radar, stärkerem Magnetometer, SIGINT-System sowie Wärmebild- und Infrarotsensoren erlaubt es, bis zu 32 Ziele gleichzeitig zu verfolgen – bei einer Reichweite von maximal 320 Kilometern.

Meeresgott statt Meeresdrache
Trotz dieser umfassenden Modernisierung, die komplett in Russland stattfand, stand die Wachablösung der indischen "Meeresdrachen" bereits seit längerer Zeit fest. 2020 absolvierte die Il-38SD mit dem Kennzeichen IN305 ihren letzten Flug. Sie steht seither im Naval Aviation Museum in Goa. Die IN301 schied inoffiziell ebenfalls schon vor einem Jahr aus dem Dienst aus, blieb aber bis jetzt im voll einsatzfähigen Reservemodus. Bis Ende 2023 soll die Il-38SD endgültig aus dem aktiven Inventar verschwunden sein. Indiens Marine wird künftig bei der Seefernaufklärung und U-Boot-Jagd ausschließlich auf die Boeing P-8I Neptune setzen. Insgesamt haben die Inder zwölf P-8I bestellt. Die erste Neptune hatte Indien 2013 erhalten, die zwölfte und (bislang) letzte Maschine wurde im Februar 2022 ausgeliefert. Die indische Marine betreibt ihr neues Muster in zwei Geschwadern. Während die P-8I zunächst bei der INAS 312 in Rajali (Südindien) das Turboprop-Monster Tupolew Tu-142 "Bear" ersetzte, fliegt seit Ende 2021 das neu aufgestellte Geschwader INAS 316 "The Condors" auch auf dem Fliegerhorst INS Hansa mit der P-8I.