Selbst die berühmte Präsidentenstaffel HMX-1 des US Marine Corps in Quantico ist inzwischen mit einem Dutzend MV-22B Osprey ausgerüstet. Die traditionell dunkelgrün lackierten Transportmaschinen werden allerdings nicht vom Präsidenten genutzt, sondern übernehmen Unterstützungsaufgaben für die Begleitmannschaft oder nehmen Journalisten mit. Insgesamt haben rund 275 Ospreys die Endmontagelinie im texanischen Amarillo verlassen.
25 Jahre nach dem Erstflug am 29. März 1989 ist das Kipprotormuster also endlich ein wesentlicher Bestandteil der Luftfahrzeugflotte des Marine Corps und entsprechend weltweit im Einsatz. Nach der ersten, noch vorsichtigen Verlegung in den Irak fliegt die MV-22 seit Jahren in Afghanistan. Zunächst hatte sie hier ihre üblichen Aufgaben wie den Materialtransport oder die Verlegung von Kampftruppen erledigt. Seit Herbst 2013, nachdem eigentlich längst der Abzug geplant war, wird die Osprey auf Anweisung von Verteidigungsminister Chuck Hagel nun ausschließlich als Rettungshubschrauber verwendet. Die Marine Medium Tiltrotor Squadron 261 (VMM-261) aus New River, North Carolina, bereitete sich dafür speziell vor. Eingesetzt werden die MV-22 von Camp Bastion aus bei Notfällen, die mehr als 65 Kilometer entfernt sind. Dabei soll der Kipprotor seinen Geschwindigkeitsvorteil gegenüber Helikoptern ausspielen und während des laufenden Truppenabzugs eine gute Abdeckung der Regionalkommandos Süd und West sicherstellen.
Weitreichende Rettungsmissionen im Kampfgebiet sind auch die Spezialität der CV-22B des Air Force Special Operations Command. So flogen drei Ospreys der 8th Special Operations Squadron zum Beispiel am 21. Dezember 2013 über 1450 Kilometer nonstop nach Bor im Südsudan, um US-Mitarbeiter eines UN-Stützpunkts zu evakuieren.
Als sie nach einer Erkundungsrunde zum Landeanflug ansetzten, gerieten sie allerdings in heftiges Feuer von schweren MGs und Granatwerfern und mussten die Aktion abbrechen. Mit vier Verwundeten an Bord, beschädigter Hydraulik und Löchern in den Kraftstofftanks schafften es die Crews nach mehreren Luftbetankungen bis ins etwa 750 Kilometer entfernte Entebbe. Dort wurden 119 Einschusslöcher gezählt. Die USAF vergab für diese Mission den Mackay-Preis 2013 für den „verdienstvollsten Flug“ des Jahres.
Von Uganda aus waren die CV-22B ab dem Frühjahr dann wieder im Einsatz, um die Truppen der Afrikanischen Union bei der Bekämpfung der LRA-Rebellen in der Zentralafrikanischen Republik und der Demokratischen Republik Kongo zu unterstützen. Bereits zuvor waren Ospreys für Übungen zum Beispiel in Marokko aktiv. Während der Übung „African Lion“ im April 2012 kam es zum ersten tödlichen Unfall einer MV-22 nach über einem Jahrzehnt im Einsatz.
Neben den Kampfeinsätzen hat das Marine Corps seine MV-22 auch für humanitäre Missionen bereitgestellt, beispielsweise während des Taifuns Haiyan über den Philippinen im November 2013. Danach verlegten 14 Ospreys von ihrer Basis Futenma auf Okinawa nonstop 1660 Kilometer in die Nähe von Manila. In den ersten zehn Tagen hatten sie knapp 300 Tonnen Hilfsgüter transportiert.
Export ist wegen hohem Preis schwierig
Mit der steigenden Einsatzerfahrung ist die Kritik an der Osprey in letzter Zeit leiser geworden. Mängel wie die enge Kabine oder das Fehlen von nach vorn und seitlich feuernden MGs zum Schutz in der Landezone blieben aber bestehen. Zudem scheint es weiterhin Probleme mit der Zuverlässigkeit diverser Komponenten zu geben. Das Propellergetriebe, das 1000 Stunden im Flugzeug bleiben sollte, muss zum Beispiel angeblich teilweise alle 150 Stunden gewechselt werden. Generalleutnant Bradley Heithold sprach davon, dass die CV-22 im Einsatz wohl stärker und anders belastet werden als gedacht, so dass die Verfügbarkeit nicht zufriedenstellend ist.
Auch mehr Triebwerksleistung könnte die Osprey gut gebrauchen. Wenn in der Kabine 360 Kilogramm an Panzermatten liegen, geht das derzeit zu Lasten von Nutzlast oder Reichweite. Rolls-Royce arbeitet deshalb an Verbesserungen des AE 1107C, die einen Sprung von 4585 auf 5705 Kilowatt Leistung bringen sollen. Dies soll die Einsatzmöglichkeiten bei Hitze und in großer Höhe (35 Grad Celsius und 1850 Meter Höhe) deutlich verbessern. Flugversuche mit einem neuen Turbinendesign wurden im Sommer in New Mexico durchgeführt. Für das Programm setzt Rolls-Royce Firmenmittel ein – schließlich gilt es, erhebliche Haltbarkeitsprobleme der Wellenturbine vergessen zu machen. Seit 2009 habe man die Wartungskosten um 34 Prozent gesenkt, und mit einer neuen Beschichtung werde sich die Lebensdauer des Verdichters verdoppeln. Rolls-Royce steht unter Druck, da sich das Naval Air Systems Command nach alternativen Antrieben umsieht.
Ganz sorgenfrei sind auch Bell und Boeing als Hersteller der Osprey nicht. Zwar kann man mit einem am 12. Juni 2013 unterzeichneten Vertrag 92 weitere MV-22 und sieben CV-22 im Wert von etwa 6,5 Milliarden Dollar (5,15 Mrd. Euro) bauen, aber die Produktionsraten gehen nach der Spitze von 41 im Jahr 2013 auf etwa 20 zurück. Wie es danach weitergeht, ist unklar. Vor allem die 48 V-22 für die US Navy, die immer noch in der Planung stehen, sind keineswegs gesichert. Auch beim Export tun sich Bell und Boeing schwer, was nicht zuletzt an dem Stückpreis von rund 75 Millionen Dollar (60 Mio. Euro) liegt. Immerhin soll Israel sechs V-22 für 1,13 Milliarden Dollar (895 Mio. Euro) erhalten, wobei diese Maschinen aus den Marine-Corps-Bestellungen abgezweigt werden. Japan ist an 17 Ospreys interessiert, und laut Bell-Chef John Garrison gibt es „ein paar“ weitere Interessenten für jeweils rund ein Dutzend Maschinen.
Osprey: Die Verbände





Die MV-22B wird vom US Marine Corps eingesetzt, während die USAF die CV-22B verwendet.
US Marine Corps
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VMM-161 „Greyhawks“ (YR)
| MCAS Miramar, Kalifornien
| Oktober 2009
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VMM-162 „Golden Eagles“ (YS)
| MCAS New River, North Carolina
| August 2006
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VMM-163 „Evil Eyes“ (YP)
| MCAS Miramar, Kalifornien
| Dezember 2011
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VMM-165 „White Knights“ (YW)
| MCAS Miramar, Kalifornien
| April 2011
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VMM-166 „Sea Elk“ (YX)
| MCAS Miramar, Kalifornien
| Juni 2010
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VMM-261 „Raging Bulls“ (EM)
| MCAS New River, North Carolina
| April 2008
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VMM-263 „Thunder Eagles“ (EG)
| MCAS New River, North Carolina
| März 2006
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VMM-264 „Black Knights“ (EH)
| MCAS New River, North Carolina
| Mai 2009
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VMM-265 „Dragons“ (EP)
| MCAS Futenma, Japan
| Oktober 2012
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VMM-266 „Fighting Griffins“ (ES)
| MCAS New River, North Carolina
| März 2007
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VMM-363 „Lucky Red Lions“ (YZ)
| MCAS Miramar, Kalifornien
| 2012
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VMM-365 „Blue Knights“ (YM)
| MCAS New River, North Carolina
| Januar 2009
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VMM-561 „Pale Horse“ (PH)
| MCAS Miramar, Kalifornien
| Dezember 2010
|
VMM-764 „Moonlight“
| Edwards AFB, Kalifornien
| Januar 2013
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VMMT-204 „Raptors“ (GX)
| MCAS New River, North Carolina
| Juni 1999
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VMX-22 „Argonauts“ (MV)
| MCAS New River, North Carolina
| August 2003
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HMX-1
| MAF Quantico, Virginia
| April 2013
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US Air Force
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7th SOS
| RAF Mildenhall, Großbritannien
| Juli 2013
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8th SOS „Blackbirds“
| Hurlburt Field, Florida
| Oktober 2006
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20th SOS „Green Hornets“
| Cannon AFB, New Mexico
| Januar 2010
|
71st SOS
| Kirtland AFB, New Mexico
| Mai 2005
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418th FTS
| Edwards AFB, Kalifornien
| 2000
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FLUG REVUE Ausgabe 12/2014